Festgenommen und beschuldigt



Festgenommen und beschuldigt 

- Meine ersten Erlebnisse mit der Polizei und dem Leitenden Oberstaatsanwalt -

Die Festnahme

Am 29.08.1995 klingelte es gegen 13.30 Uhr an der Haustür. Durch die Sprechanlage gab jemand an, er wolle Staubsauger verkaufen. Auch ein hoffnungsloser Staubsaugervertreter wird bei mir nicht so einfach wortlos weggeschickt und so öffnete ich die Tür. Dies tat ich jedoch nicht über den elektrischen Türöffner. Haustürhändlern und Sektenmitgliedern begegne ich lieber persönlich. Als ich die Tür geöff- net hatte, wurde ich weggerammt und ein Sondereinsatzkommando der Polizei stürmte das Haus. Im gleichen Augenblick verschafften sich weitere Beamte Einlass ins Wohnzimmer meiner Eltern im oberen Geschoss. 
Blendgranaten wurden nicht geworfen.
Ich habe bis heute noch keinen Hausdurchsuchungsbefehl gesehen und nehme an, dass es auch nie einen gegeben hat. Im Übrigen bewohnte ich eine völlig eigenständige Wohnung, die auch baulich vom Wohnbereich meiner Eltern getrennt war. Obwohl meine Eltern in der ganzen Angelegenheit nie auch nur der geringsten Vergehen beschuldigt wurden, wurde vor allem deren Wohnung gestürmt! Rechtlich betrachtet stellt sich für mich daher die Frage, ob denn für ein solches Vorgehen nicht ein zweiter Durchsuchungsbefehl zwingend notwendig gewesen wäre - wenn es denn überhaupt jemals einen sol- chen gegeben hätte. Auch moralisch erscheint es mir absolut unvertretbar, im Charakter der Sippen- haft über die Wohnung meiner Eltern herzufallen. Es ist jedoch müßig, darüber nachzudenken.
Nachdem sich die Herren der Kripo schließlich wenigstens bei mir vorgestellt hatten, erklärte ich auf ihre Fragen nach evtl. Zeugen sowie dem Freundeskreis des Opfers und der  L. Vacca den Weg zu ver- schiedenen Personen. Namen konnte ich damals nicht angeben; dazu kannte ich auch das Umfeld viel zu wenig. Man wies mich an, mitzukommen um meine soeben gemachten Wegbeschreibungen im Auto sicherheitshalber mit abzufahren. Evtl. Missverständnissen sollte wohl so vorgebeugt werden. Außer- dem erklärte man mir, dass ich mit aufs Revier kommen müsse, um meine Aussagen zu Protokoll zu geben. Die Herren der Kripo einigten sich darauf, dass dies auch ohne Handschellen ginge. Ich musste mich jedoch an die Wand stellen und wurde zum Durchsuchen von oben bis unten abgeklopft*). Meine Mutter bat mich noch beim Verlassen des Hauses doch möglichst bald wieder nach Hause zu kommen. Daraufhin antwortete der Kripo-Beamte G,  ich würde für sehr lange Zeit nicht mehr nach Hause kom-
men.
*) Anm.: Nach den Feststellungen eines mit derartigen Dingen bestens Vertrauten bestand zu diesem Zeitpunkt nicht der allergeringste Anfangsverdacht gegen mich!

