Der dritte Anlauf - WA-Antrag


4.3 Der dritte Anlauf - WA-Antrag
wird nun endlich auch eine Entscheidung in der Sache selbst und damit für Matthias die so lange ersehnte Freiheit bringen. Es ist unglaublich, welch unermessliche Kraft er braucht, als Unschuldiger alles zu überstehen. 
Werden die wahren Mörder weiter geschützt?

Herr Rechtsanwalt Dr. Malte Magold, Nürnberg, Schwerpunkt u.a. Strafverteidigung und Opfervertretung hat das Mandat für das Wiederaufnahmeverfahren übernommen. Er hat mir versichert, anfangs, spätestens Mitte Juli 2015 den Wiederaufnahmeantrag einzureichen. Matthias vertraut ihm. Wir hoffen alle auf den Erfolg!

                                          Recht muss Recht bleiben!

Rudolf Frey


Die Formatierung wird verbessert!

Abschrift
MAGOLD, WALTER & HERMANN
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Inhaltsverzeichnis des Wiederaufnahmeantrages


Kapitel Seite


A) Vorbemerkungen 2


B) Prozessgeschichte 6


C) Wiederaufnahmegründe 8


I. Neue Tatsachen im Kontext der Hauptverhandlung, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 8
2. Sachverhalt laut Urteil vom 26.06.1996 10
a) Vorgeschichte nach Überzeugung der Kammer 10
b) Hergang der Tötung des F. Appel nach Überzeugung der Kammer 12
c) Hergang der Tötung der L. Vacca nach Überzeugung der Kammer 16
3. Maßgebliche Beweiswürdigung im Urteil 19
a) Unverwertbares Formalgeständnis 19
b) Offenkundige Mängel der Beweisaufnahme 20
aa) Polizeiliche und ermittlungsrichterliche Vernehmungen 22
(1) Unzulässiges Verhalten der Ermittlungsbehörden
im Vorfeld der Vernehmungen 24
(α) Wohnungsdurchsuchung bei der Familie Frey 24
(β) Vermeintlicher Anfangsverdacht
aufgrund der Aussage des Zeugen Degen 26
(2) Unzulässige Vernehmungsmethoden 29
(3) Unzulässige Beschuldigtenvernehmung 33
bb) Falschgeständnis passt erkennbar nicht
zu Ermittlungsergebnissen 36
(1) Unstimmigkeiten im Fall F. Appel 38
(α) Todesursache bei F. Appel 38
(β) Todeszeitpunkt des F. Appel 50
(γ) Leichenfundort kann nicht der Tatort
gewesen sein 56
(δ) Ablauf unglaubwürdig 58
(ε) Fehlendes Motiv 63
(2) Unstimmigkeiten im Fall L. Vacca 64
(α) Leichenfundort indiziert anderen Tatablauf 64
(β) Todesursache durch Strangulation
gänzlich unberücksichtigt 67
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 72


II. Rücknahme des anfänglichen Falschgeständnisses, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 74
2. Das anfängliche „Geständnis“ 76
3. Beweggründe des Falschgeständnisses 77
4. Tatsächlicher Geschehensablauf 86
a) Geschehen zum Nachteil des F. Appel 86
b) Geschehen zum Nachteil der L. Vacca 92
5. Der Aufsatz „Die verschwundene Leiche“ 95
6. Erheblichkeit des Falschgeständnisses für die Urteilsfindung 106
7. Bewertung der Vernehmungen und
der Einlassungen in der Hauptverhandlung 108
8. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 109


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III. Weitere neue Tatsachen, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 110
2. Der Fall F. Appel 111
a) Eklatant einseitige und unzureichende Ermittlungen 111
b) Aussage des Zeugen D. Diegel 114
c) Unstimmigkeiten aufgrund von Zeugenaussagen 117
d) Das psychologische Gutachten 120
3. Der Fall L. Vacca 125
a) Wusste die Polizei von L. Vacca´s Tod vor deren Auffinden? 125
b) Spermaspuren wurden nie auf andere
mögliche Verdächtige untersucht 126
c) Ignorierte Hinweise auf eine „Tätermehrheit“ 127
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 132


D) Antrag auf Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs 133



MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p a r t n e r s c h a f t
Dr. Malte Magold
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Florian Walter *
Rechtsanwalt
Jens Hermann~
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
Dr. Sandra
Koch-Schlegtendal °
Rechtsanwältin
Mediatorin (DAA)
Sandra Dotterweich °
Rechtsanwältin
Oedenberger Straße 149
90491 Nürnberg
Gerichtsfach 69
Telefon 0911 37288-0
Telefax 0911 37288-88
www.kanzlei-mwh.de
info@kanzlei-mwh.de
* ausgeschieden zum 01.01.07
° in freier Mitarbeit
Unsere Kanzlei kooperiert mit:
Diplom-Kaufmann
Michael Willmar
Steuerberater
Ostendstr. 196
90482 Nürnberg
Telefon 0911 2388590
~
RAe Dr. Magold, Walter & Hermann × Oedenberger Str. 149 × 90491 Nürnberg

Nürnberg, 26.02.17

UZ: 670/14-1MM / mm
(bitte stets angeben)
Aktenzeichen: Ks 107 Js 11256/95

In der Strafsache gegen Matthias Frey
- Unterfertigter -
wegen Wiederaufnahmeverfahren
zeige ich unter ausdrücklicher Versicherung ordnungsgemäßer anwaltlicher Bevollmäch-tigung sowie unter Vollmachtvorlage an, dass ich die Verteidigung des Antragstellers Matthias Frey wahrnehme und mit nachfolgender Antragstellung beauftragt bin.

Die nachfolgenden Anträge werden dabei zulässig, in Gemäßheit des § 367 Abs. 1 S. 2 StPO, bei dem Landgericht Bamberg als dem vormals befassten Gericht einge-reicht, verbunden mit dem Ersuchen, diese dem für das Wiederaufnahmeverfahren nach § 140a GVG zuständigen Gericht zur Entscheidung zuzuleiten:

Landgericht Bamberg
Wilhelmsplatz 1
96047 Bamberg

- Einwurf durch Rechtsanwalt -

D1/56-17 1/56-17 56-17 6-17 17 7
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Namens und im Auftrage des Antragstellers wird hiermit eine unverzügliche Unter-brechung der weiteren Vollstreckung der Haftstrafe gemäß § 360 Abs. 2 StPO anzu-ordnen beantragt sowie die Wiederaufnahme des durch rechtskräftigen Urteils des
Landgerichtes Bamberg Schwurgericht - vom 26. Juni 1996, Az. Ks 107  Js 11256/95 abgeschlossenen Strafverfahrens.

B E G R Ü N D U N G :

A) Vorbemerkungen
Das Wiederaufnahmegesuch stützt sich auf den Wiederaufnahmegrund des 359 Nr. 5 StPO. Im Laufe des Verfahrens gegen den Antragsteller fanden zahlreiche aktenkundige Tatsachen im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung keinerlei Berücksichtigung, die zu einer vollständig anderen Bewertung des Falles hätten führen müssen. Darüber hinaus wurden dem Gericht auch Tatsachen vorenthalten, die für die Urteilsfindung von entscheidender Bedeutung gewesen wären. Bei umfassender Würdigung all jener Tatsachen, die im Folgenden dargestellt werden, hätte eine Verurteilung des Antragstellers nie erfolgen
dürfen. Nicht zuletzt haben die Ermittlungsbehörden manifeste Hinweise auf andere Tatabläufe und Tatverdächtige außer Acht gelassen und ihre Ermittlungen fast von Beginn an gänzlich auf den Antragsteller beschränkt.

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Im Übrigen wurde durch aktenkundige Suggestionen und Drohungen im Rahmen
der polizeilichen Vernehmungen, und auf das Drängen des Leitenden
OStA und später auch des damaligen Verteidigers des Antragstellers hin, ein
offenkundig falsches Geständnis herbeigeführt, das letzten Endes die Verurteilung
des Antragstellers bewirkte.
Eine Verurteilung wäre ohne das anfängliche Falschgeständnis des Antragstellers
während seiner Beschuldigtenvernehmung - für das es vielfältige Ursachen
gab - schlechterdings unmöglich gewesen. So gab es keinerlei Beweise,
die auf seine Täterschaft hätten schließen lassen.
Erschwerend kommt hinzu: auch das infolge unzulässiger Vernehmungsmethoden
der Ermittlungsbehörden zustande gekommene Geständnis des Antragstellers
war erkennbar mit den Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang zu
bringen. Bei verständiger Würdigung eben jener Ermittlungsergebnisse und
einer objektiven Überprüfung des Geständnisses auf dessen Plausibilität und
Glaubwürdigkeit hätte eine Verurteilung nicht erfolgen können, ja nicht erfolgen
dürfen.
Wie in den folgenden Ausführungen dargestellt werden wird, wurde der Antragsteller
nicht nur aus den mutmaßlichen Täterkreisen explizit bedroht, sondern
sah sich im Rahmen der polizeilichen Vernehmungsmethoden mit Drohungen
und Suggestionen konfrontiert, die ihm vermittelten, für die ermittelnden
und vernehmungsführenden Beamten der Kriminalpolizei bereits als Täter
festzustehen. Der Antragsteller legte vor diesem Hintergrund im Rahmen der

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polizeilichen Vernehmungen ein Falschgeständnis ab. Später gab ihm auch
sein damaliger Verteidiger zu verstehen, nur im Wege der Aufrechterhaltung
dieses Falschgeständnisses einer hohen Gefängnisstrafe entgehen zu können. Nach-dem der Antragsteller sodann im Rahmen der Hauptverhandlung lediglich ein Formalgeständnis ablegte und ohne weitere Einlassungen auf die Protokolle der polizeilichen Vernehmungen verwies, stützte die Kammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Antragstellers letztlich auf das erkennbar falsche anfängliche „Geständ-nis“, ohne dabei die zahlreichen Unstimmigkeiten in den Ermittlungsergebnissen zu berücksichtigen. Das Urteil beruhte demnach maßgeblich auf den Protokollen der Beschuldigtenvernehmung des Antrag-stellers, die – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – nicht nur unvollständig und in sich unschlüssig waren, sondern die in der Zusammenschau mit den übrigen Ermittlungsergeb-nissen die offensichtliche Unrichtigkeit des anfänglichen „Geständnisses“ des Antrag-stellers offenbarten.
Erst in jüngerer Vergangenheit hat der Fall des Landwirts Rudolf Rupp gezeigt, wie auf-grund von Vernehmungsmethoden falsche Geständnisse zur Verurteilung Unschuldiger führen können. Der Fall Rupp wurde zum Lehrbeispiel für die Bedeutung von Befragungs- und Vernehmungsmethoden und ihre mitunter dramatischen Folgen. Im Mai 2005 waren die Witwe des Bauern R. Rupp, ihre zwei Töchter und ein Freund der älteren Tochter vor dem Landgericht Ingolstadt zu Freiheitsstrafen bis zu achteinhalb Jahren verurteilt worden,
nachdem das Gericht aufgrund der Aussagen der Vernehmungsbeamten zu der Überzeu-gung gelangt war, Rupp sei in der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober 2001 von seiner Familie getötet, anschließend zerstückelt und den Hof-

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hunden zum Fraß vorgeworfen worden. Im März 2009 wurde schließlich die
Leiche des R. Rupp in dessen Auto aus der Donau geborgen. Spätestens zu
diesem Zeitpunkt war klar, dass es sich bei den anfänglichen Geständnissen
der Familie, die im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen detailreich und
scheinbar überzeugend abgelegt worden waren, eindeutig um Falschgeständnisse
handeln musste. Dennoch sperrte sich die Justiz lange Zeit gegen ein
Wiederaufnahmeverfahren in der Sache Rupp, weshalb es erst 2011, nachdem
mittlerweile alle Verurteilten nach Verbüßung von über zwei Dritteln ihrer
Freiheitsstrafen aus der Haft entlassen worden waren, zu einem erneuten Verfahren
kam, das mit dem Freispruch für die vermeintlichen Täter endete.
Dieser Fall führt vor Augen, wie enorm beeinflussbar das Aussageverhalten
von Tatverdächtigen infolge bestimmter Vernehmungsmethoden ist und wie
zentral und unerlässlich daher eine umfassende Sachverhaltsaufklärung für
ein gerechtes Urteil ist.
Es folgt nun eine Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufs sowie
die Darlegung der einzelnen Wiederaufnahmegründe. Insbesondere wird
mit Blick auf das falsche Geständnis dargelegt, welche aktenkundigen
Tatsachen, die vom Gericht gänzlich außer Acht gelassen wurden, die
Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit des Geständniswiderrufs des Antragsstellers
untermauern:

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B) Prozessgeschichte
Der Antragsteller wurde durch Urteil des Landgerichts – Schwurgericht – Bamberg, Az. Ks 107 Js 11256/95, vom 26.06.1996 wegen Mordes an Lucia Vacca (nachfolgend: L. Vacca) und Totschlags zum Nachteil von Frank Appel (nachfolgend: F. Appel) zu einer lebens-langen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Die Verurteilung erfolgte nach nur drei Sitzungstagen. (Niederschrift Bl. 910 ff. d. A.) Die Revision des Verurteilten wurde vom BGH mit Beschluss vom 12.11.1996, Az.: 1 StR 647/96, als unbegründet verworfen. Die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde zurückgenommen. Das Urteil ist seit dem 26.11.1996 rechts-kräftig.
Bereits im Ermittlungsverfahren gab es zahlreiche Unstimmigkeiten, die im Folgenden dargestellt und im jeweiligen Kontext erläutert werden. Unter anderem war der Antrag-steller noch bevor es laut Aktenlage einen erkennbaren Anfangsverdacht hätte geben können, von der Polizei vorläufig festgenommen worden und vor seiner Beschuldigten-vernehmung nicht über seine Rechte belehrt worden.
Im Rahmen der in vielfacher Hinsicht unzulässig durchgeführten polizeilichen Verneh-mungen kam es schließlich zu einem Falschgeständnis des Antragstellers, welches er später widerrief. Die Gründe hierfür werden an anderer Stelle

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noch dargetan. Die Rücknahme des Geständnisses durch den Antragsteller erfolgte u.a. in einem Brief an VorsRiLG Dengler (zugeleitet am 05.11.96). Beweis: Schreiben des M. Frey aus der JVA Bayreuth an VorsRiLG Dengler Den Ausführungen des Antragstellers wurde keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Sie fanden insbesondere auch im Revisions-verfahren keine Berücksichtigung. VorsRiLG Dengler forderte stattdessen den Vater des Antragstellers auf, seinem Sohn mitzuteilen, er solle das „Geschreibsel“  lassen.
Beweis: Rudolf Frey, Keilerstr. 8, 91207 Lauf a. d. Pegnitz als Zeuge.

In der Folge beauftragten die Eltern des Antragstellers im August 1998 ein Sicherheits-büro, dessen Arbeiten aufgrund fehlenden Budgets im Juli 2001 eingestellt wurden. Die Feststellungen des Sicherheitsbüros beschränkten sich im Wesentlichen darauf, die Sonderkommission „Frank“ habe bei ihren Ermittlungen sowohl bei der Tatortbefundauf-nahme, als auch bei ihren Vernehmungen oberflächlich und mangelhaft gearbeitet. Das Sicherheitsbüro stellte darüber hinaus fest, es seien zahlreiche Widersprüche in Zeugen-aussagen ungeklärt geblieben und insbesondere sei Hinweisen auf die Beteiligung von Mitgliedern der Motorradgruppen Bat´s und Arrows nicht nachgegangen worden. F. Appel habe sowohl Kontakte zu Mitgliedern beider Gruppen, als auch im Drogenmilieu gepflegt, weshalb es umso mehr erstaune, dass entsprechende Untersuchungen in diesen Kreisen niemals stattgefunden haben, wenngleich die Befragung des einschlägigen Bekannten-kreises der

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beiden Opfer mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentliche Erkenntnisse zum Gang der Er-eignisse geliefert hätte.
Im November 2001 erstatteten die Eltern des Antragstellers aufgrund des Verhaltens
verschiedener Verfahrensbeteiligter mehrere Strafanzeigen, die allerdings ohne Folge blieben.

C) Wiederaufnahmegründe

I. Neue Tatsachen im Kontext der Hauptverhandlung, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund
Hiermit wird der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geltend gemacht.

Die Sachverhaltsdarstellung durch die Kammer, die sich aus der schriftlichen Begründung des Urteils vom 26.06.1996 ergibt, ist mit den objektiven Ermittlungsergebnissen, die dem Gericht im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vorlagen, erkennbar nicht in Einklang zu brin-gen.
In einem Wiederaufnahmeverfahren sind all jene Tatsachen als neue Tatsachen zu bewer-ten, die der Überzeugungsbildung des Gerichts nicht zugrunde gelegt worden sind, auch wenn die Möglichkeit der Berücksichtigung jener

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Tatsachen – etwa aufgrund Aktenkundigkeit - grundsätzlich bestanden hätte. (BVerfG NJW 2007, 207, 208 mwN). Dabei kommt es gerade nicht darauf an, aus welchem Grund das erkennende Gericht keinen Gebrauch von den Tatsachen und Beweismitteln gemacht hat. Insbesondere fehlt einer Tatsache icht deshalb die Neuheit, weil ihr Gegenteil im Urteil festgestellt ist (OLG Frankfurt NJW 1978, 841; aA OLG Karlsruhe NJW 1958, 1247; Ei- senberg JR 2007, 360, 362; Meyer LR23 Rn 43). Gibt der Antragsteller nämlich Einzel-heiten für das behauptete gegenteilige Geschehen an, so trägt er ersichtlich neue Tat-sachen vor, die bei der Urteilsfindung nicht hatten berücksichtigt werden  können.
Aus den Akten der Ermittlungsbehörden ergeben sich sowohl im Zusammenhang mit dem Fall F. Appel, wie auch im Zusammenhang mit dem Fall L. Vacca zahlreiche Beweise da-für, dass die gerichtlichen Annahmen zum Tatablauf mit den  Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang zu bringen sind.
Auf der Grundlage eben jener Ermittlungsergebnisse, die das Gericht im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung unberücksichtigt ließ, wird deutlich, dass sich die Taten - insbe-sondere mit Blick auf die Leichenfundorte, die Verletzungsbilder und die Todesursachen - nicht so abgespielt haben können, wievom Gericht angenommen wurde. Die Berücksich-tigung dieser neuen Tatsachen, die im Folgenden umfangreich dargestellt werden, hätte das anfängliche Falschgeständnis als solches entlarvt. Da die folgenden Tatsachen nicht zur gerichtlichen Überzeugungsbildung beigetragen haben, sind sie als neue Tatsachen
im wiederaufnahmerechtlichen Sinne anzusehen.

