Meine Position zu L. Vacca



Meine Position zu Lucia Vacca
Erste Begegnungen
Eigentlich arbeitete ich im Ausland, da ich aber zum damaligen Zeitpunkt Deutschland nicht verlassen konnte, nahm ich ab dem 02.05.1995 an einer beruf­lichen Fortbildung teil. In diesem Fortbildungskurs kamen Leute zusammen wie sie unterschiedlicher wohl kaum hätten sein können. Es waren fast alle Alters­gruppen und vielerlei Charaktere vertreten.
Der Zufall brachte es mit sich, dass L. Vacca im Unterrichtsraum am Tisch direkt neben mir saß. Wenn sich Kursteilnehmer in Unterrichtspausen näher kommen, lassen sie sich naturgemäß überwiegend erst einmal auf ihre Tischnachbarn ein. So ist es völlig plausibel, dass ich mit L. Vacca mehr zu tun hatte als mit irgend einem anderen Kursteilnehmer der Gruppe. Jeder Teil-
nehmer des Kurses hatte seine eigenen Themen, die er mehr oder weniger mitteilte. L. Vacca war ein Mensch, der sich offenbar nur wenig darum scherte, was andere Leute von ihr denken und so sah sie wohl auch keine Notwendigkeit darin die Schwierigkeiten ihres Lebensweges in der Öffentlichkeit zu verbergen. So kam es z.B. des öfteren vor, dass sie aus nichtigen Anlässen irgendwelche Leute mit überschwänglicher Wortwahl anmaulte. Trotz dessen L. Vacca die Toleranzgrenzen des gesellschaftlichen “Miteinander-Auskommens” beachtlich strapazierte, würde es sich wohl keiner der Kursteilnehmer herausnehmen mit dem Finger auf sie zu deuten, denn eine bösartige Person war L. Vacca sicherlich nicht. Bamberg ist mit rd. 70.000 Einwohnern mehr ein Dorf als eine Stadt. Weil L. Vacca´s Wohnorte (zunächst bei F. Appel, später bei ihren Eltern) tatsächlich jeweils nur einen Katzensprung entfernt lagen, war es nur selbstverständlich, dass ich sie zum Fortbildungskurs im Auto mitnahm. Gelegentlich fuhren wir auch in den Pausen zum Einkaufen, oder andere Erledigungen machen. Im Gegenzug zahlte L. Vacca in den nächsten Pausen den Kaffee. So ergab es sich zwangsläufig, dass ich einen gewissen Einblick in Ihre Lebensumstände bekam.

Einblicke
Es kam z.B. vor, dass ich L. Vacca in den Mittagspausen zu ihrem Bewährungshelfer oder zur Polizei fuhr. In diesem Zusammenhang erzählte sie verrückte Geschichten über ihre Vorstrafen und vom Ärger, den sie mit irgendwelchen Polizeibeamten hatte.

Kodein
Bei einer anderen Gelegenheit sind wir auch mal zu einer Apotheke gefahren, wo L. Vacca von einer Freundin mehrere Liter Kodein entgegen nahm. Ihr lag scheinbar sehr viel daran dieses Kodein zu bekommen, da es ihrer Erklärung zu Folge bereits von einem Freund bezahlt worden sei und somit beim Verkauf der Ware als Profit der vollständige Warenwert herausspringen würde. Damals wusste ich zwar, dass es sich bei Kodein um Heroinersatz handelt, aber durch  die Selbstverständlichkeit, mit der L. Vacca mit dieser Droge umging, kam mir nicht in den Sinn, dass es sich dabei um einen höchst illegalen Vorgang handelte. Heute hingegen ist mir bekannt, es ist sogar schon fraglich, wie es möglich war, dass L. Vacca das Kodein gleich in ganzen Litermengen bekommen konnte. Ich habe mehrmals in polizei-lichen Vernehmungen von diesem Vorfall erzählt, aber die Kripo hat sich trotz eines entsprechenden Zeugenanrufes nicht dafür interessiert. Das Protokoll darüber ist verschwunden.