So fuhr ich also gemeinsam mit mehreren Kriminalern zunächst zur Wohnung eines Freundes des F. Appel und der L. Vacca. Heute ist mir bekannt, dass dieser Dieter heißt. Aus den Ermittlungsakten geht hervor, dass er – nicht ohne Grund! - als Freund Vacca´s und polizeibekannter Angehöriger der Dro- genszene für die Kripo zum Kreis der engen Verdächtigen gehörte, jedoch gab Dieter für die Zeit des Mordes an Frank Appel ein falsches Alibi an. Der Kripo wurde erst später bekannt, dass dieses Alibi eine dreiste Lüge war. Trotzdem akzeptierte man es. Dem Motiv dafür ging man nicht nach – im Gegen- teil:  D. wurde zum Hauptbelastungszeugen gegen mich umfunktioniert!  Ohne weiter anzuhalten fuhren die Polizisten dann weiter zur von mir angegebenen Wohnung von S. K., einer engen Freundin der L. Vacca. Sie war auch tatsächlich zu hause. Einer von ihnen erkannte sogar S. K´s. Auto vor dem Wohn- haus. Die Kripo-Leute entschieden sich dafür, dass ein Teil von ihnen in die Wohnung ginge, um Sabine K. zu vernehmen, während die anderen mit mir ins Revier fahren würden. Die Aussage der S. K. ist äußerst wichtig, weil ich in der Vernehmung später genauer erklärte, dass in der Mordnacht „Appel“ ein Mann mit mir den Tatort verlassen hat, den ich vorher schon einmal in der Wohnung  der Frau K. gese-
hen hatte. Das Protokoll dieser Vernehmung ist jedoch spurlos „verschwunden“. Wenn ich nicht selbst in einer der Vernehmungen auf Frau S. K. zu sprechen gekommen wäre, würde die Zeugin in den gan-
zen Ermittlungsakten trotz ihrer wichtigen Rolle zur Angelegenheit nicht einmal erwähnt werden. Es wur- de über meine Angaben und diese Fahrt nicht einmal ein Protokoll gefertigt. S.K. wurde fünf Jahre spä-
ter in Bamberg tot aufgefunden. Ihr Tod wurde als normaler Drogentod abgetan. Nur: Drei Tage zuvor wurden mir schriftliche Vermerke zu ihrer Person und ihrer Rolle in beiden Tatgeschehen aus einer Akte entwendet, mit der ich um juristisches Interesse ersuchte. Ich habe daher dringenden Grund zur Annah- me, dass S.K. sterben musste, weil sie eine wichtige Zeugin war. Ihre Aussage hätte die ganze Kon-
struktion der Polizei und der Staatsanwaltschaft mit einem heftigen Knall platzen lassen wie einen Luft- ballon.

Von dem Moment an, als die Kripo das Haus betrat, begann eine Befragung, die mit ständig wechseln-
den Beamten ohne Pause nahezu ununterbrochen bis in den nächsten Morgen fortgesetzt wurde. Die Kripo-Leute ließen keinen Augenblick aus, um mich mit Beschimpfungen unter Druck zu setzen und von mir Antworten zu fordern, die sie mir suggestiv vorgaben. Mit dem offiziellen Vernehmungsprotokoll, z.B. vom Nachmittag, liegt lediglich ein einzelner Ausschnitt vor, der nur ein kleines Fragment des tatsäch-lichen Gesamtgeschehens darstellt.
Zwischendurch legte mir z.B. auch einer der Herren Beamten Schwarz/weiß-Fotos von verschiedenen Personen vor und frage mich, ob einer dieser Leute einer der von mir beschriebenen Täter sein könn- te. Als ich dies verneinte, frotzelte mich dieser Beamte an, es könne auch nicht sein, dass einer von diesen Leuten als Täter in Frage komme, da die Fotos schon zwanzig Jahre alt wären. Es kam also überhaupt nicht darauf an, seriöse Ermittlungen zu führen! Die Befragungen zielten nur darauf ab, mich zu verunsichern und zu zermürben. Ein Foto des von mir beschriebenen, polizeilich bestens bekannten Mitglieds der Tätergruppe, wurde mir nicht gezeigt.