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2. Sachverhalt laut Urteil vom 26.06.1996
Dem Urteil des Landgerichts vom 26.06.1996 liegen die folgenden Feststellungen
zugrunde.

a) Vorgeschichte nach Überzeugung der Kammer (vgl. UA, S. 11 – 13)
Aus Gründen der Anschaulichkeit wird hier zunächst auf die von der Kammer dargestellte Vorgeschichte verwiesen. Hierzu findet sich im Urteil die folgende Darstellung (Bl. 983 ff. d. A.):
Nach seiner Rückkehr aus Slowenien lebte der Angeklagte 1995 infolge seiner Arbeits-losigkeit weitgehend zurückgezogen im Elternhaus, machte allenfalls gelegentliche Streifzüge durch die Natur, bis er ab 2. Mai 1995 den vom Arbeitsamt Bamberg vermittel-ten Schulungskurs zum Computerservicetechniker, der im sog. "Ertl-Zentrum" in der Emil-Kemmer-Straße 19 in Hallstadt abgehalten wurde, besuchte. Dort lernte er die ihm bis dahin völlig unbekannte Lucia Vacca, geb. am 7.Januar 1973, kennen. Zwischen beiden
entwickelte sich, da sie im Schulungskurs nebeneinander saßen und in der aus 25 Pers-onen bestehenden Gruppe ansonsten keine weiteren Bezugspersonen hatten, ein engerer Kontakt. Der Angeklagte holte Lucia Vacca mit dem Pkw seines Vaters des Öfteren von ihrer Wohnung in Hallstadt ab und brachte sie nach Kursende wieder zurück. Während dieser Fahrten oder beim gemeinsamen Kaffeetrinken erzählte ihm Lucia Vacca im Laufe der Zeit ihre Lebensumstände, berichtete ihm auch von ihren Drogenproblemen und von

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ihren Zukunftsplänen. Dadurch erfuhr der Angeklagte, daß Lucia Vacca seit ca. 2 1/2 Jah-ren mit dem am 18. August 1969 geborenen Frank Appel befreundet und inzwischen auch verlobt war und mit ihm in der Lichtenfelser Straße 67 in Hallstadt in einer gemeinsamen Wohnung zusammenlebte. Sie erzählte ihm auch, daß es in dieser Beziehung in der Ver-gangenheit immer wieder zu erheblichen Spannungen gekommen sei, da sie von Frank Appel häufiger geschlagenworden sei.
Anfang August 1995 löste Lucia Vacca die Verbindung zu Frank Appel und zog aus der gemeinsamen Wohnung wieder zurück zu ihren Eltern nach Bamberg-Gaustadt, Anna-Lindner-Platz 7. Von dort holte sie der Angeklagte dann nahezu täglich zu den Schu-lungskursen ab. Am 18. August 1995 zeigte Lucia Vacca bei der Polizeiinspektion Bam-berg einen Vorfall vom 15./16. August 1995 an (staatsanwalt-schaftliches Aktenzeichen 104 Js 12192/95).
Nach ihren Angaben habe sie Frank Appel, nachdem sie sich am Abend des 15. August 1995 zu ihm begeben habe, um sich mit ihm auszusprechen, am Verlassen der Wohnung gehindert, habe sie in übler Weise bedroht und mit den Fäusten geschlagen. Dann sei Frank Appel völlig ausgerastet und habe sie an einen Heizkörper gefesselt. Nachdem sie sich habe nackt ausziehen müssen, habe er ihr zwei brennende Zigaretten auf dem rech-ten Unterschenkel und auf der rechten Wange ausgedrückt und sie immer wieder ins Ge-sicht geschlagen, insbesondere auch, um sie zu zwingen, verschiedene Schmuckgegen-stände (Ring, Kettchen) zu verschlucken. Schließlich habe er ihr stark und schmerzhaft ans Geschlechtsteil gegriffen. Erst am 16. August gegen 11.00 Uhr sei es ihr gelungen, sich zu befreien und die Wohnung zu verlassen.

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Seit diesem Vorfall werde sie von Frank Appel ständig verfolgt. dem Angeklagten hatte Lucia Vacca von diesen Vorfällen noch vor ihrer Anzeigenerstattung bei der Polizei be-richtet.

b) Hergang der Tötung des F. Appel nach Überzeugung der Kammer
(vgl. UA, S. 13 19)
Die Tötung des F. Appel erfolgte nach der Auffassung der Kammer, nachdem L. Vacca dem Antragsteller von ihrer Misshandlung durch F. Appel berichtet hatte. Sie habe den Antragsteller gebeten, dem F. Appel „eine Abreibung“ zu verpassen und in diesem Zu-sammenhang darauf hingewiesen, sie wolle sich mit diesem Anliegen weder an ihren Vater noch an ihren Bruder wenden, da sie befürchte, diese würden den F. Appel um-bringen. (Bl. 985 d. A.)
L. Vacca habe sich sodann zum Schein mit F. Appel für den Abend des 20.08.1995 gegen 22:30 Uhr zu einem Treffen auf dem Parkplatz vor dem Schwimmbad Gaustadt verab-redet, wo jedoch nur der Antragsteller habe erscheinen sollen. Der Antragsteller habe den ihm bis dahin völlig unbekannten F. Appel an dem vereinbarten Treffpunkt schließlich ge-gen 22:15 Uhr mit dem PKW abgeholt und vorgegeben, ihn im Auftrag von L. Vacca zu ihr auf die Kirchweih nach Zeegendorf zu bringen. In Wahrheit sei der Antragsteller mit F. Ap-pel in ein Waldstück an den Ortsrand von Teuchatz gefahren und habe ihn dort mit mehre-ren Beilhieben auf Oberkörper und Kopf getötet.

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In den Urteilsausführungen heißt es hierzu auf den Seiten 15 - 17:
Über Litzendorf und Geisfeld fuhr der Angeklagte in das ca. 15 km von Gaustadt entfernte Zeegendorf, das er jedoch ohne anzuhalten passierte und in Richtung Teuchatz weiterfuhr. Nach ca. 3 km bog er am Ortsrand von Teuchatz nach links in einen geteerten Feld-weg ab und parkte seinen Pkw nach weiteren ca. 500 Metern bei einem kleinen Waldstück rückwärts in einen Feldweg ein.
Der Aufforderung des Angeklagten, mit ihm zu Fuß weiterzugehen, da man den Weg mit dem Auto nicht weiter befahren dürfe, kam Frank Appel ohne nachzufragen nach, wie er auch während der Fahrt keine Fragen gestellt hatte, die Unterhaltung zwischen beiden sich vielmehr um belanglose Dinge gedreht hatte. Der Angeklagte nahm aus dem Pkw das Handbeil und die Kabelbinder mit, wobei er das Beil so trug, daß Frank Appel, der selbst – vom Angeklagten unbemerkt - eine Schreckschußpistole und eine Fahrradtaschenlampe
mit sich führte, es nicht sehen konnte. Über eine Wegstrecke von ca. 750 Metern liefen beide am Teuchatzer Sportplatz vorbei bis zu einer Weggabelung am Waldrand, der An-geklagte vorneweg, Frank Appel leicht seitlich versetzt dahinter. Als Frank Appel, der mit einem Angriff des Angeklagten nicht rechnete, am Waldrand nach seiner Taschenlampe suchte, kam er erstmals während des gesamten Weges vor dem Angeklagten zu stehen. Diese Situation nutzte der Angeklagte aus und schlug Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils auf den Hinterkopf. Zumindest nicht ausschließbar wollte der Angeklagte ent-sprechend seiner ursprünglichen Absicht Frank Appel bei diesem ersten Schlag nicht töten,sondern nur kampfunfähig machen, um ihn anschließend mit den Kabelbindern zu fesseln.

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Frank Appel gelang es zunächst wegzulaufen, er wurde jedoch nach ca. 20 Metern vom Angeklagten eingeholt.Seine Äußerung „ich sag Dirs noch einmal im guten“ beantwortete der Angeklagte, der erkannt hatte, dass Frank Appel nach dem ersten Schlag nicht kampf-unfähig war, nun mit einer reihe wuchtig geführter, auf den Oberkörper und den Kopf ge-richteter Beilschläge, wobei er Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils mindestens dreimal am Kopf, mit der Schneide des Beils mindestens zweimal im Gesichtsbereich
und einmal im Brustbereich traf. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte dem Frank Appel diese Serie massiver, unmittelbar aufeinanderfolgender Schläge versetzte, wollte er damit dessen Tod herbeiführen. Die Schläge führte er mit dem in der rechten Hand gehaltenen Beil aus, während er seinen Kontrahenten mit der linken Hand an der Jacke festhielt. Dabei gelang es Frank Appel zwar, dem Angeklagten mit einem eckigen Gegenstand, möglichweise der Taschenlampe oder dem Schreckschussrevolver, in den Bauch zu schlagen, eine wirksame Gegenwehr konnte er, nur 175 cm groß und ca. 62 kg schwer, dadurch gegenüber dem ihm körperlich weit überlegenen Angeklagten jedoch nicht entfalten, was der Angeklagte erkannte. Nachdem Frank Appel infolge der heftigen Beilschläge zu Boden gegangen war und keinerlei Gegenwehr mehr zeigte, holte der
Angeklagte dessen auf den Weg liegende und noch brennende Taschenlampe und stellte,

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als er Frank Appel anleuchtete, fest, dass dieser, nachdem er noch einmal kurz geröchelt hatte, tot war. Infolge der mit der stumpfen Seite des Beiles geführten Schläge entstanden
am Schädel des Getöteten drei ausgedehnte Zertrümmerungen der Schädeldecke im Be-reich der linken Schläfenregion übergreifend auf Scheitelbein und Stirnbein (7 x 6,8 cm), im Übergangsbereich des rechten Schläfenbeins zum Scheitelbein und Stirnbein (5 x 5 cm), sowie in der linken Hinterkopfregion übergreifend auf das linke Schläfenbein (5 x 2,8 cm). Durch mindestens zwei mit der Beilschneide geführte Schläge entstand zum einen am rechten knöchernen Augenbrauenwulst sowie am Oberkiefer eine tiefe schartenartige Knochenverletzung, zum anderen wurde ein Teil des rechten Unterkiefers vollständig ab-gesprengt. Ferner wurden das Brustbein und das linke Schlüsselbein durch einen von in-nen nach außen geführten scharfkantigen Schlag verletzt. Der Tod des Frank Appel trat aufgrund des infolge der schweren Schädelverletzungen auftretenden Blutverlustes ein.
(…)“
Um ein schnelles Entdecken der Leiche zu verhindern, habe der Antragsteller selbige sodann ins dichte Unterholz gezogen, wo sie schließlich am 26.08.1995 gegen 12.00 Uhr aufgefunden worden sei.

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c) Hergang der Tötung der L. Vacca nach Überzeugung der Kammer
(Bl. 991 994 d. A.)
Noch am 21. August 1995 erzählte der Angeklagte der Lucia Vacca, er habe den Frank Appel niedergeschlagen, ein Freund von ihm habe ihn in Hof in einer Hütte eingesperrt und werde ihn freilassen, wenn er von der Polizei gesucht werde. Lucia Vacca, die nach der Tat täglich Kontakt zum Angeklagten hatte, glaubte ihm diese Geschichte. Nachdem der Angeklagte bereits am Donnerstag, 23. August 1995 mit dem Gedanken gespielt hatte, auch Lucia Vacca umzubringen, diesen Gedanken jedoch vorübergehend verworfen hatte, vereinbarte er mit ihr bei einem weiteren Treffen in Gaustadt am 24. August 1995 gegen Mittag, daß er sie am 25. August 1995 früh um 1.00 Uhr am Busparkplatz am alten Krankenhaus abholen werde. Ihm war bekannt, daß sie anläßlich der "Sandkerwa" in Bamberg in der Gaststätte "Mondschein" bis um diese Zeit als Bedienung arbeitete. Er hatte ihr erzählt, er werde Frank Appel werde an diesem Tag freilassen.
Dem Angeklagten war in der Zwischenzeit klargeworden, daß er Lucia Väcca den Tod von Frank Appel nicht länger verschweigen konnte und er für diesen Fall damit rechnen muß-te, daß Lucia Vacca ihn anzeigen würde. Darüberhinaus befürchtete erdie Polizei werde zwangsläufig nach Entdecken der Leiche von Frank Appel über Lucia Vacca auf ihn als Täter kommen. Um dies zu verhindern, faßte er, spätestens als Lucia Vacca tatsächlich

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gegen 1.00 Uhr am vereinbarten Treffpunkt erschien und, da sie deutlich angetrunken war, ohne zu fragen, in seinen Pkw eingestiegen war, den endgültigen Entschluß, sie zu töten, wobei er sich den Tathergang bereits zu diesem Zeitpunkt im wesentlichen so vorstellte, wie er später zur Ausführung kommen sollte. Entsprechend seinem von ihm zurechtge-legten Plan fuhr er mit Lucia Vacca auf der Autobahn in die ca. 15 km von Bamberg ent-fernt liegende Ortschaft Buttenheim, von dort aus in Richtung Unterstürmig, um nach ca. 1 km nach rechts in die befestigte Zufahrtsstraße zur Kiesgrube Roth abzubiegen. Die dorti-gen Örtlichkeiten, an denen er nicht damit rechnen mußte, von anderen gestört zu wer-den, waren dem Angeklagten aus der Zeit seiner Beschäftigung bei der Firma INA im nahegelegenenen Hirschaid bekannt. Ca. 100 Meter nach der Abzweigung von der
Kreisstraße Buttenheim/Un-terstürmig hielt er auf dem gepflasterten Vorplatz einer Feld-scheune an, stieg mit Lucia Vacca aus und sagte zu ihr, sie solle einen Moment warten. Während Lucia Vacca zu der wenige 100 Meter entfernt vorbeiführenden Autobahn schaute und den Verkehr beobachtete, wobei sie dem Angeklagten den Rücken zukehrte, nutzte dies der Angeklagte aus, um von einem neben der Scheune befindlichen Stein-haufen einen unregelmäßig geformten flachen Feldstein mit einem Gewicht von ca. 5,9 kg zu nehmen, sich von hinten unbemerkt Lucia Vacca zu nähern und ihr diesen Stein mit beiden Händen und mit großer Wucht auf den Hinterkopf zu schlagen. Dem Angeklagten war dabei bewußt, daß Lucia Vacca mit einem Angriff von ihm, dem sie vertraute, nicht rechnete und nutzte dies aus, um seine bereits vorgefaßte Tötungsabsicht in die Tat um-zusetzen. Lucia Vacca hatte keine Möglichkeit, den tödlichen Schlag abzuwehren. Auf-grund diesesSchlages fiel sie "wie ein nasser Sack" nach vorne um und war mit hoher

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Wahrscheinlichkeit sofort tot. Anschließend hob der Angeklagte die ca. 50 kg schwere Lucia Vacca, die keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gab, auf, trug sie ca. 50 Meter an einem Ackerrain entlang zu einer sich neben der Feldscheune erstreckenden Hecke und legte sie vor dieser auf dem Acker ab. Danach ging er zur Scheune zurück, holte den dort abgelegten Feldstein und schlug ihn der auf dem Ackerboden liegenden Lucia Vacca mehrfach auf den Kopf, um sicher zu sein, daß sie auch tatsächlich tot war. Als er diese
Sicherheit hatte, zog er die Leiche in die Hecke, um ein alsbaldiges Entdecken zu verhin-dern. Den Stein, mit dem er Lucia Vacca erschlagen hatte,warf der Angeklagte wenige Meter neben der Leiche ins Gebüsch. Nachdem er eine auf dem Scheunenvorplatz liegende, Lucia Vacca gehörende schwarze Kapuzenjacke mittels eines Birkenstockes in den gegenüberliegenden Straßengraben geworfen hatte, fuhr er mit seinem Pkw gegen 2.45 Uhr nach Bischberg zurück. Dabei nahm er die von Lucia Vacca getragene Bauch-gürteltasche, die er ihr zuvor abgeschnallt hatte, mit. Um seine eigene Tatbeteiligung zu vertuschen, fuhr er noch am 25.August 1995 gegen 13.00 Uhr zum Haus der Familie Vacca und fragte dort die Mutter von Lucia Vacca, wo Lucia sei.Die Leiche von Lucia Vacca wurde am 30. August 1995 gegen 3.00 Uhr von Polizeibeamten, die der Antrag-steller zum Tatort geführt hatte, aufgefunden.

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Der Hinterschädel der Toten wies rechtseitig ein etwa handgroßes nach vorne spitz zu-laufendes Loch auf, war im übrigen im hinteren Bereich scherbenartig gebrochen und zerstört. Der Tod von Lucia Vacca war infolge Verblutens aufgrund der schweren Schä-delverletzungen eingetreten.(UA, S.20-22)

3. Maßgebliche Beweiswürdigung im Urteil
Die Kammer stützte ihr Urteil auf die Einlassungen des Antragstellers im
Rahmen der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen, sowie
auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme. Das Gericht sei von der Schuld des
Matthias Frey „aufgrund der eigenen Einlassung des Angeklagten, (…), im übrigen
aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahmeüberzeugt.
(U. S. 23, 24)

a) Unverwertbares Formalgeständnis
Bei der Beurteilung jenes Geständnisses ließ das Gericht jedoch gänzlich außer
Acht, dass der Antragsteller im Verfahren lediglich ein reines Formalgeständnis
abgelegt hatte.
Die Gründung des Urteils auf ein solches Formalgeständnis genügt den Anforderungen
an eine umfassende Sachaufklärung durch das Gericht nicht, da es nicht auf Unstimmig-keiten mit etwaigen Ermittlungsergebnissen überprüft werden kann. Vor diesem Hinter-grund kann ein reines Formalgeständnis nicht als hinreichende Grundlage für eine Verur-

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teilungherangezogen werden. Der Bundestag bestätigte diese Bewertung reiner Formal-geständnisse im Jahr 2009 mit der Begründung, wesentliches Ziel des Strafverfahrens sei die bestmögliche Sachaufklärung. Ein Geständnis müsse daher so konkret sein, dass
eine Überprüfung möglich sei und eine Übereinstimmung mit der Aktenlage sichergestellt
werden könne. (Dt. Bundestag, Drucksache 16/12310 – FD-StrafR 2009, 278160). Diesen Voraussetzungen genügt die Aussage des Antragstellers in der damaligen Hauptverhand-lung erkennbar nicht. ( Bl. 1208, U. S. 26; i.d. Urteilsbegründung S. 29)
Der Antragsteller stellte in seinem späteren Geständniswiderruf klar, er sei im Verfahren von seinem damaligen Verteidiger dazu gedrängt worden, die Taten in der Hauptver-handlung zu gestehen, da nur so eine mögliche Straferleichterung zu erwarten sei. Die Einlassung des Antragstellers in der Hauptverhandlung lautete wie folgt: Wenn es so in der Anklageschrift steht, wird es schon stimmen.“ (U. S. 26) Darüber hinaus äußerte er, sich keines Motivs für die Taten bewusst zu sein. (U. S. 24 f.)

b) Offenkundige Mängel der Beweisaufnahme
Auch bei der Würdigung des vorangegangenen Geständnisses des Antragstellers
aus den polizeilichen Vernehmungen hat das Gericht zahlreiche Unstimmigkeiten
mit den übrigen Ermittlungsergebnissen außer Acht gelassen.

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Zum Ergebnis der Beweisaufnahme führt die Kammer im Urteil das Folgende
aus:
„Die Kammer ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon
überzeugt, dass die beiden Taten weitgehend so geschehen sind, wie
sie vom Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung vom 1. September
1995 beschrieben und in der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter
am 4. September 1995 überwiegend bestätigt worden
sind. Diese Aussagen wiederum sind im Zusammenhang zu sehen mit
dem polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Aussagen vom 29. und
30. August 1995.“ (UA, S. 29)
(…)Eine Zusammenschau des Geständnisses des Angeklagten vom
01.09.1995 und all der objektiv gesicherten Feststellungen und Indizien
lässt keinen Raum für Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten.
Dabei ist die Kammer davon überzeugt, dass das vom Angeklagten
bei der Vernehmung vom 01.09.1995 abgelegte (…) Geständnis
den tatsächlichen Geschehensablauf wiedergibt. Dieses Geständnis
legte der Angeklagte aus freien Stücken ab, ohne dass eine Vernehmung
geplant gewesen wäre (…).“ (UA, S. 36)
Sofern die Kammer auf die polizeilichen Vernehmungen verweist, drängen
sich diverse Fragen auf. Es ist weder nachvollziehbar, wie dem Gericht die
Unzulässigkeit der polizeilichen Vernehmungsmethoden und die zahlreichen
Auslassungen und Unstimmigkeiten in den Vernehmungsprotokollen entgehen
konnten, noch hat sich das Gericht mit den Unstimmigkeiten im anfänglichen
„Geständnis“ auseinandergesetzt.