Ein langjährig Bekannter
Auch ohne erst  irgendwo hin zu fahren gab es mehrere für mich auffällige Ereignisse. So begeg­neten uns z.B. gleich in der Nähe der Unterrichtsräume irgendwelche mir fremde Personen aus L. Vacca´s Umfeld. Ich erinnere mich z.B. an einen Mann, den wir zufällig in einer Unter­richtspause trafen. Er machte auf mich einen sehr positiven Eindruck. Beim Kaffee sprachen er und L. Vacca von alten Zeiten. Allerdings verstand ich kaum worum es ging und als dann beide feuchte Augen bekamen, verwunderte mich diese depressive Stimmung reichlich. Ich erzählte der Kripo von dieser Begegnung, denn schließlich hätte dieser Mann doch vielleicht Angaben zu L. Vacca´s Freundes- kreis machen können. Ich habe damals zwar einige Leute gesehen, jedoch kannte ich keinen einzigen Namen. Aber so wie bei allen meinen Angaben hat die Kripo dazu keinen Finger gerührt.

Freundinnen
Hin und wieder wenn L. Vacca nach dem Unterricht nicht nach Hause wollte, bat sie mich auch mal, sie bei einer ihrer verschiedenen Freundinnen abzusetzen. Keine von ihnen wohnte wesentlich von meiner eigentlichen Fahrtroute entfernt, so dass es zu keiner Gelegenheit mehr als nur einen minimalen Umweg gekostet hätte.

Das Ereignis „Sabine Kilic“
Einen sehr bedeutenden Verlauf nahm die Begegnung mit L. Vacca´s Freundin Sabine Kilic. So wie auch schon unzählige Male zuvor kam ich L. Vacca´s bitte nach, sie bei einer ihrer Freun-
dinnen vorbei zu bringen. Da sie jedoch noch nicht so genau wusste, ob sie denn tatsächlich länger bei S. Kilic bleiben wollte, bat sie mich für einen kurzen Moment mit in S. Kilic´s Wohnung zu kommen. So kam es, dass ich zum ersten und einzigen Mal S. Kilic traf. In der Wohnung hielt sich auch ein ca. bis 30-jähriger Mann auf, den ich später bei der Kripo mehrmals als wichtigsten Zeugen angab. Ich gab sogar genaue Personenbeschreibungen zu Protokoll. Darauf werde ich später noch genauer eingehen. Bereits nach wenigen Augenblicken stellte S. Kilic verschiedene Drogen in flüssiger und kristalliner Form auf den Tisch und fragte, ob sie mich denn einladen dürfe. Ich lehnte jedoch dankend ab, verabschiedete mich und verließ unverzüglich die Wohnung um nach Hause zu fahren. L. Vacca entschied sich zu bleiben.
Gleich am Tag meiner Verhaftung, noch bevor ich von zu Hause abgeführt wurde, erzählte ich der Kripo von diesem Ereignis in Kilic´s Wohnung. Da ich damals den Namen noch nicht kannte, fuhren wir auf dem Weg ins Polizeipräsi­dium einen Abstecher zu eben jener Wohnung.  Wir stiegen jedoch nicht aus, stattdessen einigten sich die Kripobeamten darauf, wer von ihnen denn nun vor Ort bleibe um eine Vernehmung zu machen. In den Akten ist überhaupt nichts zu meinen Angaben über dieses Kilic-Ereignis festgehalten. Bei diesem unbekannten Mann handelte es sich nach heutigen Erkenntnissen um G. S.

Die Beziehungsfrage
Es gab auch einzelne Situationen in denen  mir das chauffieren ungelegen kam. Aber ich wusste schließlich um die Schwierigkeiten, die L. Vacca durch ihren aktuellem Lebenswandel hatte und so begriff ich es als eine kleine Unterstützung, sie auch außerhalb der Unterrichtspause gelegentlich mal von A nach B zu fahren. Gerade in problematischen Lagen, z.B. als L. Vacca aus F. Appel´s Wohnung auszog, wäre mir nie eingefallen ihre Bitte, in der Pause ihre Habe mit abzu­holen, auszuschlagen. Mir nun aus diesen zusammenhängen heraus zu unterstellen ich hätte aus Inter­esse an einer Beziehung zu L. Vacca ihren Exfreund F. Appel erschlagen, ist nicht nur dumm, sondern auch schlichtweg schäbig. In den Akten sind genügend Hinweise zu finden, die eine derartige Vermutung gleich von Anfang an verbieten.
Trotzdem erklärten die beiden Nebenkläger in der Gerichtsverhandlung mit ihren Schlussplädoyers, ich hätte F. Appel als Nebenbuhler aus dem Weg geräumt. Offensichtlich haben sich die Herren nicht mit den Akten befasst.