Erste Begegnung
mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt

Während dieses Szenarios begegnete mir der Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams (= LOStA) zum ersten Mal, als er den Büroraum, in dem ich vernommen wurde, passierte. Irgendwann, spät in der Nacht, sah ich ihn dann zum zweiten Mal, als er den Leuten der Kripo erklärte, dass er jetzt müde sei und deshalb nach Hause gehe. Die  Herren einigten sich darauf, die Vernehmung mit mir fortzusetzen. Ein Zeitpunkt für eine Beendigung wurde nicht in Aussicht genommen.
Außenstehende können dieses Geschehen sicherlich kaum erfassen. Bei einem Verhör, das pausenlos über Stunden und dann noch die ganze Nacht hindurch dauert, steht ausnahmslos jeder unter unvor-stellbarem Stress, zumal dann, wenn man weiß, es geht um zwei Morde, die man zwar nicht begangen, aber die Leichen gefunden hat. Ich war davon überzeugt, es wird mir deshalb Täterwissen unterstellt.
Meine Hinweise auf die wahren Täter wurden daher auch systematisch mit gereizter Ablehnung abge-
tan.
Den Herrn LOStA selbst zog es also irgendwann zu nächtlicher Stunde vor lauter Müdigkeit ins Bett, während dessen er mich weiter den Kriminalbeamten zur nächtlichen Vernehmung überließ. Dies ist aus gutem Grund verboten, verstößt gegen die Strafprozessordnung und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Wie menschen-  und rechtsverachtend das Verhalten des LOStA ist, wird deutlich, wenn man die Fakten aus den Ermittlungsakten kennt.
In der Gerichtsverhandlung, zu der einige Kriminalbeamte als Zeugen geladen wurden, sagte Krimi-nalhauptmeister (= KHM) G. aus, dass ich lediglich als Zeuge mit auf´s Polizeirevier mitgekommen wäre. Die Stürmung des Einsatzkommandos in unser Haus, die Sicherstellung des Autos meines Vaters wur- de verschwiegen. Obwohl meine Angaben zu den Tätern in der Zeugenvernehmung mit Ermittlungs-ergebnissen, sowie vorherigen Aussagen anderer Zeugen übereinstimmen, behauptete man, ich hätte mich bei der Zeugenvernehmung in Widersprüchen verstrickt. Dies entspricht in keinster Weise der Wahrheit!
Meine Erklärungen decken sich lückenlos mit Fakten, die bereits vor dem Sturm auf´s Haus bekannt waren. Weiterhin sagte Kriminaloberkommissar (= KOK) D. in der Gerichtsverhandlung aus, ich hätte während der Beschuldigtenvernehmung zunächst kaum Angaben gemacht und mir sehr schwer getan, überhaupt etwas zu sagen. Jedoch hätte ich gegen Ende der Vernehmung plötzlich die Taten zugege-
ben und nicht mehr aufgehört, zu reden. Tatsache ist aber, dass ich lediglich erklärte, wo ich die Leiche L. Vacca´s gefunden hatte. Mir war vor allem daran gelegen, dass die Eltern der Vermissten nicht län- ger auf deren Heimkehr warten müssten. Nach heutigen Erkenntnissen halte ich es jedoch für durch- aus wahrscheinlich, dass die Familie bereits vom Tod ihrer Tochter wusste, noch bevor ich davon der Polizei erzählte.