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aa) Polizeiliche und ermittlungsrichterliche Vernehmungen
Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, hatte der Antragsteller im Rahmen der
polizeilichen Vernehmungen ein Falschgeständnis abgelegt, zu dem er durch
die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden gedrängt worden war.
Ein auf diese Weise gewonnenes Geständnis ist aufgrund seines Mangels an
Glaubwürdigkeit jedoch unbrauchbar und unterliegt bereits einem Beweisverwertungsverbot
im Sinne des § 136a StPO. Dies hätte das Gericht erkennen
und berücksichtigen müssen.
Die Kammer zog zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der anfänglichen Aussage
des Antragstellers im Wesentlichen die Zeugenaussage des vernehmenden
Polizeibeamten KOK Groß heran. Zu seiner Zeugenaussage stellte
das Gericht das Folgende fest:
„Der Zeuge KOK Groß, Leiter der polizeiliche Kommission „Frank“, hat
bei seiner Zeugeneinvernahme das Aussageverhalten des Angeklagten
am 29./30. August 1995 beschrieben. Der Angeklagte sei zunächst
am 29. August 1995 im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen nach
dem Auffinden der Leiche von Frank Appel als Zeuge vernommen
worden, nach verschiedenen Widersprüchen innerhalb seiner Aussage
und zu anderweitigen Ermittlungsergebnissen habe man ihn als
Beschuldigten belehrt und vernommen. Er habe zunächst jegliche
Tatbeteiligung abgestritten, habe dann eingeräumt, an der Tat zum
Nachteil des Frank Appel insoweit beteiligt gewesen zu sein, als er auf
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Wunsch der Lucia Vacca ein Mitglied einer Rockergruppe zusammen
mit Frank Appel nach Teuchatz gefahren habe. Er habe sich stets im
Auto aufgehalten, was diese ihm namentlich nicht bekannte Person
mit Frank Appel außerhalb des Fahrzeugs gemacht habe, wisse er
nicht.“ (…)
„Im Laufe der weiteren Vernehmung habe der Angeklagte dann eingeräumt,
selbst den Frank Appel erschlagen zu haben, allerdings mit einem
von diesem mitgeführten Hammer oder Maurerbeil im Rahmen
eines Kampfes. Schließlich habe er auch gestanden, Lucia Vacca umgebracht
zu haben, er sei mit ihr zum späteren Tatort gefahren, habe
ihr vom Tod des Frank Appel erzählt. Als sie zu toben angefangen habe,
habe er ihr einen Schubser gegeben, sie sei rückwärts hingefallen
und mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen. Da sie sich nicht mehr
gerührt habe, habe er sie zu einer Hecke getragen; dort habe sie jedoch
wieder zu Schnaufen angefangen. Deshalb habe er ihr mit einem
schweren Feldstein mehrfach auf den Kopf geschlagen, bis sie nach
seiner Meinung tot gewesen sei. Dann habe er sie in der Hecke versteckt.“
(UA, S. 30, 31)
Darüber hinaus wies der Zeuge KOK Groß darauf hin, man sei noch in der besagten
Nacht zu der Fundstelle gefahren, an der der Angeklagte die Leiche
der L. Vacca laut eigenen Angaben versteckt habe. Auffällig sei gewesen,
dass der Antragsteller trotz der dunklen Nacht die Leiche auf Anhieb gefunden
habe. (U. S. 31) Eine weitere Vernehmung sei am 01.09.1995 von dem ZeuSeite
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gen KHM Galster durchgeführt worden, nachdem der Antragsteller von sich
aus angegeben habe, seine bisherige Aussage stimme noch nicht und er wolle
nun „die ganze Wahrheit sagen“ (UA, S. 32)

(1) Unzulässiges Verhalten der Ermittlungsbehörden im Vorfeld der
Vernehmung
Bei Durchsicht der aktenkundigen Abläufe des Ermittlungsverfahrens, wird
deutlich, dass sämtliche Untersuchungen nahezu von Anfang an auf den Antragsteller
beschränkt waren und die Polizei zum Zwecke seiner Überführung als Täter zu drastischen Maßnahmen griff, die nicht nur höchst fragwürdig, sondern im vorliegenden Fall auch unzulässig waren:

(α) Wohnungsdurchsuchung bei der Familie Frey (Bl. 1185)
In der Ermittlungsakte finden sich keine Unterlagen über die Haus-/ Wohnungsdurchsuchung, die am 29.08.1995 auf dem Anwesen der Familie Frey
im Ahornweg 1 in Bischberg stattfand. Lediglich im Schlussbericht der Kriminalpolizei
findet sich der Hinweis, das „Wohnhaus Frey“ sei „angegangen“ worden.
Auch eine Anordnung zur Wohnungsdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft
oder Hinweise auf die Anrufung eines Richters lassen sich der Ermittlungsakte
nicht entnehmen, da entsprechende Maßnahmen nicht ergriffen worden waren. Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als die Durchsuchung
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an einem Dienstag zur Mittagszeit stattfand, weshalb eine richterliche Anordnung
problemlos zur allgemeinen Dienstzeit hätte eingeholt werden können.
Der Ablauf der Durchsuchung wurde von den Eheleuten Frey als ausgesprochen
einschüchternd und bedrohlich beschrieben. Die Durchsuchung wurde
von 10 -12 Polizeibeamten in Zivil durchgeführt, die sich trotz mehrfacher Aufforderung
der Mutter des Antragstellers weigerten, sich auszuweisen oder
sich zum Anlass der Durchsuchung zu äußern.
Die Beschwerde des Vaters des Antragstellers wurde am folgenden Tage dahingehend
beschieden, die Polizei habe wegen „Gefahr im Verzug“ auch ohne
richterliche Anordnung handeln dürfen.
Es liegt vor diesem Hintergrund mehr als nahe, anzunehmen, dass aus Sicht
der Polizei der Antragsteller bereits zum damaligen Zeitpunkt tatverdächtig
war. Der Ermittlungsakte sind allerdings keine Erkenntnisse zu entnehmen,
die einen solchen Verdacht zum damaligen Zeitpunkt der Ermittlungen hätten
rechtfertigen können. Der spätere Hauptbelastungszeuge Diegel meldete sich
nämlich bemerkenswerterweise erst bei der Polizei, als sich der Antragsteller
bereits in Untersuchungshaft befand. Es drängt sich deshalb die Vermutung
auf, dass die Polizei Informationen zu möglichen Verdächtigen bereits vor der
offiziellen Befragung von Zeugen von einem Informanden erhalten hat, der
nicht als Informationsquelle offengelegt werden sollte. Die Soko „Frank“ bestand
überwiegend aus Beamten des Drogendezernats, was den Schluss auf
eine Informationsquelle aus der Drogenszene als zumindest naheliegend erscheinen
lässt. Dies insbesondere deshalb, da beide Opfer aktenkundig im
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Drogenmilieu verkehrten. Bei der Beantragung eines richterlichen Durchsuchungs-beschlusses, hätte die Polizei für die Begründung des Tatverdachts freilich ihre Informationsquelle offenlegen müssen, was vorliegend möglicherweise
unerwünscht gewesen sein könnte.
Am 30.08.1995 um 11:15 Uhr gab die KPI Bamberg die Meldung heraus, der
Antragsteller sei als Tatverdächtiger festgenommen worden. (Bl. 17 d. A.)

(β) Vermeintlicher Anfangsverdacht aufgrund der Aussage des Zeugen D.
Im Rahmen der anfänglichen Ermittlungen im Fall F. Appel wurde am
27.08.1995 um 14:50 Uhr der Zeuge D., Nachbar des F. Appel, befragt.
(Bl. 72 ff. d. A.) Der Zeuge D. gab an, in der Nacht 17./ 18.08.1995 (Donnerstag
auf Freitag) einen lautstarken Streit in der Wohnung des F. Appel gehört
zu haben. Am nächsten Tag sei die Freundin des F. Appel ausgezogen.
(Bl. 73 d. A.) Wiederum ein oder zwei Tage später habe er F. Appel noch einmal
im Treppenhaus gesehen. Schließlich habe er etwa zwei Tage nach dem
Streit gegen Mitternacht einen fremden Mann dabei beobachtet, wie dieser die
Wohnung des F. Appel verlassen und mit einem Schlüssel abgeschlossen habe.
Der Mann sei mit einem goldfarbenen Audi 100 davongefahren.
Die Beschreibung des fremden Besuchers durch den Zeugen D. (ca. 1,70
bis 1,75 cm groß, kräftiger Oberkörper, dunkle kurze Haare, geschätztes Alter
Mitte 20, blaue Jeanshose) lässt unter Berücksichtigung der sehr markanten
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Erscheinung des Matthias Frey keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Unbekannte
nächtliche Besucher der Antragsteller gewesen sein muss. Inwieweit
ein möglicher Anfangsverdacht auf die Aussage des Zeugen D. hätte
gestützt werden können, ist insoweit nicht nachvollziehbar. Insbesondere erfolgte
weder eine Lichtbildvorlage, noch eine Gegenüberstellung.
Auffällig ist darüber hinaus die erhebliche Diskrepanz zwischen der Darstellung
des Zeugen D. und der erkennbar zutreffenden Personenbeschreibung durch den
Zeugen C. (Bl. 149). Der Zeuge C. war als ehemals enger Freund des Bruders der L. Vacca, M., und als Exfreund der L. Vacca vernommen worden. Er war am 25.08.1995 gegen Mittag zu Besuch ei der Familie Vacca und beobachtete, wie der Antragsteller vorbeikam und sich nach L. Vacca erkundigte. Die Beschreibung des Zeugen C.ist im
Gegensatz zu der des Zeugen D. sehr präzise und trifft auf das damalige Erschei-nungsbild des Antragstellers unzweifelhaft zu (Bl. 149 d. A.: ca. 30
Jahre alt, ca. 1,85 cm groß, schlanke Figur, kurze schwarze Haare mit natürlichen
grauen Auswüchsen und einem kleinen Schnurrbart, der ebenfalls schwarz mit grauen Barthaaren war). Der Zeuge C. beschrieb den PKW des Antragstellers als älteren silberfarbenen Audi 80.Aus der Aussage des Zeugen D. ergeben sich Unstimmigkeiten mit Ermittlungsergebnissen, denen jedoch nicht nachgegangen wurde. Die Beschreibung
von Erscheinungsbild und PKW des nächtlichen Besuchers stimmen nicht mit
dem damaligen Erscheinungsbild des Antragstellers und auch nicht mit dessen
PKW überein. Besonders alarmierend ist in diesem Zusammenhang die Tatsa-
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che, dass der Zeuge D. den Antragsteller in der Hauptverhandlung überhaupt
nicht wiedererkannte.
Darüber hinaus gab der Zeuge D. an, beobachtet zu haben, wie der unbekannte
Besucher die Wohnung des F. Appel abgeschlossen habe. Bei der Erstbesichtigung
der Wohnung nach dem Leichenfund wurde jedoch vermerkt, dass die Tür zur Wohnung nicht abgeschlossen gewesen sei. (Bl. 56 d. A.)
Auch in zeitlicher Hinsicht ergeben sich bei der Zeugenaussage Unstimmigkeiten.
Der Auszug von L. Vacca erfolgte belegtermaßen am 16.08.95. (Strafanzeige
der L. Vacca)
Die vom Zeugen Degen geschilderte Auseinandersetzung muss demnach in
der Nacht vom 15./16.08.95 stattgefunden haben. Die Nacht, in der der Zeuge
D. den fremden Besucher beobachtete, müsste demnach folgerichtig die Nacht vom 18./19.08.95 gewesen sein.
Auf Betreiben des OStA Müller-Dahms schrieb Dr. Honus im vorläufigen Obduktionsbericht
(Bl. 34 d. A.), F. Appel sei zuletzt am 23.08.95 lebend gesehen worden. Herr Dr. Honus hatte zunächst den 20.08.95 vermerkt. Dieses Datum wurde anschließend handschriftlich in den 23.08. geändert. Mit dieser Feststellung zum Todeszeitpunkt ist jedoch die Beobachtung des Zeugen D. mit Blick auf einen möglichen Täter ersichtlich nicht in Einklang zu bringen.
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(2) Unzulässige Vernehmungsmethoden
Aus den Protokollen der polizeilichen Vernehmungen lassen sich zahlreiche
Belege für unzulässige Vernehmungsmethoden entnehmen, die von der
Kammer gänzlich außer Acht gelassen wurden. Unabhängig davon, dass besagte
Vernehmungsmethoden ursächlich für das Falschgeständnis des Antragstellers
waren, unterliegen die aufgrund der Vernehmungen getätigten
Äußerungen des Antragstellers einem Verwertungsverbot nach § 136 a Abs. 2
StGB. Dies lässt sich anhand der folgenden Beispiele verdeutlichen:
· Auf die anfängliche Weigerung des Antragstellers, die Tat zu gestehen,
  erklärt KOK Groß:
   …dann soll´n sie dich die ganze Nacht noch drücken. Du bist soweit,
   daß des alles sagen könntest. Aber irgendwie etwas blockiert dich
   noch.“ (Bl. 401 d. A.)
· Nachweislich wahrheitswidrig behauptet KOK Groß:
  „Sagen sie mir, wo sie sich getroffen haben? Wir haben Zeugen, dass
  sie gesehen wurden. Also tun sie nicht rum.“ (Bl. 359 d. A.)
· Es folgt eine unverhohlene Drohung durch KOK Groß:
  „Wir können es auch so machen, dass wir weiter machen. Wir sperren
  Dich ein. Du bist unter Tatverdacht. Da finden wir jederzeit einen Richter
  der Dich einsperrt. Ist gar kein Problem.“ (Bl. 370 d. A.)
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· Dann wird im Drängen nach dem Geständnis von KOK Groß wahrheitswidrig
behauptet, der Staatsanwalt könne die Strafe bestimmen und zudem suggeriert,
er sei durch die Beamten beeinflussbar:
„Und der Staatsanwalt, der wird stündlich unterrichtet (…) und der hat
die Möglichkeit ein Strafmaß zu setzen und zu sagen so und so.“(Bl. 372 d. A.)
· Als der Antragsteller dann mehrere Personen als tatverstrickt benennt
und konkret beschreibt, wird ihm wahrheitswidrig gesagt, der Polizei
liege bereits eine andere Tatschilderung vor. KOK Groß wörtlich: „Ja,
hört sich abenteuerlich an, weil wir eine ganz andere Variante habe.
Wir haben eine ganz andere Variante“ (Bl. 381 d. A.) Als der Antragsteller
nachfragt welche, wird ihm fälschlich die vermeintlich völlige
Aussichtslosigkeit seiner Situation suggeriert. KOK Groß, wiederum
wörtlich: „Wir haben eine andere Variante und das hört sich abenteuerlich
an, muss ich Dir sagen. Und Du kommst aus der Sache nicht
raus so“ (Bl. 381 d. A.)
· Diese suggerierte Ausweglosigkeit und die krasse Vorfestlegung auf
den Antragsteller als den (alleinigen) Täter und die völlige Unempfänglichkeit
für andere Darlegungen manifestiert sich schließlich im Satz von KOK Groß
Sag bitte wie`s war, das ist in 5 Minuten gsagt, da haben
wir vorhin schon drüber gesprochen. Lenk`s net auf andere.
Sag`s wie`s war und dann machen wir das Beste draus“ (Bl. 382 d. A.)
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· Dann wird dem Antragsteller sehr deutlich suggeriert, seine Verurteilung
selbst sei nur noch eine Formsache, es gehe nur mehr um die Frage, ob er
lebenslänglich in Haft müsse. KOK Groß wiederum wörtlich:
„Red, red um Dei Leben. Ich will net sagen red um Dei lebenslänglich.“
(Bl. 397 d. A.).
· Schließlich fordert KOK Groß ein falsches Geständnis mit den Worten:
„Nichts drum rum und nicht was du geseh´n hast!
· Nach Aktenlage gibt es zahlreiche Hinweise auf die Beteiligung von
zumindest einem Mitglied der Rockergruppe „B.“. (dazu an anderer
Stelle mehr) Trotzdem forderte KOK Groß von M. Frey eine Aussage,
in der Mitglieder der Rockergruppe nicht mehr vorkommen. Daraufhin
fordert KK Dippolt von M. Frey:
„Erzähl, erzähl wie´s war und versuch net jetzt wieder irgend jemanden
da mit reinzuziehen. Erzähl jetzt deine Geschichte, so wie sie war.
Aber wirklich und wahr jetzt und versuch bitte net wieder eine dritte
Person mit reinzuziehen.“ (Bl. 400 d.A.)
· Zuvor gesteht KOK Groß sogar doch die Beteiligung einer weiteren
Person zu und bestätigt somit Vorweginformationen gehabt zu haben:
„Wir wissen viel mehr. Wir wissen viel mehr schon. Und das stimmt
nicht. Das stimmt nicht, es war schon noch einer dabei, aber net so,
wie du es erzählt hast. Ganz anders.“ (Bl. 382 d.A.)
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· Schließlich war es M. Frey völlig verboten, von anderen mutmaßlichen
Tätern zu sprechen:
KOK Groß: „Jetzt sind wir im Bereich vom Tatort. Wir kommen hin und
da fehlt was anderes, Phantasiepersonen sind da.“ (Bl. 401 d.A.)
Dippold: Lass mal die weg.“ (Bl. 401 d.A.)
Die vorangegangenen Beispiele belegen, dass sich die vernehmenden Polizei-
Beamten vielfältiger unzulässiger Vernehmungsmethoden bedienten.
Auch in zeitlicher Hinsicht stellte die nächtliche Vernehmungssituation psychisch
wie physisch eine massive Belastungssituation für den Antragsteller
dar und hätte in dieser Form nicht erfolgen dürfen, da die Freiheit der Willensbetätigung
des Beschuldigten infolge von Müdigkeit beeinträchtigt ist. Hierfür
ist es auch unerheblich, ob der Beschuldigte selbst seine ermüdungsbedingte
Vernehmungsunfähigkeit zum Ausdruck brachte, da eine nächtliche Vernehmung
über viele Stunden bis in die Morgenstunden erkennbar dem Schutzzweck
des § 136a Abs. 1 StPO zuwider läuft. Der Gemütszustand des Antragstellers,
der sich im Zuge der nächtlichen Vernehmung einstellte, geht aus der
folgenden Schilderung, die er zu Beginn seiner Haft verfasste, deutlich hervor
und bestätigt die Annahme seiner ermüdungsbedingten Vernehmungsunfähigkeit:
„Ich habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich abgestorben.
(…) Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
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ich zum Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
einfach hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen und gestanden.“
Der bewusst wahrheitswidrige Hinweis des KOK Groß, es gebe Zeugen, die
das Treffen beobachtet hätten, stellt überdies eine Täuschung und somit
ebenfalls eine verbotene Vernehmungsmethode im Sinne des § 136a Abs. 1
StPO dar. Das Geständnis erfolgte offenkundig auf der Grundlage zahlreicher
Suggestionen, Drohungen und Täuschungen. Im Übrigen wird aufgrund der
Aktenlage deutlich, dass es dem Antragsteller nahezu unmöglich gemacht
wurde, unbeeinflusst eine Schilderung seiner Wahrnehmungen abzugeben.
Jeder Hinweis des Antragstellers auf eine Gruppe unbekannter Männer wurde
als Fantasterei abgetan und zurückgewiesen.
Das Geständnis hätte vom Gericht daher keinesfalls der Beweiswürdigung zugrunde
gelegt werden dürfen.