Die Strafanzeige gegen F. Appel
Obwohl L. Vacca ihre Beziehung zu F. Appel beendet hatte und deshalb aus seiner Wohnung ausgezogen war, erzählte sie mir eines Tages von Misshandlungen die sie durch F. Appel erlitten habe.
Das Gespräch hatte nicht den Charakter von Tratsch und Klatsch. Es handelte sich um eine ernsthafte Überlegung, wie denn am besten mit so einem Vorfall umzugehen ist und vor allem auch, wie es denn nun weiter gehen soll. So gut kannte ich L. Vacca jedoch nicht, um mich in ihre Beziehungsangele-genheiten reinzuhängen. Ich habe die Anzeige nicht empfohlen sondern lediglich vorgeschlagen!  Wer bin ich denn, eine solche Empfehlung auszusprechen?! Nach meinem Dafürhalten war es das Vernünftigste so eine Tat zur Strafan­zeige zu bringen und die Sache behördlicher Entscheidung zu überlassen. Ich hatte den Eindruck,  L. Vacca bedachte meinen Vorschlag mit dem nötigen Ernst, denn es war klar, dass für F. Appel einige Jahre Haft auf dem Spiel standen, zumal er auch noch eine Bewährungsstrafe offen hatte.
Noch am selben Tag, also am 18. August 1995 machte L. Vacca, gedrängt durch ihren Vater, diese Anzeige. An Hand der Akten steht zweifelsfrei fest, dass der Vorschlag, F. Appel anzuzeigen, ausge rechnet von mir kam. Trotzdem behauptet man heute, ich hätte ihn aus Rache erschlagen. Angeblich hätte ich das selbst so aus freien Stücken gestanden.­ Erscheint dieser Gegensatz von vernünftiger Überlegung und der Kurzschlusshandlung eines Totschlags nicht viel zu absurd um so einfach hinnehmbar zu sein?? Zum zweiten Mal wird auch deutlich, dass es keine Tat aus Nebenbuhlerei gewesen sein kann, denn selbst wenn man mir Interesse an einer Beziehung mit L Vacca unterstellen wollte, so wäre ja F. Appel „als Ex“ ohnehin kein Gegner mehr gewesen.

Der mysteriöse Bruder
L. Vacca erzählte ab und zu von einem Bruder, vor dem sie sich in Acht nehmen müsse, da er wohl ständig Geld für Drogen brauche. Sie versteckte sogar ihre Wertsachen vor ihm. Später, in der ersten Vernehmung, erfuhr ich plötzlich von der Kripo, dass dieser Bruder schon einige Jahre zuvor in der Drogensze-ne zu Tode kam. Dieser Umstand war und ist  mir auch heute noch völlig unbegreiflich, da L. Vacca von diesem Bruder nur in der Gegenwartsform sprach. Anscheinend hat sie seinen Tod nicht überwunden.

Die Gründe eines Konflikts
Nachdem L. Vacca die Beziehung zu F. Appel beendet hatte und bei ihm ausgezogen war, erzählte sie mir eher beiläufig, dass sie in Bedrängnis kam, ihre Schulden bei irgendwelchen Freunden nicht mehr bezahlen zu können. Sie erklärte, dass sie gelegentlich mit der Bahn nach Nürnberg fährt um dort von eben jenen Freunden Drogen zu bekommen, die sie dann in Bamberg verkauft. Als sie bei F. Appel auszog, hat sie eine große Menge Drogen in dessen Wohnung zurückgelassen. Diese Freunde verlangten aber ihren finanziellen Anteil aus dem Verkauf oder eben die Rückgabe der Drogen. Was L. Vacca in ihrer Strafanzeige gegen F. Appel als ein Treffen für ein endgültiges Abschlussgespräch zur Beendigung ihrer Beziehung darstellte, war wohl auch der Versuch, die Herausgabe der Drogen, bzw. der Einnahmen zu erlangen. F. Appel´s Reaktion zu diesem Treffen ist aus der Strafanzeige gegen seine Person bekannt. Es ist nur plausibel, dass L. Vacca zu ihrer Anzeige gegenüber der Kripo nicht erklären konnte, dass es bei diesem Treffen eigentlich um Drogen ging. Es ist jedoch bekannt, dass ein endgültiges Abschlussgespräch schon vorher zur Sicherheit in einem Biergarten in Bamberg stattfand. Aus F. Appel´s Sicht bestand für ihn nicht der geringste Anlass, L. Vac-ca´s Forderungen nachzukommen, Drogen oder Geld herauszugeben, L. Vacca hatte nicht die geringste Möglichkeit, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, also entschied sie sich für das einzig Richtige. Sie entzog sich der ganzen Ange-
legenheit, indem sie aus dem Drogengeschäft ausstieg.