Auf diese Aussage hin ist genau das geschehen, was ich von Anfang an befürchtete: Da ich die Lei- chen gefunden hatte, warf man mir vor, der Täter zu sein. Alle meine Angaben, die ich zum wirklichen Täterkreis machen konnte, von den Vernehmungsbeamten plötzlich harsch zurückgewiesen, waren für die Herren der Kripo absolt nichtig und man behauptete sogar, es gäbe Zeugen für meine Schuld. Dies war eine Lüge! Nach ca. 12 (!) Stunden pausenlosem Verhör und anschließenden „Tatort“-Besuchen resignierte ich und fand mich damit ab, zu unrecht für zwei Morde, die ich nicht begangen habe, verant-wortlich gemacht zu werden. Ich war den Aggressionen und den endlosen Anschuldigungen der Ver-
nehmungsbeamten nicht mehr gewachsen (z.B. der Drohung „sonst verhaften wir Deine Eltern“). KOK D. drohte mir mit Fotos von der Leiche des F. Appel und ergötzte sich in Schilderungen zu den tödlichen Verletzungen. Bei grellem Neonlicht beging ich in der ersten Morgendämmerung mentalen Suizid. Ich leistete dem Willen der Polizisten keinen Widerstand mehr und ließ den Dingen ihren Lauf. Speziell der KOK Gr. konnte seine Freude darüber nicht verbergen. Wenn man mal davon ausgehen will, dass L. V.`s Tod doch eigentlich erst jetzt durch mich bekannt werden sollte, so erscheint doch sein folgendes euphorisches Gehabe reichlich unangebracht!
Herr Müller-Daams machte auf mich vom ersten Augenblick an den Eindruck, dass er in mir keinen Menschen sah. Viel mehr erschien es mir, als wäre ich für ihn ein Stück Material, das man bearbeiten muss. Dieser Eindruck war bei weitem nicht so subjektiv, wie man das annehmen möchte. Das bestä- tigen mir Einzelheiten aus den Ermittlungsakten. So geht daraus z.B. - wie schon an anderer Stelle beschrieben - eindeutig hervor, dass der Täterkreis, eventuell sogar die Mörder und auch der Tather- gang bereits bekannt waren, noch bevor ich festgenommen wurde. Während der LOStA vermutlich schon zufrieden schlief, ging es also nicht mehr darum, ein Verbrechen aufzuklären, sondern nur noch darum, den gefundenen idealen Sündenbock noch so weich zu kneten, dass er das auch bleibt, um somit die wahren Täter auch auf Dauer zu decken.
Da ich in der ganzen Angelegenheit ein wichtiger Zeuge bin, der für die Täter gefährlich werden könnte, bietet es sich hervorragend an, aus mir den Mörder zu machen. Aus dieser Sicht wird mir auch die ab-
sonderliche Reaktion von KOK Gr. erklärlich: L. Vacca´s Tod war keine Neuigkeit mehr für ihn. Seine unangebrachte Freude galt dem Umstand, in mir einen idealen Sündenbock gefunden, mich gebrochen zu haben.