(3) Unzulässige Beschuldigtenvernehmung
Im Zusammenhang mit der polizeilichen Vernehmung ist noch ein weiterer Aspekt
zu beanstanden. Wie bereits erläutert wurde, hatten die Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der ersten Vernehmung laut Akteninhalt noch keinen
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Tatverdacht gegen den Antragsteller. Laut Vernehmungsprotokoll wurde der
Antragsteller von Dienstag, (29.08.1995) 23:40 Uhr bis Mittwoch (30.08.1995)
02:26 Uhr von den Polizeibeamten KOK Groß und KK Dippold als Beschuldigter
vernommen. Die Vernehmung ist im Protokoll unter der Überschrift „Fortsetzung
BV Matthias Frey“ abgedruckt. Allerdings befindet sich in den Akten keinerlei Hin-
weis auf eine dieser „Fortsetzung“ vorangegangene Beschuldigtenvernehmung.
SOKO-Leiter KHK Wagner bestätigt die Vernehmungszeit
von ca. 15:30 Uhr bis 23:30 Uhr (Vermerk vom 29.08.1995). Dem Gericht wurde
 bei seiner Urteilsfindung somit der erste Teil der Beschuldigtenvernehmung
schlichtweg vorenthalten. Dies hätte jedoch bei Durchsicht der Akten auffallen müssen.
Bezüglich des Vernehmungsprotokolls sei noch auf einen weiteren sehr bemerkenswer-ten Aspekt hingewiesen:
Dem Vernehmungsprotokoll zufolge drängt sich der Eindruck auf, der Antragsteller
spreche mit starkem Dialekt. Zur Verdeutlichung folgt ein Ausschnitt aus dem Protokoll
(Bl. 360 d. A.):
B: Moment amol, moment amol...
Es wor in Gaustadt auf jeden Fall.
Sie hat gsagt entweder do in dem Park, weil do is ja der
Parkplatz nä, gegenüber do vo dem ....
Di: Welcher Park?
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B: Ja, vo der Kirche do is doch Grünanlage..
Di: Ja...
B: hat sie gsagt entweder do und dann hot sie gemahnt, aber mit ihrm
Vater und so,..
Di: Ist zu nah am Haus?
B: Wie war des?...
- Pause
Am Schwimmbad hat sie sich mit ihm verabredet
Di: Schwimmbad.
B: Ja.
Gr: Das war eigentlich günstig zum "Abpassen".
B: Im Gaustadter Schwimmbad...
Gr: Das war eigentlich günstig, daß man ihn "abpassen" kann...
B: Mann....Leut...
Di: Wann wollte sie sich mit ihm treffen?
B: Des am Sonntag, irgendwann...
Di: Das hat sie doch sicherlich gesagt, um wieviel Uhr?
B: Wieviel Uhr, des dürft ihr mich jetzt net frong.
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Diese Art der Darstellung im Vernehmungsprotokoll ist jedoch nicht nachvollziehbar
und lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Protokolls aufkommen,
da der Antragsteller nachweislich dialektfreies Hochdeutsch spricht.

bb) Falschgeständnis passt erkennbar nicht zu Ermittlungsergebnissen
Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen, hätte das anfängliche
Falschgeständnis vom Gericht nicht verwertet werden dürfen.
Unabhängig davon hätte die Kammer im Zuge einer umfassenden Beweiswürdigung
eine Prüfung des Geständnisses auf Glaubwürdigkeit und Plausibilität
vornehmen müssen. Das anfängliche Falschgeständnis des Antragstellers
passt in vielerlei Hinsicht nicht zu den Ermittlungsergebnissen. Es deckt sich
darüber hinaus nicht einmal mit den Feststellungen im Urteil.
Soweit im Urteil angegeben wird,
eine Zusammenschau des Geständnisses des Angeklagten vom01.09.1995 und all der objektiv gesicherten Feststellungen (…)
lasse keinen Raum für Zweifel an der Täterschaft und dem tatsächlichen Geschehens-ablauf entsprechend dem Geständnis vom 01.09.1995, so ist dies nicht nur mit Blick auf die mangelnde Verwertbarkeit des Geständnisses unzulässig, sondern auch unter Berücksichtigung der aktenkundigen Ermittlungs
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ergebnisse schlicht unzutreffend. Wie es zu dem Falschgeständnis kam, wird
in dem entsprechenden Abschnitt zum Widerruf des Falschgeständnisses
noch näher erläutert. An dieser Stelle sei nur kurz vorgegriffen: Der Antragsteller
erhielt erst Jahre nach seiner Verurteilung Einblick in die Ermittlungsakten
und wurde so auch auf die Leichenbilder aufmerksam. Bei dieser Gelegenheit
fiel ihm auf, dass die Leiche des F. Appel offenkundig nicht der Leiche entsprach,
die er entsprechend seiner mehrmaligen Schilderung nach dem Zusammentreffen
mit einer Gruppe Unbekannter Männer in Teuchatz gesehen hatte. Da der Antragsteller F. Appel nicht kannte und nie zuvor gesehen hatte, ist es durchaus nachvollziehbar, dass es sich bei seinem Beifahrer auf dem
Weg nach Teuchatz um einen anderen Mann gehandelt haben könnte, der
sich lediglich als „Frank“ ausgab. Wenn an dem Abend des 21.08.1995 also
ein anderer Mann von den Unbekannten umgebracht wurde und dessen Leiche
später fortgeschafft worden ist, wird auch deutlich und plausibel, warum
der vermeintliche Todeszeitpunkt des F. Appel mit den Ermittlungsergebnissen
in vielerlei Hinsicht nicht übereinstimmt:
Bei dem Beifahrer handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um F.
Appel und die Leiche, die der Antragsteller gesehen hatte, wäre somit die eines
Unbekannten gewesen (hierzu erfolgen bei den Ausführungen zum Geständniswiderruf
nähere Ausführungen)
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(1) Unstimmigkeiten im Fall F. Appel

(α) Todesursache bei F. Appel
Zur Todesursache wird im Urteil folgendes ausgeführt:
Die Feststellungen zu den Verletzungen der beiden Getöteten und
zur Ursächlichkeit dieser Verletzungen für ihren Tod beruhen auf dem
vom Sachverständigen Dr. Honus bekundeten, bei den Obduktionen
am 28. und 31.08.1995 gewonnenen Erkenntnissen. Zweifel an der
Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen nicht.“ (UA, S. 39)
„Aus mehreren scharfkantigen Knöchelverletzungen im vorderen Gesichtsbereich
lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen
entnehmen, dass hier mindestens zwei, möglicherweise jedoch auch
drei wuchtige Schläge mit der scharfen Beilseite geführt worden sind,
darüber hinaus ein weiterer scharfkantiger Schlag im linken Schulterund
Brustbereich.“ (UA, S. 40)
Das angeklagte Tatgeschehen stimmt offenkundig nicht mit dem Obduktionsergebnis
überein. In seinem vorläufigen Obduktionsbericht vom 27.08.1995
stellte Dr. Honus neben zahlreichen Schädelbrüchen einen Bruststich in Höhe
des linken Schlüsselbeins fest, der offenkundig von einem Messerstich herrührte.
Im Anschluss an das vorläufige Gutachten des Dr. Honus erging
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„der mündliche Auftrag des anwesenden Leitenden Oberstaatsanwalts,
dass nach Abschluß der erforderlichen Untersuchungen ein abschließendes
schriftliches Gutachten zu erstatten ist, wobei darum gebeten
wird, die Ergebnisse der Untersuchungen unaufgefordert den Ermittlungsbehörden
und dem Landgerichtsarzt schriftlich mitzuteilen." (Protokoll
vom 28.08.1995, BI. 035 Ziff. V.).
Matthias Frey legte am 29./30.08.1995 das mit dem Obduktionsergebnis in Widerspruch
stehende „Geständnis" ab. Das in Auftrag gegebene „abschließende
schriftliche Gutachten befindet sich allerdings nicht in den Akten. Entweder
wurde es also nie erstellt, der Auftrag dafür zurückgenommen oder es wurde
dem Verteidiger und dem Gericht vorenthalten. Beide Varianten würden ein eklatantes
Fehlverhalten der Ermittlungsbehörden beinhalten, mit dem eine gerichtliche
Auseinandersetzung gänzlich ausblieb.
Die Kriminalpolizei suchte jedenfalls in der Konsequenz des vorläufigen Gutachtens
des Dr. Honus bei einer späteren erneuten Durchsuchung im Anwesen
der Familie Frey nach einem zum Verletzungsbild bei F. Appel passenden
Messer. Das Gericht setzte sich mit der Stichverletzung in der Hauptverhandlung
jedoch erkennbar nicht auseinander. Anderenfalls hätte die Frage nach der
Ursache der Stichverletzung aufgeworfen werden müssen.
Zu der Verletzung im Brustbereich heißt es im Urteil lediglich:
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„ ... Ferner wurden das Brustbein und das linke Schlüsselbein durch
einen von innen nach außen geführten scharfkantigen Schlag verletzt.
Der Tod des Frank Appel trat aufgrund des infolge der schweren
Schädelverletzungen auftretenden Blutverlustes ein." (U. S. 17)
Dies wirkt fast so, als sei die Problematik des Messerstiches bewusst vernachlässigen
worden, um die Plausibilität des Falschgeständnisses nicht in Frage
stellen zu müssen. Der Antragsteller erinnert sich zudem, von dem damaligen
OStA Müller-Dahms vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung aufgefordert
worden zu sein, sich nicht zur Verwendung eines Messers zu äußern.
Dem vorläufigen Obduktionsbericht waren freilich aktenkundig die folgenden
Erkenntnisse zu entnehmen:
· Die linke erste Rippe am Brustbein scharf schräg von außen unten
nach oben innen hinten durchtrennt. Am inneren vorderen Ende des
linken Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt von innen vorn nach
außen hinten." (BI. 032 Nr. 38).
· ... augenscheinlich scharfe Abtrennung der linken ersten Rippe
vom Brustbein sowie Anschnitt des linken Schlüsselbeins...“ (BI. 034
II Abs. 2).
„Die Verletzungen im Schädelbereich sind augenscheinlich Folge
einer mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung auf denselben, diejenigen
im Brustbereich solche einer scharfen Gewalteinwirkung...„
(BI. 035 Nr. III).
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Auf dieser Grundlage finden sich in der Ermittlungsakte die folgenden Feststellungen
von Polizei und Staatsanwaltschaft:
· Nach dem vorliegenden Obduktionsbefund ist Frank Appel durch
Stichverletzungen und stumpfe Gewalteinwirkung auf den Kopf
gestorben." (BI. 621, StA).
· Die Obduktion der Leiche durch die Gerichtsmedizin Würzburg
ergab, daß Appel eine Stichverletzung im linken Brustbereich sowie
schwerste Schädelverletzungen hatte." (BI. 617, Kripo).
„ Die Obduktion ergab eine Stichverletzung im linken Brustbereich
sowie schwerste Schädelverletzungen." (Anhang BI. 191, EKHK
Steinheimer)
„... Aufgrund des Sektionsergebnis wurde Frank Appel ein Messerstich
in den Bereich unterhalb des linken Schlüsselbeines versetzt."
(Anhang BI. 184, KHK Wagner)
· In der Anklageschrift ist später als medizinischer Untersuchungsbefund
u.a. angegeben: „Zudem war die linke erste Rippe schräg
vom Brustbein abgetrennt und fand sich am inneren vorderen Ende
des linken Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt, der für das Auftreffen
einer Schneide sprach." (S. 27)
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Daraus wird im Urteil:
„Ferner wurden das Brustbein und das linke Schlüsselbein durch
einen von innen nach außen geführten scharfkantigen Schlag
verletzt." (U. S. 17).
Zu den Verletzungen führt das Gericht noch einmal aus: „... darüber hinaus ein
weiterer scharfkantiger Schlag im linken Schulter- und Brustbereich." (U. S. 40).
Von der Einwirkung scharfer Gewalteinwirkung ist nicht die Rede, der Bruststich
als eine der Todesursachen wird gänzlich vernachlässigt. Der Bruststich
wird vielmehr ernstlich mit einem einzigen von innen nach außen geführten
Beilschlag (!) begründet.
Aus rechtsmedizinischer Sicht ist die halbscharfe und die stumpfe Gewalt von
der scharfen Gewalt abzugrenzen. Bei letzterer wird immer ein Tatwerkzeug
eingesetzt, das in irgendeiner Form durch scharfe oder spitze Außenkonturen
in der Lage ist, auf mechanische Weise Stoff, Haut, Knochen und andere Arten
von Geweben und Materialien zu durchdringen oder einzuschneiden.
Eine Stichwunde zeichnet sich also dadurch aus, dass der Wundkanal länger/
tiefer ist als die Hautwunde im Durchmesser.
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Das als Tatwerkzeug angenommene (Hand-)Beil der Marke „Sandvik" verfügt
im Übrigen auch nicht über eine Spitze wie etwa ein Kampfbeil. Die Gebrauchswirkung
eines solchen Handbeils zieht zwingend eine Spaltung oder Absprengung nach sich, nicht jedoch einen Stich, wie er in der Brust des F. Appel gefunden wurde.
Die Verletzungen F. Appels im Schulter- und Brustbereich stammen also von
einem schneidenden Tatwerkzeug – allem Anschein nach von einem Messer.
Ausgeschlossen ist deren Verursachung durch das vermeintliche Tatbeil, dessen
Schneide eine Länge von 11,5 cm aufweist.
Gerade auf Bild 3 (Bilder finden sich im Anh. Bl. 83 ff. d. A.) ist die Stichverletzung,
die etwa den Umfang einer kleineren Münze aufweist an der in Frage
kommenden Stelle deutlich sichtbar.
Bei Zugrundelegung des vorläufigen Obduktionsberichts und dem im Urteil
angenommenen Tathergang, müsste F. Appel quasi mit einem Beil erstochen
worden sein, was denklogisch nicht möglich ist.
Im vorläufigen Obduktionsbericht wurde insbesondere deutlich zwischen
scharfer und stumpfer Gewalteinwirkung differenziert:
„Das schwärzliche, vorne und hinten bunt bedruckte T-Shirt oberhalb
und unterhalb der linken Brustwarze mehrfach scharf durchtrennt. Da-