Der Ausstieg
Der gesetzestreue Bürger würde einen Ausstieg aus der Drogenszene sicherlich nur dann als absolut vernünftigen Weg bezeichnen, wenn dieser Ausstieg durch saftige Strafanzeigen fundamentiert wäre. L. Vacca konnte sich diesen Schritt jedoch nicht erlauben, wenn sie sich nicht selbst eine langjährige Haftstrafe einhandeln wollte. Denn zum einen war sie selbst bereits wegen BtMG-Verstoßes (Drogen-delikte) vorbestraft und nur zur Bewährung auf freiem Fuß. Zum anderen hing sie selbst schon wieder viel zu tief in der ganzen Sache fest um anderen Tätern eine Alleinschuld zuschreiben zu können.

Matthias


Als Anmerkung nur kleine  Auszüge:
„Auf Grund dieser Angaben …, die insoweit während des gesamten Verfahrens kon-
stant geblieben sind, geht auch die Kammer davon aus, dass eine Liebesbeziehung zwischen ihm und Lucia Vacca nicht bestanden hat und auch tatsächlich von keinem der Beteiligten gewollt war. Während der Beweisaufnahme haben sich keinerlei An-
haltspunkte für die gegenteilige Annahme ergeben. … Auch der Sachverständige Prof. Dr.Rösler hat erklärt, im Rahmen seiner Exploration hätten sich für eine derartige Beziehung keine Hinweise ergeben. Er habe den Angeklagten hiernach als klassischem Tatmotiv mehrfach gefragt.“ (aus dem Urteil des Landgerichts Bamberg vom 26.06.1996, S 25 Abs. 2).

Und:
„Insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des erfahrenen Sachver-
ständigen Prof. Dr. Rösler, Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie an der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik (der) Universitätsklinik Würzburg an, der ihr aus einer Reihe von Fällen mit ähnlicher Problematik bekannt ist.“ (Urteil S. 42).
Dazu:
„Auch wenn die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme ein tragendes Motiv für die Tötung des Frank Appel nicht zutage gefördert haben … kann bereits vom festgestellten objektiven auf den subjektiven Sachverhalt geschlossen werden.“ (Urteil S. 38).

Kein Tatmotiv? Das kriegen wir schon hin! Es ist doch so einfach; wir fragen halt erst gar nicht nach dem richtigen Sachverhalt! Tot ist tot!

Aus dem Pressebericht der Polizeidirektion Bamberg v. 28.08.1995:
„Bei Frank Appel handelt es sich um einen der Kriminalpolizei bekannten Straftäter aus dem Rauschgiftmilieu.“ (S. 2 Abs. 2).

Aus der Funkfahndung Nr. 233 der PD Bamberg vom 27.08.1995 nach Lucia Vacca:
„Verkehrt in RG-Kreisen.“

Der Verteidiger, Herr Schieseck, der Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams und der Vorsitzende Richter K. Dengler haben unabhängig voneinander mich und/oder meine Frau eindringlich gebeten, während meiner Zeugeneinvernahme in der Hauptver-handlung mit Rücksicht auf das Leid der Ange hörigen der Opfer nicht über die uns durch die Polizei bekannt gewordene Zugehörigkeit zur Drogens-zene zu reden.

Rudolf Frey


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