Weitere Begegnung
Auch weitere Begegnungen mit dem LOStA hatten keinesfalls das Ziel die Morde zu klären. Bei der  Tat-
ortbesichtigung zum Fall Appel z.B. wurden Aufnahmen mit einer Videokamera gemacht. Obwohl der LOStA ganz genau wusste, dass sowohl die Beweislage, als auch die Ermittlungsergebnisse für eine Mordanklage nicht ausreichten, verlangte er von mir, dass ich wie in einem Theaterstück vor laufender Kamera einen Mord an F. Appel vorspiele. Einer der Kripo-Beamten sollte das Opfer spielen. Davon angewidert weigerte ich mich, mitzuspielen. Gleich im Anschluss an dieses Ereignis fuhren wir zur Tatortbesichtigung im Falle Vacca. Ich versuchte, diese zweite Tatortbesichtigung abzulehnen und bat darum, mich wieder in´s Gefängnis zurück zu bringen, doch man kam meiner Bitte nicht nach. Da ich nun wusste, dass die Tatortbesichtigung offensichtlich nur dem Zweck diente, mich mit aller Gewalt zum Täter zu machen, weigerte ich mich am Tatort L. Vacca  gleich von vorn herein bis zum Tatort mit hin zu gehen und setzte mich einige Schritte vom Polizeiauto weg auf einen Baumstumpf. Daraufhin kam der Herr LOStA auf mich zu und erzählte, dass Straubing ein sehr schönes Gefängnis (!) mit vielen Frei- zeitangeboten (!) und guten Verdienstmöglichkeiten (!) sei. Solche Aussichten verführen tatsächlich dazu, den ersten Haftschock zu überwinden. Im übrigen tat die Kripo die restliche Zeit auch ihr Mög- lichstes, um mir die Vorstellung von der Last einer lebenslangen Freiheitsstrafe so angenehm wie mög- lich erscheinen zu lassen. Ganz offensichtlich ging es dabei nicht darum, einem verzweifelten Beschul-digten auf die Schulter zu klopfen und Mut zuzusprechen. Sowohl der LOStA, als auch die Leute von der Kripo belegen an Hand der Ermittlungsergebnisse selbst, dass sie viel zu skrupellos sind, um einer solchen menschlichen Regung überhaupt fähig zu sein. Ich bin davon überzeugt,  dass es nur darum ging, den Sündenbock bei Laune zu halten. Zu diesem Zeitpunkt hätte mich ein vernünftiger Anwalt nach meinem heutigen Wissen noch sogar aus der U-Haft frei bringen können. Man war fest entschlos- sen, mich dem Gericht als Täter zu präsentieren. Also wäre es nur völlig selbstverständlich gewesen, hätte man versucht, zu ergründen, was mich dazu bewegt haben könnte, die beiden Opfer zu ermorden. Doch an Motiven war man nicht interessiert. Dies ist später in der Gerichtsverhandlung auch dem vor- sitzenden Richter aufgefallen und so ließ er im Verhandlungsprotokoll ausdrücklich vermerken, dass nicht nach einem Tatmotiv ermittelt wurde (dem Gericht war das auch zu mühselig!).
Natürlich ist es nicht nötig, einen Beschuldigten nach den Motiven für seine Taten zu fragen, wenn man weiß, er ist unschuldig. Wie oben schon beschrieben, stellen die vorliegenden Protokolle eben leider nur einen sehr geringen Bruchteil des ganzen Vernehmungsgeschehens dar. Wer sich mit den Akten befasst, erfährt daher nicht, dass z.B. im Polizeiauto auf der Fahrt zu den Tatorten und auch zu allen anderen Gelegenheiten außerhalb der offiziellen Verhöre ununterbrochen auf mich eingeredet wurde. Permanent sprach man zu mir als einem bereits verurteilten Schwerstver-brecher. Ich hatte mit der Frei-
heit ohne hin abgeschlossen und so wehrte ich mich nicht mehr dagegen, in diese Schublade gesteckt zu werden.