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bei sieht man auch hinten mehrere augenscheinlich scharfe Durchtrennungen."
(BI. 030 Nr. 13).
(…) Die Verletzungen im Schädelbereich sind augenscheinlich Folge
einer mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung auf denselben, diejenigen
im Brustbereich solche einer scharfen Gewalteinwirkung.“ (BI. 35
Abschn. III aaO).
Daraus ergibt sich, dass F. Appel ganz offensichtlich auch mit Messerstichen
im Bereich des Herzens verletzt wurde und zwar von hinten und von vorne. Es
wurde oberhalb und unterhalb der Brustwarze und auch hinten das T-Shirt jeweils
mehrfach scharf durchtrennt. Die Obduzenten stellen fest, dass diese
Durchtrennungen „augenscheinlich" scharf erfolgten, also mit bloßem Auge
und bestimmt erkennbar mit einem scharfen Werkzeug.
Es ist davon auszugehen, dass die Stichverletzungen entsprechend bluteten
und deshalb wegen der weitaus schnelleren Fäulnis des Blutes in diesem Bereich
die Skelettierung besonders schnell eingetreten ist. Diese Skelettierung
machte eine Untersuchung der Leiche auf weitere Stichverletzungen in dem
skelettierten Bereich unmöglich.
In der polizeilichen Vernehmung (Protokoll auf Bl. 417 d. A.) wird deutlich,
dass der Antragsteller keine Kenntnis von den Verletzungen in der Brust
des Opfers gehabt haben kann:
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Vernehmungsauszug:
Di: Hast du dann irgendwie was mit seiner Kleidung gemacht hast ihn
da einfach gezogen, der hat doch auch eine Jacke dabei gehabt,
oder?
B: Ja, die hat's ausgezogen, wenn ich na rückwärts gezog'n hab.
Di: Die Jacke ausgezogen?
B: Ja, ob's jetzt ausgezog'n ich mahn des net, aber halt hochgezo'gn,
hochgeschoben oder was.
Di: Und das T-Shirt?
B: Des T-Shirt nä, des hat er irgendwie, ich hab na des vorher schon
übern Kopf gezog'n.
Gr: Hast ihm schon vorher übern Kopf gezogen?
Di: Wann, als er noch stand oder als er am Boden gelegen hat?
B: Ja, ...
Di: Damit er nichts sieht oder was?
B: Des hat sich halt so ergeb'n. Des hab ich halt irgendwie gepackt
oder was
Di: Im Kampf irgendwie?
B: Oder so, ja.
Di: Hat er das T-Shirt über'n Kopf gezogen gehabt?
B: Hm ..."Anm.: Ja).(BI. 417).
Die Angaben des Antragstellers sind bereits dahingehend offenkundig unglaubwürdig,
als er behauptet, das T-Shirt hätte er dem F. Appel schon über
den Kopf gezogen, als dieser noch seine Jacke angehabt habe. Diesen WiSeite
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derspruch kann er dann nur noch damit erklären, dass er äußert, er hätte ihm
das T-Shirt bereits vor dem Kampf über den Kopf gezogen. Diese Darstellung
ist wiederum objektiv ausgeschlossen, weil das T-Shirt im Bereich des Herzens
vorne und hinten beschädigt und somit im Zeitpunkt des Verletzungseintritts
unzweifelhaft regulär angezogen war.
Auch diese Auszug der Beschuldigenvernehmung und die ihm innewohnende
Darstellung des vermeintlichen Tatgeschehens ist symptomatisch für die gesamte
polizeiliche Vernehmung. Dem Antragsteller wurden Suggestivfragen
gesteilt, Antworten in den Mund gelegt und durch Vernehmungsmethoden
Sachverhalte erfragt, die er offenkundig nicht kannte.
Mit den hierdurch evozierten Widersprüchen zur objektiven Sachbeweislage
hat sich das Gericht dann in der Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt.
Vernehmung zum Messer:
Besonders deutlich geht die insoweitige Inkonsistenz aus dem Protokoll der
Beschuldigtenvernehmung hervor, in deren Verlauf der Antragsteller zur Benutzung
eines Messers befragt wurde (Bl. 418 ff d. A.)..
Der Antragsteller hatte geschildert, in der rechten Hand habe er ein Beil gehabt,
mit der linken Hand habe er Appel an dessen Jacke festgehalten. Dennoch,
wohl aufgrund des klaren Obduktionsergebnisses („Bruststich“), wurde
in der Folge im Anwesen der Familie Frey nach einem möglichen Tatmesser
gesucht, wobei die Eltern des Antragstellers sich kooperativ verhielten und den
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Beamten das Tauchermesser des Sohnes und sein kleineres Taschenmesser
zeigten. Bei beiden Messern winkten die Beamten ab und erklärten, sie suchten
ein anderes Messer mit einer Klinge ganz bestimmter Länge und deuteten jeweils
mit den Zeigefingern beider Hände die gemeinte Länge an. Auch am Tatort
oder sonst wo wurde freilich kein Messer gefunden.
Diese Suchvorgänge sind nicht protokolliert und/oder die Protokolle der Verteidigung
und dem Gericht vorenthalten worden.
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen wurden die Messerstiche dann nicht
mehr weiter erwähnt. Vor der Vernehmung durch den Ermittlungsrichter
sprach der Leitende OStA Müller-Dahms den Antragsteller, nach dessen
glaubhafter Darlegung, dann noch einmal auf die Messerstiche an und forderte
ihn auf, vor dem Ermittlungsrichter nicht mehr von den Messerstichen zu
sprechen. Er selbst werde dann darauf auch nicht mehr zu sprechen kommen.
In der Tat fand sich der Sachverhalt dann in der Anklage nur noch wie folgt:
„Er benutzte dabei sowohl das hintere flache Beilende, wie auch die
Beilschneide. Allein mit der Beilschneide traf er mindestens zweimal
den Kopf, einmal im Bereich der Schädelmitte und einmal im Bereich
des rechtsseitigen Unterkiefers. Ein weiterer Schlag mit der Beilschneide
traf Frank Appel an der linken Seite des Brustbeines und am
linken Schlüsselbein."
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Aus den Messerstichen macht der Leitende Oberstaatsanwalt entgegen einen
(in der Art unmöglichen) Schlag mit der Beilschneide (s. o. Ziff. 19.1 „Stichverletzungen").
Die Zweifel an der Todesursache werden durch ein späteres rechtsmedizinisches
Gutachten bestätigt:
Kurzgutachten aus der Rechtsmedizin der Universität München - Prof. Dr. Eisenmenger
- vom 22.11.2005 zum Todesfall F. Appel:
„Im Sektionsprotokoll werden „scharfe Durchtrennungen" des T-Shirts
beschrieben, die „linke erste Rippe am Brustein scharf schräg von außen
unten nach oben innen hinten durchtrennt. Am inneren vorderen
Ende des linken Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt von innen vorn
nach außen hinten". Im vorläufigen Gutachten wird eine augenscheinlich
scharfe Abtrennung der linken ersten Rippe vom Brustbein sowie
Anschnitt des linken Schlüsselbeins" aufgeführt, wobei die Verletzung
im Brustbereich als Folge „einer scharfen Gewalteinwirkung" von den
Schädelverletzungen im Sinne "einer mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung"
abgegrenzt wird. Nachfolgend wird am von Weichteilen befreien
Schädel eine „von der Verursachung her unabhängig von den drei
beschriebenen Folgen einer stumpfen bis stumpfkantigen Gewalteinwirkung"
beschrieben, und zwar an der rechten Gesichtshälfte, im Bereich
des Augenbrauenwulstes lokalisiert, wobei sich nach fußwärts hin
weitere Korrelate einer scharfen Gewalteinwirkung an Oberkiefer und
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Unterkiefer finden. Es wird die „Einwirkung einer Schneide" diskutiert.
Im gleichen Schriftsatz wird am linken Schlüsselbein „eine durch scharfe
Gewalteinwirkung hervorgerufene spanförmige Abhebung" beschrieben.
Diese Befunde sind tatsächlich nicht ohne weiteres mit dem angenommenen
Tatwerkzeug (800 g Beil Sandvik) zu vereinbaren, vielmehr
sprechen diese Befunde zunächst für ein messerähnliches
Werkzeug."
Insofern sind nach vorläufiger erster Einschätzung in beiden Fällen
durchaus Zweifel angebracht, ob sich das todesursächliche Geschehen
in beiden Fällen tatsächlich auf eine stumpfe Gewalteinwirkung
gegen den Schädel reduzieren lässt. Es ergeben sich Anhaltspunkte
für eine darüber hinausgehende und andere Form der Gewalteinwirkung.
Zu einer weitergehenden Stellungnahme und insbesondere zu einer
rekonstruktiven Aufarbeitung wäre eine umfangreiche Auswertung ...
notwendig.
Prof. Dr. M. Graw, Prof. Dr. W. Eisenmenger"
Beweis: Prof. Eisenmenger, Prof Dr. M. Graf (Stellungnahme)
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(β) Todeszeitpunkt des F. Appel
Auch der im Urteil angenommene Todeszeitpunkt hätte bei entsprechender
Prüfung der Ermittlungsergebnisse nicht angenommen werden dürfen.
Wie bereits erläutert, hatte Herr Dr. Honus im vorläufigen Obduktionsbericht
angegeben, sich bezüglich des Todeszeitpunktes daran orientiert zu haben,
dass F. Appel zuletzt am 20.08.95 gesehen worden war. Diese Angabe wurde
später handschriftlich dahingehend geändert, F. Appel sei zuletzt am 23.08.85
lebend gesehen worden. (Bl. 34 d. A.)
Laut polizeilichen Informationen war F. Appel zuletzt am 20.08.1995 lebend
gesehen worden, weshalb dies auch in der Todesbescheinigung vermerkt
wurde (BI. 008).
Im Schreiben der Kriminalpolizeiinspektion Bamberg vom 28.08.1995 an
die Staatsanwaltschaft Bamberg heißt es:
„Nach Auskunft der Gerichtsmedizin Würzburg, Herr Prof. Schulz,
dürfte der Todeszeitpunkt in der Zeit zwischen dem 20. und
23.08.1995 liegen." (BI. 618).
Die Staatsanwaltschaft ihrerseits stellt am 28.08.1995 fest: „nach dem vorliegenden
Obduktionsbefund ist Frank Appel durch Stichverletzungen und stumpfe
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Gewalteinwirkung auf den Kopf gestorben. Er wurde nach den bisherigen
Ermittlungen zuletzt am Mittwoch dem 23.08.1995, gesehen." (BI. 621).
Dieser Termin ist weder aktenkundig, noch aus dem Akteninhalt erklärbar.
Obwohl die Kriminalpolizei ursprünglich ein anderes Datum mitgeteilt hatte,
schien für die Staatsanwaltschaft der 23.08.1995 als Tattag festzustehen,
weshalb der Leitende Oberstaatsanwalt veranlasste, die entsprechende Angabe
im vorläufigen Obduktionsbericht zu korrigieren. Im „Vorläufigen Gutachten"
vom 28.08.1995 ist zum Todestag ausgeführt:
„Nachdem er am 20. August 1995 zuletzt lebend gesehen worden sei, wurde
... (BI. 034 Ziff. I).
Und: „Die Leichenerscheinungen sind auch mit einer Liegezeit einer Reihe von
Tagen in Einklang zu bringen, wobei aufgrund der Unterschiedlichkeit der Leichenerscheinungen eine nähere Stellungnahme erst nach genauer Kenntnis
u.a. der Wtterungsbedingungen bzw. gegebenenfalls auch der Untersuchung
der Maden abgegeben werden kann," (BI. 035 Ziff. IV.)
Das maschinengeschriebene Datum "20. August 1995" im Obduktionsbericht
wurde handschriftlich gestrichen und berichtigt in „Mittwoch, 23. August 1995“.
Ein Nachweis dafür findet sich in den Akten nicht. In der späteren Anklageschrift
vom 30.01.1996 findet sich als Tattag der 20.08.1995.
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Bei einem Geschehensablauf nach den gerichtlichen Feststellungen wäre F.
Appel jedoch am Sonntag, 20.08.1995, gegen 23 Uhr, getötet worden. Das
Schwurgericht hat sich mit diesen unterschiedlichen Daten jedoch gar nicht
auseinandergesetzt.
Einen objektiven Schluss auf den Todeszeitpunkt lässt die Totenstarre zu. Ihre
Entwicklung ist stark temperaturabhängig, wobei höhere Temperaturen die
vollständige Lösung der Totenstarre begünstigen. Bei Temperaturen zwischen
18,8 und 30 ° C wird eine beschleunigte Lösung der Leichenstarre angenommen.
(Burkhard Madea - Rechtsmedizin: Befunderhebung, Rekonstruktion, S.
66). Gleiches gilt für die Leichen schlanker Personen (was auf F. Appel zutrifft),
deren Totenstarre sich zügiger wieder löst. (Burkhard Madea - Rechtsmedizin:
Befunderhebung, Rekonstruktion, S. 66)
Die Totenstarre tritt in der Regel 3-4 Stunden nach dem Tod ein und erreicht
ihre volle Ausprägung üblicherweise nach 8 Stunden. (Burkhard Madea – Basiswissen
Rechtsmedizin, S. 73) Die vollständige Lösung der Totenstarre tritt nach den in der Rechtsmedizin gängigen Berechnungen von Mallach 1963 (aus Henßge/ Madea 1988) etwa 76 Stunden nach dem Tod ein, wobei Standardabweichungen von +/- 32 Stunden berücksichtigt werden müssen. (Burkhard Madea – Rechtsmedizin: Befunderhebung, Rekonstruktion, S. 66).
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Für den Tod des F. Appel bedeutete dies folgendes:
Im Bericht über die Obduktion am 27.08.1995, von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr,
heisst es u.a.: ,Augenscheinliche Totenstarre noch in den Kniegelenken." (BI.
31 Ziff. 28).
Bei Zugrundelegung der obigen Daten war F. Appel zum Zeitpunkt der Obduktion
am Morgen des 27.08.1995 mindestens 1,83 (44 Stunden) und höchstens
4,5 Tage (108 Stunden) tot, da die Totenstarre bereits begonnen hatte, sich zu
lösen, allerdings die vollständige Lösung noch nicht eingetreten war. Bei Berücksichtigung
der sommerlich warmen Temperaturen und der Statur der Leiche
spricht vieles dafür, anzunehmen, dass die Totenstarre im Fall F. Appel
sich relativ zügig gelöst haben dürfte.
Trotz der entgegenstehenden korrigierten Zeitangabe im vorläufigen Obduktionsbericht
wurde als Tatzeit in der Anklage schließlich die Nacht vom
20.08.1995 auf den 21.08.1995 genannt, was in den Urteilsgründen ohne weitere
Auseinandersetzung der Kammer mit den zeitlichen Ungereimtheiten entsprechend
übernommen wurde.
Dies würde allerdings bedeuten, dass die Obduktion knapp 156 Stunden (6,5
Tage) nach dem Tod des F. Appel durchgeführt wurde und die Totenstarre
immer noch nicht vollständig gelöst war. Ein solches Ergebnis ist mit den oben
ausgeführten Erkenntnissen jedoch nicht in Einklang zu bringen.
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In diesem Zusammenhang wäre es unerlässlich gewesen, ein endgültiges
Gutachten des Rechtsmediziners mit Berücksichtigung der Temperaturen und
anderer individueller Faktoren zur Erkenntnisgewinnung heranziehen zu können.
Ein solches findet sich jedoch gerade nicht in den Akten.
Jedenfalls erscheint es vor dem Hintergrund der noch teilweise ausgeprägten
Totenstarre zum Zeitpunkt der Obduktion plausibler, dass F. Appel am
23.08.1995 tatsächlich noch lebend gesehen wurde. Dies würde nämlich bedeuten,
dass zwischen seinem Tod und der Obduktion höchstens vier Tage vergingen, was mit dem Zustand der Leiche in Einklang zu bringen wäre.
Die Annahme, der Tod des F. Appel könne frühestens am 23.08.1995 eingetreten
sein, stützt sich in der Tat auf verschiedene diesbezügliche Zeugenaussagen:
1.) Frau E. Vacca (Mutter der L. Vacca) gab an, dass F. Appel ihrer Kenntnis
nach am Mittwoch (Anm: also am 23.08.1995) von Freunden ins Klinikum Bamberg
zum Zwecke einer Entgiftung habe gebracht werden sollen. (Bl. 148 d. A.);
2.) Laut M. Vacca (Bruder der L. Vacca) hatte seine Schwester ihm erzählt,
F. Appel sei seit 48 Stunden in U-Haft oder einer Nervenklinik gewesen
(Bl. 215 d. A.)
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3.) D. Diegel berichtete, L. Vacca habe ihm am 23.08.1995 erzählt, dass
mehrere Männer den F. Appel in einem Auto nach Hof verbracht hätten
und ihn dort in einer Hütte eingesperrt festhielten. (Bl. 280 d. A.)
Letzteres scheint auch insoweit stimmig, als L. Vacca Kontakt zu einem
Motorradclub in Hof hatte, deren Clubhaus auch als „Hütte“ bezeichnet wurde
und sie dorthin zu ihren sogenannten „guten alten Freunden“ habe trampen wollen,
wie der Zeuge D. aussagte. (Bl. 280 d. A.)
Laut Aktenvermerk vom 22.08.1995 sollte L. Vacca am Mittwoch, 23.08.1995,
um 14.00 Uhr, wegen ihren Anzeige zur Polizeidienststelle kommen, (BI. 127)
entschuldigte sich aber zunächst und verschob diesen Termin auf ca. 15.30
Uhr. „Sie habe mit einem Freund, den sie namentlich nicht nannte, vereinbart,
dass sie dieser zur Polizei fahren werde. Das habe sich nunmehr aber zeitlich
verschoben." (BI. 129).
Im Schlussbericht der Polizei ist nachzulesen, dass die Verletzungen der L.
Vacca tatsächlich an diesem Mittwoch fotografisch gesichert wurden (BI. 648).
Der Antragsteller kann sie an dem besagten Nachmittag nicht zur Polizeidienst-
Stelle gefahren haben, da er laut Angaben der Zeugin H. am Mittwoch (23.08.1995)
von 11:00/ 12:00 Uhr mittags bis etwa 21:00 Uhr ihrem Mann und ihrem Schwager geholfen habe. (Bl. 550)
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Dies stimmt auch mit den Angaben der Mutter des Antragstellers überein, die
angab, er habe nach der Arbeit bei Familie Hofmann geduscht und sei dann
nach Gaustadt gefahren, damit L. Vacca gegen 22:00 Uhr bei D. D. sein
konnte.

(γ) Leichenfundort kann nicht der Tatort gewesen sein
Erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Falschgeständnisses hätten
sich zudem aus den Feststellungen zum Leichenfundort ergeben müssen. Bereits
in ihrem Pressebericht vom 28.08.1995 (findet sich in den Presseberichten,
die der Ermittlungsakte vorangestellt sind) berichtet die Pressestelle der
PD Bamberg, der Leichenfundort sei offenkundig nicht der Tatort. Es werde
daher angenommen, dass die Leiche kurz vor dem Auffinden mit einem PKW
zum Fundort gebracht worden sei.
Für diese Annahme gab es zahlreiche Hinweise:
Am Fundort der Leiche des F. Appel wurde keine nennenswerte Blutmenge
gefunden. Auch bei einem später von der Gerichtsmedizin durchgeführten
Luminolverfahren konnten keine entsprechenden Blutmengen nachgewiesen
werden, obwohl laut Obduktionsbericht erheblicher Blutverlust die Todesursache
gewesen sein soll. Auch bei Zugrundelegung des im Falschgeständnis
geschilderten Tatablaufs hätte der Leichenfundort aber eine erhebliche Menge
Blutes aufweisen müssen.
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Die Kammer nahm darüber hinaus an, der Antragsteller habe entsprechend
seiner früheren Aussage die Leiche nach der Tat quer über den Feldweg in
den Wald gezogen. (U. S. 18) Auch hier wurden jedoch laut der Akte keinerlei
Blutspuren aufgefunden.
Im Übrigen wurde bei der Fundortbegehung eine deutliche Schleifspur in der
Wiese bis hin zum Liegeort der Leiche gefunden. (Bl. 21 d. A.) Bei Zugrundlegung
der späteren Annahme, F. Appel sei am Abend des 21.08.95 (oder nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft am Abend des 23.08.1995) am Waldrand
bei Teuchatz getötet worden, so hätte die Schleifspur bis zum 27.08.95 unverändert
bestehen bleiben müssen. Bei einer späteren aktenkundigen Nachstellung
jenes Schleifvorganges ergab sich allerdings, dass eine solche Schleifspur
nach spätestens 24 Stunden nicht mehr sichtbar sein kann, da die Halme
des Wiesengrases sich wieder aufrichten.
Es ist daher vor diesem Hintergrund undenkbar, dass die Leiche 4 bis 6 Tage
vor ihrem Auffinden durch die Wiese geschleift wurde und die Schleifspur
nach beinahe einer Woche noch immer sichtbar gewesen sein soll.
Es verwundert also nicht, dass die Polizei aufgrund ihrer Ermittlungen zunächst
feststellte, dass der Auffindeort nicht gleichzeitig der Tatort gewesen
sein könne. (Bl. 618 d. A.)
Auch die Annahme des Gerichts, der Antragsteller habe die Leiche des F. Appel
nach der Tat quer über den Feldweg in den Wald gezogen (U. S. 18), ist
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insoweit unglaubwürdig, als auch auf dem vermeintlichen Schleifweg keinerlei
Blutspuren gefunden wurden.

(δ) Ablauf unglaubwürdig (U. S. 15/ 16)
Der Ablauf des geschilderten Tatgeschehens entsprechend den anfänglichen
Einlassungen des Antragstellers war denklogisch nicht möglich. Dies hätte
sowohl den Ermittlungsbehörden, wie auch später der Kammer bei der Prüfung
des Geständnisses auf Glaubwürdigkeit auffallen müssen. Der Antragsteller
hatte angegeben, mit dem Beil in der Hand auf dem etwa 750 m langen
Weg am Teuchatzer Sportplatz vorbei seitlich versetzt vor F. Appel gelaufen
zu sein. Es ist bereits kaum nachvollziehbar, warum F. Appel einem ihm Unbekann-
ten mit Beil zum Waldrand hätte hinterherlaufen sollen, wenn eigentlich vereinbart war, nach Teuchatz auf die Kirchweih zu fahren. Schon insoweit ist der vom Antragsteller ursprünglich geschilderte Tatablauf wenig glaubwürdig und hätte Fragen aufwerfen müssen.
Auch der Obduktionsbericht des Dr. Honus und die darin geschilderten Verletzungen
des F. Appel passen erkennbar nicht zu dem vom Gericht angenommenen Tatablauf.
Zur Verdeutlichung wird erneut auf den betreffende Abschnitt aus dem Urteil
(UA S. 15-17) hingewiesen:
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Als Frank Appel, der mit einem Angriff des Angeklagten nicht rechnete, am
Waldrand nach seiner Taschenlampe suchte, kam er erstmals während des
gesamten Weges vor dem Angeklagten zu stehen. Diese Situation nutzte
der Angeklagte aus und schlug Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils
auf den Hinterkopf. Zumindest nicht ausschließbar wollte der Angeklagte
entsprechend seiner ursprünglichen Absicht Frank Appel bei diesem ersten
Schlag nicht töten, sondern nur kampfunfähig machen, um ihn anschließend
mit den Kabelbindern zu fesseln. Frank Appel gelang es zunächst wegzulaufen,
er wurde jedoch nach ca. 20 Metern vom Angeklagten eingeholt.
Seine Äußerung „ich sag Dirs noch einmal im guten“ beantwortete der
Angeklagte, der erkannt hatte, dass Frank Appel nach dem ersten
Schlag nicht kampfunfähig war, nun mit einer reihe wuchtig geführter,
auf den Oberkörper und den Kopf gerichteter Beilschläge, wobei er
Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils mindestens dreimal am
Kopf, mit der Schneide des Beils mindestens zweimal im Gesichtsbereich
und einmal im Brustbereich traf. Spätestens zu dem Zeitpunkt,
als der Angeklagte dem Frank Appel diese Serie massiver, unmittelbar
aufeinanderfolgender Schläge versetzte, wollte er damit dessen Tod
herbeiführen. Die Schläge führte er mit dem in der rechten Hand gehaltenen
Beil aus, während er seinen Kontrahenten mit der linken
Hand an der Jacke festhielt. Dabei gelang es Frank Appel zwar, dem
Angeklagten mit einem eckigen Gegenstand, möglichweise der Taschenlampe
oder dem Schreckschussrevolver, in den Bauch zu
schlagen, eine wirksame Gegenwehr konnte er, nur 175 cm groß und
ca. 62 kg schwer, dadurch gegenüber dem ihm körperlich weit überleSeite
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genen Angeklagten jedoch nicht entfalten, was der Angeklagte erkannte.
Nachdem Frank Appel infolge der heftigen Beilschläge zu Boden
gegangen war und keinerlei Gegenwehr mehr zeigte, holte der
Angeklagte dessen auf den Weg liegende und noch brennende Taschenlampe
und stellte, als er Frank Appel anleuchtete, fest, dass dieser,
nachdem er noch einmal kurz geröchelt hatte, tot war.
Infolge der mit der stumpfen Seite des Beiles geführten Schläge entstanden
am Schädel des Getöteten drei ausgedehnte Zertrümmerungen
der Schädeldecke im Bereich der linken Schläfenregion übergreifend
auf Scheitelbein und Stirnbein (7 x 6,8 cm), im Übergangsbereich
des rechten Schläfenbeins zum Scheitelbein und Stirnbein (5 x 5 cm),
sowie in der linken Hinterkopfregion übergreifend auf das linke Schläfenbein
(5 x 2,8 cm). Durch mindestens zwei mit der Beilschneide geführte
Schläge entstand zum einen am rechten knöchernen Augenbrauenwulst
sowie am Oberkiefer eine tiefe schartenartige Knochenverletzung,
zum anderen wurde ein Teil des rechten Unterkiefers vollständig
abgesprengt. Ferner wurden das Brustbein und das linke
Schlüsselbein durch einen von innen nach außen geführten scharfkantigen
Schlag verletzt. Der Tod des Frank Appel trat aufgrund des infolge
der schweren Schädelverletzungen auftretenden Blutverlustes ein.
(…)“
Die Kammer kam demnach zu der Auffassung, F. Appel sei nach dem ersten
Beilhieb mit der stumpfen Seite auf den Hinterkopf noch etwa 20 m weit gelau
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fen und habe dann noch mit dem Antragsteller gerangelt. Ein derartiger Ablauf
stimmt zwar mit dem anfänglichen Falschgeständnis überein, ist bei verständiger
Betrachtung mit dem rechtsmedizinischen Befund jedoch nicht in Einklang
zu bringen.
Die benannte Verletzung am Hinterkopf des F. Appel erfüllte nämlich die Kriterien
eines sogenannten offenes Schädelhirntraumas („lochartiger Defekt“
etwa 5x2,8 vm Bl. 792, Defekt Nr. 3). Wie die Mehrzahl der übrigen im Rahmen
der Obduktion festgestellten Verletzungen war sie erheblich genug, um
sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge zu haben. Die Ermittlungsbehörden und
nachfolgend die Kammer hätten somit erkennen müssen, dass mit Blick auf
die schwerwiegenden Verletzungen des F. Appel der weitere Ablauf schlicht
unvorstellbar ist. Insbesondere konnte unmöglich angenommen werden,
dass ein Opfer mit einem derartigen Lochim Hinterkopf noch 20 Meter
weit läuft und danach körperlich in der Lage sein soll, mit einem körperlich
überlegenen Angreifer zu rangeln. Darüber hinaus stellte die Rechtsmedizin
keine Abwehrverletzungen an Armen und Händen des F. Appel fest.
Unabhängig von der vermeintlichen Gegenwehr des F. Appel war auch die übrige
Überzeugung der Kammer vom Ablauf der Tat nicht nachvollziehbar. Es
ist kaum vorstellbar, dass der Antragsteller quasi in einem Wechsel von „Vorhand
und Rückhand“ abwechselnd mit der stumpfen und der scharfen Beilseite
auf ihn eingeschlagen haben soll, wenn er F. Appel gleichzeitig mit der linken
Hand an der Jacke festgehalten hat. (U. S. 16) Er müsste dafür im Übrigen
auch so nah vor ihm gestanden haben, dass die Schläge, die die Verlet
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zungen des F. Appel verursacht haben sollen, nicht mehr hätten vollführt werden
können.
Darüber hinaus nahm die Kammer an, F. Appel habe die Schreckschusspistole,
die wie sich später herausstellen sollte seinem Stiefvater gehörte, dem Antragsteller
zum Zwecke der Gegenwehr in den Bauch gestoßen. Dies dünkt
höchst unglaubwürdig. Es hätte sich die Frage aufdrängen müssen, warum F.
Appel die geladene (!) Pistole nicht abfeuerte. Dies hätte entsprechende Verletzungen
beim Antragsteller hervorgerufen, die man im Rahmen der ärztlichen
Untersuchung des Antragstellers hätte feststellen können. Letztlich konnte
aber nicht einmal der im Falschgeständnis geschilderte Handlungsablauf
durch die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung des Antragstellers bestätigt
werden. Hätte sich F. Appel mit einem Schlag in den Bauchraum und mehreren
Tritten gewehrt, so hätten zumindest Hämatome beim Antragsteller auftreten
müssen. Solche wurden jedoch bei der ärztlichen Untersuchung nicht festgestellt.
In diesem Zusammenhang ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass sich das
Gericht offenkundig nicht mit der Art der beim Opfer festgestellten Verletzungen
auseinandergesetzt hat. Anderenfalls hätte man der Frage nachgehen
müssen, wie die Stichverletzung im Brustbereich des Toten mit den Schilderungen
des Antragstellers vom vermeintlichen Tatgeschehen in Einklang zu bringen sind,
der aktenkundig nichts schildert, was einem Stich auch nur nahekäme.
Diese Diskrepanz zwischen dem offenkundigen Falschgeständnis
und dem Obduktionsergebnis ist eklatant. Besonders nachdenklich stimmt in
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diesem Zusammenhang, dass der LOStA Müller-Dahms den Antragsteller,
nach dessen glaubhaftem Bekunden, vor dessen ermittlungsrichterlicher Vernehmung
ausdrücklich aufforderte, sich nicht (mehr) zu dem Messerstich zu
äußern. In der Anklageschrift war in den Ausführungen zum Tathergang dann,
wie oben bereits dargelegt, nur noch von „Beilhieben“ die Rede.
In jedem Falle hätte die Kammer sich zwingend mit diesen evidenten Unstimmigkeit,
die sich klar aus den Akten ergaben, auseinandersetzen müssen.
Stattdessen legte die Kammer ihrer Entscheidung ein Tatgeschehen zugrunde,
das weder mit dem polizeilichen Geständnis des Antragstellers, noch mit
der Stichverletzung des F. Appel in Deckung zu bringen war.

(ε) Fehlendes Motiv
In Anbetracht der Schwere der beiden Verbrechen, die dem Antragsteller zur
Last gelegt wurden, ist umso erstaunlicher, dass sich weder die Ermittlungsbehörden,
noch das Gericht mit der Tatsache auseinandergesetzt haben, dass
der Antragsteller kein erkennbares Motiv für die ihm zur Last gelegten Taten
hatte. Ein derartiges Motiv konnte auch aufgrund der Zeugenaussagen nicht
festgestellt werden. Der Antragsteller kannte L. Vacca aus einem Kurs des Arbeitsamtes
und pflegte ein bekanntschaftliches Verhältnis zu ihr. Den F. Appel
hatte der Antragsteller nie kennengelernt. Die Angaben des Antragstellers, nie
eine Beziehung zu L. Vacca gepflegt zu haben, die über ein kameradschaftliches
Verhältnis hinausging, konnte letztlich von den Angehörigen des Antragstellers
und darüber hinaus auch von Freunden und Familie der L. Vacca be stätigt werden.
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Auch die Kammer stellte in den Urteilsgründen schließlich fest, ein sexuelles
Verhältnis des Antragstellers zu L. Vacca sei auszuschließen.
Bei Taten von derartiger Schwere ist nicht nachvollziehbar, wie die Täterschaft
angenommen werden konnte, ohne dass zureichende Motive hätten festgestellt
werden können. Letztlich ist auch schwer nachvollziehbar, wie sich die Kammer mit der Annahme zufrieden geben konnte, der Antragsteller habe F. Appel letztlich aus einem vermeintlichen Gerechtigkeitsempfinden heraus getötet, nachdem L. Vacca ihn aufgefordert habe, ihm lediglich eine „Abreibung“ zu erteilen.

(2) Unstimmigkeiten im Fall L. Vacca

(α) Leichenfundort indiziert anderen Tatablauf (Bl. 1229)
Auch im Zusammenhang mit dem Tod der L. Vacca stimmen die Ermittlungsergeb-
Nisse mit den Feststellungen im Urteil nicht überein.
Bereits die Ermittlungen zum Leichenfundort ergaben, dass der Tatablauf in
der vom Antragsteller anfangs geschilderten Form nicht zutreffen konnte. Am
Tatort fanden sich keine den Schilderungen des Antragstellers entsprechenden
Blutspuren. Der Antragsteller hatte angegeben, nach dem ersten Schlag
auf den Schädel die reglose L. Vacca etwa 50 m weit getragen zu haben. Bei
Zugrundelegung dieses Geschehensablaufs, hätte notwendigerweise sowohl
am Leichenfundort, wie auch an der Kleidung des Antragstellers eine nicht
unerhebliche Menge Blutes gefunden werden müssen. Die sichergestellte
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Kleidung des Antragstellers wies jedoch keinerlei entsprechende Rückstände
auf. (Bl. 299 d. A). Auch die gerichtsmedizinische Untersuchung des Tatortes
ergab jedoch, dass gerade auf dem vermeintlichen „Trageweg“ entlang des
Ackerrains bis zur Liegestelle der Leiche und auch an der Liegestelle selbst
keine entsprechenden Blutspuren feststellbar waren. (Bl. 135 d. Akte)
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die berichtigte Darstellung der
Tatabläufe im Schreiben des Antragstellers an Richter Dengler (hierzu folgen
im nachfolgenden Abschnitt zum Geständniswiderruf nähere Ausführungen)
deutlich glaubhafter erscheint, als die Feststellungen im Urteil. Den berichtigten
Ausführungen des Antragsstellers folgend, habe er die Leiche der L.
Vacca am Tag nach ihrem nächtlichen Treffen an der Scheune gefunden und
sie daraufhin zum Gebüsch getragen. Da die Leiche der L. Vacca zu diesem
Zeitpunkt bereits ausgeblutet gewesen sein muss, sind die fehlenden Blutspuren
aufgrund dieser Schilderung deutlich nachvollziehbarer. Weder die Ermittlungsbe-
hörden, noch die Kammer haben sich jedoch mit diesen Unstimmigkeiten
näher befasst.
Auch das silberfarbene Halsband, das etwa 6 m von der Liegestelle der L. Vacca
 entfernt gefunden und asserviert wurde, wurde offenbar nicht als Anlass für weitergehende Ermittlungen angesehen. Obgleich das abgerissene Hals-band
einen Hinweis auf den möglichen Täter oder andere Beteiligte hätte geben können, wurden keine weiteren Ermittlungen zu seinem Eigentümer aufgenommen. (Bl. 299 d. A.)
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Allein die Tatsache, dass der Antragsteller Kenntnis vom Leichenfundort hatte
und die Polizei auf den Stein als Tatwerkzeug hinwies, hätte nicht genügen
dürfen, um von der Täterschaft des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller
hatte sich mit L. Vacca am Abend der vermeintlichen Tat getroffen und
sie auf ihren Wunsch hin nach Buttenheim gefahren, da sie sich dort mit ihren
sogenannten „guten alten Freunden“ treffen wollte. Da L. Vacca ihm den
Treffpunkt an der Scheune genannt hatte, war für den Antragsteller auch naheliegend,
dort nach L. Vacca zu suchen, nachdem sie am folgenden Tage als
vermisst galt. Auch die Tatsache dass der Antragsteller den Stein, der in unmittelbarer
Nähe der Leiche lag, als Tatwerkzeug ausmachte, ist in diesem
Zusammenhang keineswegs überraschend. Der Stein hatte flächige offenkundige
Blutanhaftungen und lag in unmittelbarer Nähe der Leiche, weshalb bei
objektiver Betrachtung des Leichenfundortes ein entsprechender Rückschluss
auf diesen Stein als Tatwerkzeug mehr als naheliegend war.
Darüber hinaus fällt auch im Zusammenhang mit der Untersuchung der Tötung
der L. Vacca auf, dass die Ermittlungsbehörden nicht gründlich vorgingen,
sondern wesentliche Ergebnisse der Ermittlungen beiseite ließen. Aus den Akten
lassen sich hinsichtlich der gesicherten Spuren keinerlei Rückschlüsse
auf den Antragsteller ableiten. Seine DANN konnte am vermeintlichen Tatort
nicht aufgefunden werden.
Daneben verwundert es enorm, dass die sichergestellten Fingernägel der L.
Vacca (Bl. 304 d. A.) zwar der Rechtsmedizin übergeben wurden, sich dann
aber kein Ergebnis über eine entsprechende Spurensicherung unter den Fin
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gernägeln findet. Da der Leichenfundort (mit Blick auf die abseits liegende
Kette) auf einen Kampf hindeutet und die an der Leiche festgestellten Strangula-
Tionsmale ebenfalls eine Gegenwehr des Opfers nahelegen, hätten entsprechen-
De Spuren unter den Fingernägeln aufschlussreiche Erkenntnisse ermöglichen
können. Dieser Spur wurde jedoch gar nicht nachgegangen.
Auch die Untersuchung des Landgerichtsarztes vom 30.08.1995 ergab, dass
keinerlei Abwehrspuren der L. Vacca an dem Antragsteller gefunden werden
konnten. (Bl. 467 d. A.)

(β) Todesursache durch Strangulation gänzlich unberücksichtigt
Auch die Todesursache der L. Vacca hätte bei entsprechender Auseinandersetzung
mit den objektiven Ermittlungsergebnissen gravierende Zweifel am angeklagten
Tatablauf hervorrufen müssen.
In der Anklageschrift wird geschildert, der Antragsteller habe der ahnungslosen
L. Vacca von hinten den Feldstein wuchtig auf den Kopf geschlagen, woraufhin
sie sofort nach vorne umgefallen sei. Anschließend habe er sie etwa 50 Meter weit
zu der Hecke getragen, in der sie aufgefunden wurde und habe ihr, nachdem er den Feldstein herbeigeholt habe, mit mehreren Schlägen den Hinterkopf zerschlagen.
In seiner polizeilichen Vernehmung vom 30.08.1995 hatte der Antragsteller jedoch
die folgenden Angaben gemacht: „Lucia lag auf dem Boden. Ich habe mit
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beiden Händen den Stein hochgehoben und der Lucia auf den Kopf geschlagen.
Ich habe zwei- bis dreimal mit dem Stein zugestoßen. (…) Ich kniete neben
der Lucia. Sie lag auf dem Rücken. Ich habe sie ein Stück in das Gestrüpp
gezogen, da lag sie auf dem Bauch, und dann habe ich noch ein paar Mal mit
dem Stein zugeschlagen und sie immer wieder im Kopfbereich getroffen.“
(Bl. 459 d.A.)
In der ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 30.08.1995 schilderte er darüber
hinaus: „(…) ich habe 5 oder 10 mal zugeschlagen in Richtung Kopf. (…)
Später im Gebüsch, als Lucia auf dem Bauch lag, habe ich vielleicht noch 5
mal mit dem Stein zugeschlagen, die Zahl weiß ich nicht mehr genau.“ (Bl.
447 d.A.)
Im Rahmen der polizeilichen Vernehmung vom 01.09.1995 schilderte der Antragsteller
den Tathergang folgendermaßen: „(…) bin wieder zurück zur Lucia
gelaufen und habe dort noch öfter zugeschlagen, immer in den Kopfbereich.
Wie oft ich da genau zugeschlagen habe, weiß ich nicht mehr. Ich kann keine
Zahl nennen. (…) Jedenfalls war sie dann, wie ich sie hinten hingelegt habe,
auf dem Rücken gelegen. Als Lucia in Rückenlage war, habe ich weiter auf die
mit dem Stein eingeschlagen.(Bl. 502 d.A.)
Bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 04.09.1995 gab der Antragsteller
schließlich an: „Zur Sache mit der Luzi möchte ich mich ausschweigen.
(…) Alles, was ich am Freitag bei der Polizei gesagt habe, habe ich freiwillig
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und von mir aus gesagt, ob es richtig ist, das kann ich allerdings nicht sagen.“
(Bl. 511 d.A.)
Letztendlich sagt er am 06.09.1995 während einer weiteren Vernehmung aus:
Ich weiß es nicht mehr genau, laßt´s halt so, wie es jetzt ist. Ich hab´s doch
schon gesagt. Das kann doch passen.“ (!) (Bl. 524 d.A.)
Der polizeiliche Bericht der KPI Bamberg über die Auffindesituation der Leiche
traf dagegen folgende Feststellungen (Bl. 301 d. A.):
„Im Bereich des Halses ist, quer, etwa im Kehlkopfbereich, eine Art
Abschürfung oder Strangulationsmarke erkennbar. Inwieweit diese
vom Lederbändchen herrührt, kann zunächst nicht weiter beurteilt
werden. Vermutlich hat das genannte Lederbändchen auf der Rückseite
vom Hals der Toten eine Art Strangulationsfurche hinterlassen,
die relativ gut erkennbar war.“
Im Rahmen der Leichenöffnung durch Dr. Honus wurden die folgenden Erkenntnisse
beschrieben (Bl. 306 ff. d. A.):
„Über der Drosselgrube verläuft eine ca. 13 cm lange und bis 1 cm
breite unregelmäßige rötlich bräunliche bandförmige Hautvertrocknung.
Sie steigt ganz gering von rechts nach links auf. In etwa parallel
dazu und knapp 3 Querfinger darüber gelegen an der rechten Halssei

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te bis zum Adamsapfel hin eine ähnliche Veränderung. (Bl. 306 d. A.)
(…)
Die vordere gerade Halsmuskulatur auf der Schilddrüse bzw. unterhalb
derselben an der prominenten Stelle auf ca. 4 zu 4 cm Größe blutig
durchsetzt. Der linke Schilddrüsenlappen hinten äußerlich fleckig
blutig durchsetzt. Rechts unten die Muskulatur auf der Wirbelsäule
entsprechend ebenfalls fleckig eingeblutet. Das rechte untere Schildknorpelhorn
abgebrochen. Die Weichteile hier am Unterrand des
Schildknorpels zerrissen. Die Umgebung verwaschen blutig durchsetzt.
Das rechte große Zungenbeinhorn am Körper abgeknickt, hier
keine Unterblutung. (…)
Die kleinen Lungen gut gebläht, blass und relativ trocken.“
Im vorläufigen Gutachten heißt es sodann (Bl. 309 ff. d. A.):
„… massive stumpfe bis stumpfkantige Gewalteinwirkungen auf den
Hinterkopf (…) aufgrund Blutarmut der Organe davon auszugehen,
dass sie an der Folgen der Schädelverletzung im Rahmen eines Verblutens
gestorben ist.“
Im Übrigen hätte auch das Aussageverhalten im Zuge der oben geschilderten
Vernehmungen Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Geständnisses
geben müssen. Während der Antragsteller anfangs noch schilderte, er habe
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mehrere Male auf den Kopf der L. Vacca eingeschlagen – er sogar angab, sich
an eine bestimmte Zahl an Schlägen zu erinnern – wirkte sein Aussageverhalten
zunehmend verunsichert. Schließlich gab der Antragsteller an, sich
nicht mehr zu erinnern und deshalb auch keine Angaben mehr machen zu
können. Er widersprach sich nicht nur hinsichtlich der Anzahl der Schläge,
sondern auch bezüglich der Liegeposition der Leiche in Rücken- bzw. Bauchlage.
Am Ende steht dann der überaus bemerkenswerte Satz des Antragsstellers
(s.o.): „Ich hab`s doch schon gesagt. Das kann doch passen.“
Im Zusammenhang mit dem Obduktionsergebnis werden bei genauer Betrachtung
des oben geschilderten Aussageverhaltens des Antragstellers die folgenden
zwei Aspekte deutlich:
1. Obduktionsbericht und „Geständnis“ stehen zueinander in eklatantem Widerspruch.
Neben den Strangulationsmalen, wurden ausschließlich zwei
Schlagverletzungen festgestellt, die sich jeweils am Hinterkopf des Opfers
befanden. Die Obduktion ergab demnach überhaupt keine Verletzungen,
die auf eine Schädelverletzung in Rückenlage hindeuten würden. Auch die
Anzahl der laut Schilderung des Antragstellers vollführten Schläge passt in
keiner Weise zu den objektiv festgestellten Verletzungen.
2. Hinweise der Gerichtsmedizin auf Erdrosseln:
Die Drosselmarken allein beweisen noch keinen Erstickungstod, sondern
erst die inneren Befunde an der Leiche.
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Erstickungsveränderungen sind vor allem in Organen mit lebhaften Stoffwechselvorgängen
zu beobachten wobei gerade Trockenheit der Organe
für ein Ersticken charakteristisch ist. Die Obduktion L. Vacca's hat ergeben:
die Organe und das Gewebe waren ausgesprochen blutarm und trocken.
Das gilt so auch für die Lunge. Deren Blähung jedoch ist im Zusammenhang
mit den übrigen Erstickungsbefunden der klare Hinweis auf einen Erstickungstod
Vacca's: Die mechanische Behinderung der Atmung führte
zum typischen Erstickungsbefund, der Lungenblähung, durch den sog.
CO2-anstiegsbedingten Atemantrieb.
Bei der Einblutung des Ansatzes des großen Kopfnickermuskels beiderseits
am Schlüsselbein handelt es sich ebenfalls um ein typisches Merkmal
für einen Erstickungstod durch äußere Gewalteinwirkung auf den
Hals. Im Urteil findet sich zu diesen medizinischen Fakten: nichts.