Richterliche Befragung
Fast die halbe Nation jammerte mit, als Renate Wallert von Geiselgangstern gefangen gehalten wurde. Wenn aber jemand in polizeilicher Willkür unerwartet aus dem Leben gerissen und inhaftiert wird, hat niemand ein Wort übrig. Ob nun durch die Hand eines Geiselgangsters, oder durch Suizid, der Tod ist in beiden Fällen präsent. Nicht selten sind U-Häftlinge durch die Gesamtumstände dem Druck nicht gewachsen und nehmen sich das Leben. Deshalb wurde auch ich den Rest der Nacht durch in der Polizeizelle bewacht. Bereits als ich die beiden Opfer fand, sah auch ich mich in einer Stress-Situation, mit der ich total überfordert war. Vieles von dem, was man mit mir sprach, konnte ich nicht verstehen, so, als würde man mit mir in einer fremden Sprache sprechen. Vor der richterlichen Vernehmung wurde ich z.B. im Gerichtsgebäude zufällig von Leuten überschwänglich begrüßt, die ich überhaupt nicht kannte. Später erfuhr ich, dass es sich dabei um weitläufig verwandte Personen handelte, die ich unter normalen Umständen sehr wohl erkannt hätte. Seit jenem mentalen Suizid in der Nacht zum Tage mei-
ner Verhaftung war meine Seele verschüttet und ich lebte nur noch wie ein Automat willenlos an mir vorbei. Meiner eigenen Ideale beraubt habe ich mich in vorauseilendem Gehorsam von den Angehö-
rigen der Rechtsinstitutionen fremdbestimmen lassen. Auf dem Weg zum Gericht saß der Kripo-Beamte KOK D. mit mir im Polizeiauto und redete ständig auf mich ein ich sei ja als Täter eigentlich schon ent-
larvt. Trotzdem verlangte er von mir Antworten auf ziemlich wirre Fragen, da die Angaben in den Ver-
nehmungsprotokollen nicht mit den Ermittlungsergebnissen übereinstimmten (wie wäre das auch mög-
lich gewesen!). Unter diesen Voraussetzungen nahm ich in derart chaotischer Verfassung an einer richterlichen Vernehmung teil, bei der ich alles unterschrieb, was man mir unter die Nase gehalten hat.
Zur Befragung durch den Ermittlungsrichter hatte der LOStA eigene Fragen vorbereitet. So ganz bei-
läufig erkundigte er sich bei mir, ob ich denn zur Tat Appel ein Messer dabei gehabt hätte. Obwohl ich innerlich bereits abgestorben war und gegen jegliche Anschuldigungen keinerlei Widerstand mehr lei-
stete, stritt ich es den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend heftig ab, F. Appel mit einem Messer niedergestochen zu haben. Ich hatte ganz einfach nicht mehr den Willen, schon wieder ein neu hinzu- gefügtes Ermittlungsergebnis in den fiktiv zusammen geschusterten Tathergang mit aufzunehmen. So einigten wir uns auf Vorschlag des LOStA darauf, dass die entsprechenden Verletzungen F. Appel´s  durch die Klinge des Beiles, mit dem ich das Opfer ermordet haben soll, entstanden sein könnten. Der Landgerichtsarzt gab auch in der Hauptverhandlung auf eine einschlägige Frage des vorsitzenden Richters hin dazu eine geeignete Antwort. Fakt ist aber, dass sogar in der Todesbescheinigung als To-
desursache „Bruststich“ bestätigt wird und die Polizei in meiner Wohnung mehrmals ein entsprechendes Messer (erfolglos) suchte. Auch etliche Stellen in Schriftstücken der Polizei und der Staatsanwaltschaft bestätigen den Messerstich. Das lässt sich nicht einfach wegdiskutieren, genau so wenig, wie die Haus-
durchsuchungen danach (die wurden aber wohlweislich nicht protokolliert!). Folgerichtig unterschlägt der LOStA in der Anklageschrift diesen Bruststich völlig. Ich habe keinen großen Wert darauf gelegt, F. Appel nicht niedergestochen zu haben. Ich hatte ohnehin resigniert. Hätte Herr Müller-Daams etwas mehr Wert auf diesen Tatbestand gelegt, so hätten wir sicherlich auch diesen Fakt, genau wie zuvor auch schon viele andere Tatbestände irgendwie zu meinen Lasten in das Protokoll mit aufgenommen. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass dieser Bruststich so wichtig wäre. Hingegen für den LOStA war es ein Schritt auf´s Glatteis, denn wenn ich wirklich der so lauthals verkündete „geständige“ Täter gewesen wäre, so hätte ich natürlich auch von diesem Bruststich wissen müssen und ihn schließlich auch gestanden. So war es für den Herrn LOStA natürlich diplomatischer, diesen Umstand möglichst gut herunter zu spielen und dann später (wie vorbereitet - siehe oben) eben ganz zu unterschlagen. Er passte mit meinen Aussagen nicht überein 
Anm.: Das vom LOStA zunächst ausdrücklich geforderte endgültige Obduktionsgutachten wurde dann wieder abbestellt! Meine Aussagen zum Tathergang stimmten mit den rechtsmedizinischen Erkennt-nissen in keinem Punkt überein. Trotzdem wurde ich auf Grund der Angaben des Landgerichtsarztes  verurteilt. Die von meinen Eltern beauftragten Wissenschaftler, nämlich der renommierte Prof. Eisen-menger und Herr Prof. Graw, kamen in einem Gutachten zu völlig anderen Todesursachen, damit zu einem jeweils absolut anderen Tathergang. Beweis für ein Fehlurteil.