4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Der objektive Inhalt der Ermittlungsakten ließ es bei verständiger Durchsicht
nicht zu, den angeklagten Sachverhalt als zutreffend anzunehmen. Dennoch
findet sich der Sachverhalt, den die Staatsanwaltschaft der Anklage zugrunde
gelegt hatte, im Urteil nahezu deckungsgleich wieder.
Die Ermittlungsergebnisse, die in offensichtlichem Widerspruch zu dem anfänglichen
Geständnis des Antragstellers standen und die zahlreichen unge klärten Spuren,
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hätten eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts zwingend
erfordert.
Darüber hinaus wird vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen
deutlich, dass das Tatgeschehen sich schlichtweg nicht so zugetragen
haben kann, wie im Urteil festgestellt. Der zweifelhafte Todeszeitpunkt des F.
Appel und die Unstimmigkeiten hinsichtlich der Leichenfundorte hätten zwingend
in die gerichtliche Überzeugungsbildung einfließen müssen. Auch mit der
tatsächlichen Todesursache und den Unstimmigkeiten am Tatort im Fall L.
Vacca hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt, weshalb dem Urteil
letzten Endes lückenhafte und darüber hinaus auch falsche „Erkenntnisse“ zugrunde
gelegt wurden. Zusätzlich hätte auch die fehlende Motivlage Grund zu
Zweifeln an der Täterschaft des Antragstellers erregen müssen.
Der Schuldspruch ist bei Berücksichtigung sämtlicher zuvor aufgeführter Tatsachen
nicht aufrecht zu erhalten. Die fehlende Berücksichtigung der objektiv
der Anklage entgegenstehenden Ermittlungsergebnisse wirkte sich zulasten
des Antragstellers aus. Die Kammer hat auch nicht etwa nur einzelne Aspekte
der erforderlichen Beweiswürdigung übersehen, sondern sowohl im Fall F.
Appel, als auch im Zusammenhang mit der Tötung der L. Vacca zahlreiche
entscheidende Ermittlungsergebnisse unberücksichtigt gelassen. Die vorstehend
dargelegten offenkundigen Widersprüche und Diskrepanzen hätten sich
jedoch den Ermittlungsakten entnehmen lassen. Letztlich kam das Gericht so
zu einem Ergebnis, das schon auf Grundlage der Ermittlungsakte schlechterdings
nicht hätte getroffen werden können.
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II. Rücknahme des anfänglichen Falschgeständnisses, § 359 Nr. 5 StPO

1. Wiederaufnahmegrund
Hiermit wird der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geltend
gemacht.
Auch der Widerruf eines Geständnisses stellt einen Wiederaufnahmegrund im
Sinne des § 359 Nr. 5 StPO dar (OLG Köln, NStZ 91, 96). Da die Rechtskraft
des Urteils nicht willkürlich unterlaufen werden darf, ist der Geständniswiderruf
als Wiederaufnahmegrund freilich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen
geeignet. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch sämtlich
erfüllt, was im Folgenden dargelegt wird:
Bereits in den vorangegangenen Kapiteln ist in unterschiedlichen Zusammenhängen
angeklungen, dass das anfängliche „Geständnis“ des Antragsstellers
in seinen unterschiedlichen Ausführungen jeweils nicht mit den Ermittlungsergebnissen
in Einklang zu bringen war, weshalb die Unwahrheit des Geständnisses
ohne Weiteres anhand der Ermittlungsakte dargelegt werden kann.
(OLG Köln, StV 89, 98).
Im Folgenden wird - darüber hinaus - der tatsächlich zutreffende Sachverhalt
erneut geschildert. Die berichtigte Schilderung beruht zum einen auf einem
Brief des Antragstellers, den er nach der Urteilsverkündung dem damaligen
VorsRiLG Dengler zukommen ließ (s.o.). Zum anderen beinhaltet die berichti
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gende Darstellung einen Aufsatz des Antragstellers mit dem Titel „Die verschwun-
dene Leiche“, den er nach mehreren Jahren seiner Haft durch seinen Vater ver-
öffentlichen ließ. Die Erkenntnisse, die in besagtem Aufsatz verarbeitet werden,
gewann der Antragsteller erst, nachdem ihm mehrere Jahre nach seiner Verurteilung erstmalig Akteneinsicht gewährt wurde und er anhand der Leichenbilder feststellte,
dass es sich bei der (entsprechend seiner Schilderung im Brief an Herrn Dengler) gefundenen Leiche nicht um die des F. Appel gehandelt haben kann. Diese Erkenntnis
des Antragstellers erklärt seine anfänglichen Einlassungen und lässt darüber hinaus
das gesamte Tatgeschehen in einem vollständig anderen Lichte erscheinen. Überdies
ist es möglich, anhand der Schilderungen des Antragstellers und unter Berücksichtigung der unter diesem Aspekt äußerst aufschlussreichen Vernehmungsprotokolle, darzulegen, welche im Einzelnen nachvollziehbaren Beweggründe zu dem falschen Geständnis führten, womit sämtliche Voraussetzungen für die Wiederaufnahme infolge des Geständniswiderrufs erfüllt sind. (BGH NJW 77, 59.)
Die Rücknahme des Falschgeständnisses wird hiermit zudem ausdrücklich
wiederholt.
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2. Das anfängliche „Geständnis“
Die Urteilsfindung des Gerichts beruht in erster Linie auf dem Geständnis des
Antragstellers, das dieser im Rahmen der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen
Vernehmungen abgegeben hat.
Dieses „Geständnis“ wurde jedoch wahrheitswidrig abgelegt und entspricht
nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf. Der Antragsteller hatte bereits in
der Nacht vom 29. auf den 30.08.1995 im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung
wiederholt auf die Tatbeteiligung mehrerer unbekannter Männer
hingewiesen. Die vernehmenden Polizeibeamten KOK Groß und KK Dippold
hatten jedoch sämtliche Hinweise des Antragsstellers auf die wahren Täter als
Ablenkungsversuche zurückgewiesen und dem Antragsteller von Beginn an
suggeriert, dass er als Täter bereits feststehe. Im weiteren Verlauf wurde der
Antragsteller mit Drohungen, Suggestionen, Täuschungen und falschen Versprechungen
dazu gedrängt, wahrheitswidrig die (alleinige) Täterschaft an der
Tötung der beiden Opfer einzuräumen. Angesichts der von den Polizeibeamten
angedrohten Folge einer lebenslangen Freiheitsstrafe, sah sich der Antragsteller
– angesichts der ihm suggerierten Aussichtslosigkeit eines Bestreitens
und in der Hoffnung auf eine mögliche Milderung der Strafe – dazu gezwungen,
die Täterschaft in beiden Fällen wahrheitswidrig einzuräumen.
Ein Wiederaufnahmegrund liegt aber gerade vor, wenn ein Geständnis zu dem
Zweck abgelegt wird, eine höhere Bestrafung zu verhindern. (OLG Stuttgart,
NJW 99, 375)
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Bereits als die Polizei den Antragsteller nach der Hausdurchsuchung – zunächst
vermeintlich als „Zeugen“ - zur Vernehmung mitnahm, äußerte einer der Polizei-
beamten gegenüber der Mutter des Antragstellers, ihr Sohn werde für sehr lange
Zeit nicht mehr nach Hause kommen.
Auch der damalige Verteidiger des Antragstellers riet dem Antragsteller vor der Hauptverhandlung zu einem Geständnis und stellte ihm eine Strafmilderung
infolge von § 21 StGB in Aussicht. (siehe „Beweggründe“)
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum der Antragsteller erst am
05.11.1996 in seinem Brief an den VorsRiLG Dengler sein anfängliches
Falschgeständnis widerrief und das tatsächliche Geschehen schilderte.

3. Beweggründe des Falschgeständnisses
Zu der Ursächlichkeit falscher Geständnisse gibt es umfangreiche rechtspsycholo-
Gische Untersuchungen, die Erklärungsansätze für diese schwer nachvollziehbare
Problematik suchen.
In ihrem Aufsatz „Falsche Geständnisse: Warum unschuldige Menschen Verbrechen
gestehen, die sie nicht begangen haben“ erläutern die Psychologen Prof. Harald Merckelbach (Mitgründer und ehem. Dekan der psychologischen Fakultät an der Universität Maastricht) und Jennifer M. Schell-Leugers dieses Phänomen wie folgt:
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„Die Taxonomie falscher Geständnisse
(…) Risikofaktoren können vor allem im Bereich der Sozialpsychologie
wiedergefunden werden. Saul Kassin und Lawrence Wrightsman erstellten
im Jahre 1985 eine Taxonomie falscher Geständnisse mit drei
Kategorien: freiwillige falsche Geständnisse (voluntary), erzwungene
falsche Geständnisse (coerced-compliant) und erzwungene, internalisierte
falsche Geständnisse (coerced-internalized). Zu der ersten Kategorie
gehören Geständnisse, die freiwillig gemacht werden, zum
Beispiel um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Als im Jahre
1932 das Baby des berühmten Fliegers Charles Lindberg entführt
wurde, gestanden mehr als 200 Personen das Verbrechen. Viele waren
psychiatrische Patienten, die in ihren paranoiden Gedanken fest
davon überzeugt waren, dass sie der Täter sind. Ein anderer Grund
für diesen Typus von Geständnissen ist der Versuch jemanden zu decken.
Erzwungene Geständnisse entstehen unter Polizeidruck während einer
Vernehmung. Unschuldige Menschen gestehen Verbrechen, um
dieser Vernehmungssituation zu entkommen, ohne an die langfristigen
Konsequenzen zu denken. Oft werden solche Geständnisse durch Isolierung
der Verdächtigen sowie langen und konfrontationsreichen Vernehmungstechniken
ausgelöst. Ein Beispiel dafür ist der Central Park
Jogger Fall in New York im Jahre 1989. Fünf Jugendliche, die zwischen
14 und 30 Stunden lang vernommen wurden, gestanden am
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Ende eine brutale Vergewaltigung, die sie nicht begangen hatten. Sie
sagten später aus, dass sie einfach nur noch nach Hause wollten und
deswegen den Polizist/innen sagten, was sie hören wollten. Im Nachhinein
stellte sich heraus, dass alle fünf Jugendlichen unschuldig waren
(Drizin & Leo, 2004). Die dritte Kategorie, erzwungene, internalisierte
Geständnisse, beschreibt Geständnisse, die durch Polizeidruck
entstehen und von dem Unschuldigen als wahr anerkannt werden.
Diese unschuldigen Bekenner glauben dann wirklich die Tat begangen
zu haben. Dies passierte in Kiel im Jahre 2006 im Fall Schwertz.
Wolfgang Schwertz war von den Ermittlern so lange ‚weichgekocht’
worden, bis er einen Mord zugab, den vermeintlich sein ‚böses Ich’,
der ‚Wolf in ihm’ begangen hatte (Friedrichsen, 2010).“
Falschgeständnisse treten demnach unter anderem als Folge von Resignation
und Überforderung im Angesicht der erheblichen Drucksituation einer Vernehmung
auf. Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Beobachtungen
lässt sich auch die folgende Schilderung des Antragstellers nachvollziehen,
die er in einem Aufsatz zu seinen polizeilichen Vernehmungen veröffentlichte:
„Ich habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich abgestorben.
(…) Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
ich zum Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
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einfach hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen und gestanden.“
Die immense Drucksituation, in der sich der Antragsteller befand, lässt sich
anhand der Ermittlungsakte anschaulich nachvollziehen.
Bereits die vorläufige Festnahme (die offiziell ja keine solche gewesen sein
soll) im Rahmen eines großen Polizeiaufgebots von etwa 12 Polizeibeamten
kam einer Machtdemonstration gleich, die ihre einschüchternde Wirkung kaum
verfehlen konnte. Auch die nächtliche Vernehmung zog nicht ohne Grund eine
(erfolglose) Strafanzeige (11.08.2005) wegen Verdachts der Aussageerpressung
nach sich.
Im Folgenden werden beispielhaft kurze Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen
wiedergegeben, die verdeutlichen, dass der Antragsteller nicht nur
durch zahlreiche Suggestionen zu bestimmten Aussagen gedrängt, sondern
auch in unzulässiger Weise zu einem Geständnis genötigt wurde:
Die unzulässigen Vernehmungsmethoden der beiden Polizeibeamten und ihre
wahrheitswidrigen Behauptungen gegenüber M. Frey zeigen sich im Einzelnen
wie folgt:
Die Absicht und Kenntnis der Folgen der nächtlichen Vernehmung ist abzulesen
aus der Äußerung des KOK Groß:
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„…dann soll´n sie dich die ganze Nacht noch drücken. Du bist soweit,
daß des alles sagen könntest. Aber irgendwie etwas blockiert dich
noch.“ (Bl. 401 d.A.)
Nachweislich wahrheitswidrig behauptet KOK Groß:
„Sagen sie mir, wo sie sich getroffen haben? Wir haben Zeugen, dass
sie gesehen wurden. Also tun sie nicht rum.“ (Bl. 359 d.A.)
Schließlich forder KOK Groß ein falsches Geständnis mit den Worten:
„Nichts drum rum und nicht was du geseh´n hast!
Nach Aktenlage gibt es im Vernehmungszeitpunkt nicht den geringsten Anlass
anzunehmen, dass die Tat nicht von einem Mitglied der Rockergruppe „Bat´s“
verübt wurde oder zumindest jemand von diesen bei der Tat anwesend war.
Trotzdem forderte KOK Groß von M. Frey eine Aussage, in der Mitglieder der
Rockergruppe nicht mehr vorkommen.
Daraufhin fordert KK Dippolt von M. Frey:
„Erzähl, erzähl wie´s war und versuch net jetzt wieder irgendjemanden
da mit reinzuziehen. Erzähl jetzt deine Geschichte, so wie sie war.
Aber wirklich und wahr jetzt und versuch bitte net wieder eine dritte
Person mit reinzuziehen.“ (Bl. 400 d.A.)
Vorher gesteht KOK Groß sogar doch die Beteiligung einer weiteren Person
zu und bestätigt somit Vorweginformationen gehabt zu haben:
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Wir wissen viel mehr. Wir wissen viel mehr schon. Und das stimmt
nicht. Das stimmt nicht, es war schon noch einer dabei, aber net so,
wie du es erzählt hast. Ganz anders.“ (Bl. 382 d.A.)
Schließlich war es M. Frey dann völlig verboten, von weiteren Tatbeteiligten zu
sprechen:
Groß: „Jetzt sind wir im Bereich vom Tatort. Wir kommen hin und da
fehlt was anderes, Phantasiepersonen sind da.“ (Bl. 401 d.A.)
Dippold: „Lass mal die Weg.“ (Bl. 401 d.A.)
Nach allgemeinen Erkenntnissen resultieren Geständnisse daraus, dass der
Vernommene seine Strategie zur Stressbewältigung aufgibt und nach anfänglichen
Bemühungen resigniert. M. Frey schildert die Situation wie folgt:
„Ich habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich abgestorben.
(…) Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
ich zum Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
einfach hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen und gestanden.“
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Auf die Bemühungen des Antragstellers, ein Strafverfahren wegen der verbotenen
Vernehmungsmethoden in die Wege zu leiten, reagierte die Staatsanwaltschaft
Bamberg mit Beschluss v. 02.11.2005 mit der folgenden Feststellung:
Bei der Vernehmung durch die Polizei handele es sich „allenfalls“ um unzulässige
Vernehmungsmethoden. Allerdings liege in unzulässigen Vernehmungsmethoden
keine strafbare Aussageerpressung, weshalb von der Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werde. (Bl. 401 f. d. A.)
Auch der damalige Verteidiger des Antragstellers riet dem Antragsteller zu einem
Geständnis und stellte ihm eine Strafmilderung infolge von 21 StGB in
Aussicht. Der Antragsteller schilderte dies später in seinem Aufsatz „Mandantenverrat“
(der Name des Verteidigers wird nachfolgend mit S. abgekürzt):
„Als S. mich zum zweiten Mal aufsuchte, erklärte ich ihm eindringlich
und unmissverständlich, dass ich die beiden mir zur Last gelegten
Morde nicht begangen habe und schilderte ihm den tatsächlichen
Hergang, soweit er mir bekannt war. S. entgegnete mir jedoch, dass
die Spuren sowie die Beweislast keinerlei Hinweise enthalten würden,
die meine Schilderungen bestätigen könnten. Nachdem ich verurteilt
war, stellte sich heraus, dass die Akten randvoll mit Entlastungsfakten
und -Hinweisen waren, die exakt meinen Schilderungen entsprachen!
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Um den Tatvorwurf mir gegenüber zu entkräften, legte S. großen Wert
darauf, nicht von Mord, sondern lediglich von Totschlag zu reden. Angeblich
hätte dies auch die Staatsanwaltschaft so gesehen. In der
Verhandlung sei sogar erst noch zu klären, ob es sich womöglich -
speziell im ersten Fall - "nur" um Körperverletzung mit Todesfolge
handeln würde.
Weiterhin erklärte er, dass ihm die beiden Opfer bekannt gewesen wären,
da er selbst bereits mit Lucia Vacca zu tun hatte (in wie fern auch
immer).
So wie schon vorher die Herren der Kripo und Prof. Dr. Rösler, versuchte
auch S., mir die Realität auszureden um mir zu suggerieren,
ich hätte ein Verhältnis mit Lucia Vacca angestrebt und mich dann irgendwie
in die beiden Taten verrannt. Dazu versuchte er, mir L.
Vacca in langatmigen Schwärmereien schmackhaft zu machen, als
ginge es darum, mir den Mund mit einem Stück Steak wässrig zu machen.
Wie auch schon vorher bei der Kripo und Prof. Dr. Rösler, lehnte
ich dies entschieden ab. Nebenbei sei auch darauf hingewiesen, dass
in den Akten von Anfang an absolut glaubwürdige Belege zu finden
sind, die jegliche Beziehungsgeschichten ausschließen.
Daraufhin fuhr S. fort, vom Ergebnis des psychologischen Gutachtens,
das Prof. Dr. Rösler kurz zuvor von mir erstellt hatte, zu sprechen.
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Seiner Aussage nach habe Prof. Dr. Rösler mir den § 21 zugesprochen.
Dieser Paragraf*) enthält die Vorschriften über die verminderte
Schuldfähigkeit (aus welchen Gründen auch immer). Somit hätte ich -
laut S. - allerbeste Chancen, lediglich für Körperverletzung mit Todesfolge
und Totschlag im minderschweren Fall mit „nur“ maximal sechs
bis sieben Jahren davon zu kommen. Diese - so S. - müsse ich nicht
im Gefängnis absitzen, da mir der § 21 Anspruch auf einen Therapieplatz
gewähren würde (vgl. z.B. Fall Mollath, Fall U. Kulac!). Da ich
mich bereits für zwei Morde, die ich nicht begangen hatte, bis an mein
Lebensende unschuldig hinter Gittern sitzen sah, wirkte diese Erklärung
auf mich wie ein warmer Sonnenaufgang. Ich habe mich von S.
tatsächlich mit dieser dreisten Lüge völlig einnehmen lassen. Ich hatte
nicht mehr den geringsten Zweifel daran, einen guten Verteidiger hinter
mir stehen zu haben auf den ich mich voll verlassen kann.“
Darüber hinaus gab der Antragsteller in seinem (im Folgenden abgedruckten)
Brief an den VorsRiLG Dengler an, am Tag nach dem Vorfall in Teuchatz einen
Anruf von einem der mutmaßlichen Täter erhalten zu haben, der ihm
drohte, ihn und seine Familie zu töten, wenn er eine entsprechende Aussage
machte.
Diese Häufung an Bedrohungen vermittelte dem Antragsteller, allein ein Geständnis
könne seine, von ihm als aussichtslos empfundene, Lage verbes
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sern. Dies verwundert auch nicht, da offensichtlich war, wie wenig selbst den
Ermittlungsbehörden an umfassender Untersuchung der Taten gelegen war.