Die Handhabung des Beiles, mit dem F. Appel erschlagen wurde, war Gegenstand einer der weiteren Fragen, die LOStA beschäftigten. In das vorherige Protokoll wurde aufgenommen, dass ich das Beil in der Nacht der Tat auf dem Weg zum Tatort - wie ein Holzhacker auf dem Weg zur Arbeit - über der Schulter getragen haben soll. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei diesem Tatwerkzeug nicht um ein langstieliges, sondern um nur ein kurzes Handbeil handelte, waren sich sowohl die Herren der Kripo mit dem LOStA als auch der Ermittlungsrichter einig darüber, dass die vorherige Beschreibung keines-
falls der Wahrheit entsprechen kann. Neben einigen weiteren Argumenten zeigte auch die ergonomi-
sche Haltung wie unsinnig die Idee ist, ein kurzes Handbeil auf der Schulter tragen zu wollen.Ange- sichts des Vorwurfes, zwei Menschen ermordet zu haben, war es mir völlig gleichgültig, wie die Beschrei-
bung des Tatherganges über den Weg zum Tatort aussah. Es ging ohnehin in den Verhören nie darum, ob ich denn überhaupt der Täter sein könnte. Die Tathergangsbeschreibung spielte für mich neben der Beschuldigung also keine wesentliche Rolle mehr. Es war und ist zu erkennen, dass meine Schuld schon beschlossene Sache war, noch bevor ich zu Hause festgenommen wurde. Durch die Stress-Situation ohne jeglichen Eigenwillen, stimmte ich D´s Vorschlag, ich hätte das Beil im Hosenbund getra-
gen und somit auch vor F. Appel versteckt, ohne Einwand zu. Das Beil lag zur Befragung vor und so folgte ich des Anklägers Bitte, mir das Beil in den Hosenbund zu stecken. Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei dieser neuen Version wieder nur um ein Phantasiegebilde handelte, denn der Stiel des Beiles ragte weit ins enge Hosenbein und machte somit das Gehen recht beschwerlich. Vor allem fiel so das Beil auf - und das sollte ja nicht sein. Der LOStA schlug noch weitere Varianten vor, doch der Er- mittlungsrichter gab zu verstehen, dass es nicht angehen kann, irgend  welche erfundenen Geschich- ten zu schreiben, die mit der Realität nicht übereinstimmen können. Schließlich ginge es bei Ermittlun-
gen nicht darum, was vielleicht gewesen sein könnte, sondern um Fakten. Mit dieser Ermahnung wurde die Diskussion um das Beil für immer beendet. Herrn Müller-Daam´s Fantasien wurden so auf Grund eben jenes Einwandes durch den Ermittlungsrichter nirgendwo dokumentiert und obwohl sich doch ganz klar zeigte, die Vorschläge waren nicht realisierbar, erklärte der LOStA in der Anklageschrift trotzdem: “Der Angeschuldigte hat den eigentlichen Tathergang im Wesentlichen wie folgt geschildert:  ... (das Beil) das er bis dahin im Hosenbund gehabt habe ...„
Solange ein gewissenloser Strafverfolger, ohne Sühnemaßnahmen dafür erwarten zu müssen, ein derartiges Unwesen treiben kann, ist dies keine humane und erst recht keine rechtsstaatliche Gesell-
schaft. Da kann leider auch kein einzelner, aufrechter und mutiger Ermittlungsrichter, der offen und eindeutig auf diese Gewissenlosigkeit hinweist, viel daran ändern. 
- Matthias Frey -

Anmerkungen:
Aktenvermerk der Kriminalpol.-Inspektion. Bamberg vom 27.08.1995 (Anh. zu den Ermittlungsakten Bl. 184 Abs. 3):
„... Aufgrund des Sektionsergebnis wurde Frank Appel ein Messerstich in den Bereich unterhalb des linken Schlüsselbeines versetzt.“

Matthias trug den damaligen Gepflogenheiten entsprechend eine leichte, bunte Sommerhose mit einem Gummibund wie bei einem Slip. In diesem „Hosenbund“ soll er ein 0,8 kg schweres Beil,  zusätzlich Stiel, über nahezu 1 km weit getragen haben!
- Rudolf Frey -

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