4. Tatsächlicher Geschehensablauf
Im Folgenden wird die handschriftliche Beschreibung des Antragstellers über
den tatsächlichen Geschehensablauf (Seiten I – XVII) wiedergegeben.

a) Geschehen zum Nachteil des F. Appel
Den Abend des 20. August 1995 schildert der Antragsteller in dem Brief an
den VorsRiLG Dengler als Tatzeit der Tötung des F. Appel. Wie sich Jahre
später herausstellen sollte, handelte es sich bei der fremden Person, die der
Antragsteller für F. Appel hielt jedoch um einen unbekannten Dritten. Die entsprechenden
Ausführungen erfolgen ebenfalls in diesem Kapitel. Da es sich
bei der Person nach der damaligen Überzeugung des Antragstellers jedoch
unzweifelhaft um F. Appel handelte, entspricht die folgende Schilderung seinen
Wahrnehmungen vom Geschehen zur Tatzeit.
„L. Vacca brauchte einen Fahrer, der ihren Ex-Freund F. Appel abholen
würde. Daher überredete sie mich innerhalb von scheinbar mehreren
Stunden F. Appel unter dem bekannten Vorwand in Gaustadt abzuholen.
Sie erzählte mir, F. Appel habe noch Material, (womit sie irgendwelche
Drogen meinte) das ihr gehören würde. Weiterhin erzählte
sie, sie selbst müsse diese Drogen bezahlen, oder falls sie es nicht
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verkaufen könne wieder zurück bringen. Da sich L. Vacca selbst nicht
in der dominanten Rolle sah von F. Appel Geld, bzw. die Drogen zurück
zu fordern, arrangierte sie ein Treffen direkt zwischen F. Appel
und denjenigen, bei den sie diese Schulden hatte. Dabei erkannte sie
zugleich auch die Chance F. Appel aus Rache auch gleich dazu eine
Abreibung zu verpassen, indem er ohnehin zur Erpressung der Forderungen
Prügel beziehen würde. Ich selbst glaube jedoch nicht dass
diese Idee auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist, da ich schon aus ihren
früheren Äußerungen heraus nicht den Eindruck hatte, dass sie F.
Appel irgendwie etwas Derartiges antun wollte. Auch erklärte sie F.
Appel wäre ein „Feigling“, worauf sie auch vermutete dass F. Appel
zur Erpressung kaum Prügel beziehen müsse. Natürlich fragte ich, wer
diese Freunde wären, oder ob ich sie vielleicht sogar persönlich kennen
würde. Worauf mir L. Vacca erzählte, sie würde diese Leute
schon sehr lange kennen und sie hätte größtes Vertrauen, da sie ihr
auch schon früher oft geholfen hätten.“(…)
„Zuerst lehnte ich noch mit der Ausrede, ich hätte kein Auto, ab. Daher
stellte sich L. Vacca vor, ihre Idee ganz einfach spät in die Nacht zu
verschieben. Genau an diesem Punkt fehlte mir die Fähigkeit, wie
schon so oft in meinem Leben zuvor, ganz einfach „NEIN“ zu sagen.
Ich hatte auch keine Ausrede mehr parat. So kam es dass mich L.
Vacca ohne mich eigentlich direkt nach meiner Zustimmung zu fragen
in ihr Vorhaben mit einplante. Noch am selben Nachmittag verwirklich
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te sie ihren aktuellen Plan, indem sie per Telephon ihre Freunde und auch
F. Appel verständigte.“ (…)
Der Antragsteller schildert sodann, er habe auf L. Vacca´s Anweisung hin den
(vermeintlichen) F. Appel in Gaustadt abgeholt und sei mit ihm in die Bamberger
Hafengegend gefahren, wo die Freunde der L. Vacca mit einem BMW bereits
warteten. Hinter dem schwarzen BMW habe ein weiterer PKW geparkt,
an dem ein weiterer Unbekannter gelehnt habe. Dieser Unbekannte sei auf
das Auto des Antragstellers zugekommen und habe sich mit „F. Appel“, der
ihm offenkundig bekannt gewesen sei, unterhalten. Der Unbekannte habe den
Antragsteller sodann aufgefordert, dem BMW zu folgen. Der Antragsteller
schilderte, er sei von dieser Anweisung überrascht worden, da er ursprünglich
lediglich mit L. Vacca vereinbart habe, F. Appel am Hafen abzuliefern. Er sei
jedoch der Anweisung des Fremden nachgekommen und dem BMW nach
Teuchatz gefolgt.
„Irgendwann hielt der BMW an und die Leute stiegen aus. F. Appel
und auch ich wussten zwar nicht was los war und wie es nun weiter
gehen sollte, doch offensichtlich waren wir angekommen (wo auch
immer) und so stiegen auch wir aus. Spätestens an diesem Punkt
zweifelte ich an der Richtigkeit meines Dazutuns zur Ausführung der
Idee L. Vacca´s. Denn eigentlich sollte deshalb ausgerechnet ich F.
Appel abholen und zum vereinbarten Treffpunkt in das Hafengebiet
bringen, weil L. Vacca´s Überlegungen nach F. Appel diese BMWFreunde
kannte und daher sofort davonlaufen würde, sobald er sie
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sehen würde. F. Appel machte nicht den Eindruck dass er sich bedroht
fühlen würde und davonlaufen wolle. So nahm ich an dass L.
Vacca ihre Idee vielleicht geändert haben könnte oder womöglich sogar
tatsächlich irgendwo sein könnte. (…)
(…) Der ganze Haufen, einschließlich Appel ging gemeinsam ohne
jegliche Erklärung den Feldweg zu Fuß weiter. Ich war sehr verunsichert
und wusste nicht ob ich endlich wieder nach Hause gehen könnte,
denn es hätte schließlich sehr wahrscheinlich sein können, dass
ich wieder jemanden mitnehmen müsste. Ich wusste auch nicht wen
ich jetzt fragen könnte, oder ob ich vielleicht ohne jegliches wieder ins
Auto einsteigen sollte um wieder nach Hause zu fahren. Also schloss
ich mich der Gruppe an, hielt mich jedoch eher etwas zurück, da ich
ohnehin nicht mehr wusste was weiterhin noch geschehen sollte. Außerdem
rechnete ich auch damit dass es jeden Moment eine Prügelei
geben würde, zwischen deren Fronten ich nicht geraten wollte.
Es wurde ein paar Meter den Feldweg entlang mehr spaziert als gegangen.
Irgendwann hielt die Gruppe an und einer dieser BMW-Leute
fragte F. Appel, ob er F. Appel wäre. F. Appel bejahte, darauf schlug
ihn ein anderer BMW-Typ der irgendwo hinter Appel stand, irgendwie
von hinten auf den Kopf. F. Appel ging in die Knie, schrie kurz auf (…)
und fragte was das soll. Appel wurde an den Haaren wieder hochgehoben.
Es wurde viel geschimpft, viel geschrien und Appel bekam immer
wieder Schläge oder Ohrfeigen ins Gesicht, oder sonst wie auf
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den Kopf. Ich zog mich etwas zurück, weil ich mir das nicht ansehen
wollte. Ob im Geschrei über Geld, oder Drogen gestritten wurde kann
ich heute nicht mehr sagen. Ich weiß auch nicht ob außer dem Beil
noch weitere Waffen benutzt wurden und ich kann auch nicht mit Bestimmtheit
sagen ob alle, oder nur einzelne auf F. Appel einschlugen.“
(…)
Als F. Appel am Boden lag, fing eine Person aus der Gruppe an mit
einem Gegenstand sehr heftig auf seinen Kopf einzuschlagen. Da ich
dies für maßlos übertrieben hielt, ging ich dazwischen und packte den
Täter am Arm. Als dieser mich allerdings davon stieß und erneut zum
Schlag ausholte ging ich ein zweites Mal dazwischen und hielt mich
verkrampft an dem Gegenstand fest. Als ich wieder weggestoßen
wurde, riss ich im Sturz das Beil aus seiner Hand und warf es anschließend
seitlich in den Wald.“
Im Anschluss habe laut der Schilderung des Antragstellers die Gruppe einen
lautstarken Streit angefangen, in dessen Folge der „Wortführer“ den Antragsteller
aufgefordert habe, gemeinsam mit einer weiteren Person zu der Wohnung
des F. Appel zu fahren, um diese nach etwas zu durchsuchen. Auf dem
Weg zur Wohnung habe der unbekannte Beifahrer jedoch darauf bestanden,
auszusteigen und sei, nachdem er dem Antragsteller versehentlich nicht nur
die Schlüssel des F. Appel, sondern auch seinen eigenen Schlüssel gegeben
habe, mit dem Hinweis verschwunden, er werde nachkommen.
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Nachdem der Antragsteller vergeblich auf seinen Begleiter gewartet habe, habe
er die Wohnung des F. Appel verlassen und sei zum Bamberger Krankenhaus
gefahren, wo er den verletzten F. Appel vermutet habe. Nachdem allerdings
kein dunkler BMW auf dem Parkplatz des Krankenhauses gestanden
habe, sei er schließlich zurück nach Teuchatz gefahren, wo er nur noch einige
Gegenstände und eine Leiche vorgefunden habe.
„Ich stand dann ewig untätig in der Gegend herum und wusste nicht
was ich jetzt tun sollte und wie ich mich verhalten sollte. Sicherlich
denke ich heute anders darüber, aber damals sah ich mich ganz klar
und ohne jeden Zweifel als mitschuldig an Appels Tod und somit auch
als Mittäter vor dem Gesetz. So sah ich mich damals genötigt die Leiche
F. Appel´s zu verstecken, was ich dann auch tat.“
Am nächsten Tag sei er zu L. Vacca gefahren und habe von ihr erfahren, einer
der „BMW-Freunde“ habe ihr telefonisch versichert, dass alles in Ordnung sei
und F. Appel bei einem Freund in Hof in einer Hütte eingesperrt sei.
„Auch wenn ich selbst zu Appels Tod nicht Hand anlegte, so stand für
mich ganz klar fest dass man mich genauso als Mörder mit einsperren
würde wie alle aus dem restlichen Haufen auch. (…) Ich wusste überhaupt
nicht, wie ich mit der ganzen Sache umgehen sollte und ich war
mit diesem Geschehen maßlos überfordert. Das Einzige das ich tun
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konnte, war mich Tag für Tag immer wieder mal bei L. Vacca zu melden
um zu sehen ob sich die Situation verändert hatte.“

b) Geschehen zum Nachteil der Lucia Vacca
Sodann führt der Antragsteller aus, er habe sich in den folgenden Tagen noch
mehrfach bei L. Vacca nach F. Appel erkundigt, sie habe ihm jedoch versichert,
er befinde sich nach wie vor in der Hütte und werde demnächst freikommen.
Der Antragsteller schilderte, er habe sich nicht getraut, der L. Vacca
von seinen Beobachtungen zu berichten, obgleich er stets die Hoffnung gehabt
habe, sie werde es erfahren und mit ihm zur Polizei gehen.
„Irgendwann sagte sie mir, sie würde ihre Freunde in der Bar treffen,
in der sie arbeitete und dann erfahren wie es F. Appel gehen würde.
Sie bestellte mich Nachts pünktlich 1.00 Uhr an den Parkplatz am alten
Krankenhaus, wo sie mir dann vom Verbleib F. Appel´s erzählen
würde, während ich sie heimfahren sollte. (…) Als sie am Parkplatz ins
Auto stieg, sagte sie dass sie zuerst nochmal kurz wohin müsste, bevor
sie nach Hause wolle, ohne jedoch genauer zu erklären wer, oder
was. (…) Natürlich fragte ich nach F. Appel, denn er war schließlich
der Hauptgrund meines Kommens, doch sie sagte nur sie habe ihre
Freunde getroffen und sie haben ihr erzählt dass er inzwischen in einem
Krankenhaus wäre, da er etwas Probleme mit dem Drogenentzug
hätte. Also wusste L. Vacca offensichtlich immer noch nichts von F.
Appel´s Tod. (…) Als wir in Buttenheim ankamen erfuhr ich, dass L.
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Vacca ihre BMW-Freunde noch einmal treffen wollte. Ich fing an mich
mit ihr zu streiten, da ich nichts mit diesen Typen zu tun haben wollte
und ich nicht mal in deren Nähe kommen wollte, schon gar nicht in der
Abgeschiedenheit in der wir uns befanden. (…)
L. Vacca maulte mich an, es wären ihre besten Freunde auf die sie
sich absolut verlassen könnte, sie wären die Leute (…) denen sie ihr
ganzes Leben und noch so vieles Andere zu verdanken hätte. Auf
meine Frage, ob sie denn keine Sorgen um F. Appel hätte, da doch alles
sehr mysteriös war, schrie sie mich an ich solle mich aus ihrer Sache
raus halten. Dann einigten wir uns darauf dass ich sie bereits vorher
auf der Landstraße aussteigen lasse, da sie bis zum BMW gehen
könne und sie auch von ihren Freunden nach Hause gefahren werden
kann. So stieg sie aus und ich fuhr verärgert über ihre Arroganz nach
Hause.“
Am nächsten Tag sei der Antragsteller zum Haus der Familie Vacca gefahren,
um sich nach L. Vacca zu erkundigen und habe von deren Mutter erfahren, L.
Vacca sei seit letzter Nacht verschwunden. Der Antragsteller schildert, er sei
in böser Vorahnung erneut nach Buttenheim zu der von L. Vacca geschilderten
Scheune gefahren und habe dort nach kurzer Zeit die Leiche der L. Vacca
neben einer Hecke liegend gefunden.
„So war ich jetzt noch viel tiefer in eine Sache mit zwei Leichen verschlungen,
mit der ich doch im Grunde überhaupt nichts zu tun haben
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wollte. Außerdem war mit L. Vacca´s Tod meine einzige Hoffnung in
einer Verhandlung über F. Appel´s Tod möglichst günstig davon zu
kommen, zunichte gemacht. Denn L. Vacca hätte meine nebensächliche
Rolle in ihrem Plan und ihre mir schließlich unbekannten Freunde
bestätigen können. Auf keinen Fall wollte ich nun für deren beiden Tod
ins Gefängnis gehen. Auch wusste ich nicht wie ich gegenüber der
Gesellschaft dieses Geschehen erklären sollte. Über den Schrecken
nun auch L. Vacca tot vorzufinden, nahm ich mir nicht die Zeit über
das was geschehen ist nachzudenken. Bereits mit F. Appel´s Tod
wusste ich nicht wie ich umgehen sollte. So versteckte ich die Leiche
L. Vacca´s und warf alles in die Hecke was sonst noch auf dem Feld
herum lag. (…) Bevor ich ging legte ich auch bei ihr, genau wie bei F.
Appel ein Wäschestück über den Kopf.“ (…)
Im Laufe dieses Tages rief mich eine mir unbekannte Person zu Hause
an und forderte mich zu einem Treffen auf, bei dem über L. Vacca
und F. Appel gesprochen werden sollte. Damit im Falle einer polizeilichen
Vernehmung keine Fehler unterlaufen, sollten im Voraus die
Aussagen abgesprochen werden. Da ich an solch einem Treffen allerdings
kein Interesse hatte und stattdessen zur Polizei gehen wollte,
fing der Unbekannte an mir damit zu drohen, mich und meine Familie
umzubringen. Da ich von sowas nichts hören wollte legte ich auf. (…)
Hier im Gefängnis traf ich jemanden, der mir erzählte (…) dass ich in
jedem Fall schon tot wäre, wenn ich noch draußen in Freiheit wäre.“
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5. Der Aufsatz „Die verschwundene Leiche“
Darüber hinaus folgt nun die bereits angekündigte berichtigende Darstellung
des Antragstellers selbst, durch die wörtliche Wiedergabe dessen veröffentlichten
Aufsatzes (einschließlich der mitveröffentlichten Anmerkungen des Vaters
des Antragstellers, Rudolf Frey) mit dem Titel „Die verschwundene Leiche“.
Diese berichtigende Darstellung war dem Antragsteller nach eigenem
Bekunden nur aufgrund der Akteneinsicht möglich, die ihm erst nach etwa 7
Jahren der Haft gewährt wurde. Der Aufsatz verdeutlicht nicht nur, dass es
sich, den Darlegungen des Antragstellers folgend, bei dem Beifahrer nach
Teuchatz nicht um F. Appel gehandelt hat, sondern dass, dem Antragsteller
folgend, aufgrund der Ermittlungen Hinweise auf die möglichen Täter unberücksichtigt
blieben:

„Die verschwundene Leiche
Mit folgender Erklärung zum Tatgeschehen kann ich verdeutlichen,
dass die Kripo Bamberg mit der Staatsanwaltschaft einen weiteren
Mord, der im Rahmen der Morde an F. Appel und L. Vacca verübt
wurde, geheim hält und die Täter deckt.
Am Sonntag, den 20. August 1995 traf ich mich mit L. Vacca vor dem
Wohnhaus ihrer Eltern. Sie erzählte mir lange und ausführlich von der
Strafanzeige, die sie gemeinsam mit ihrem Vater gegen F. Appel geSeite
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stellt hätte. Dazu von irgendwelchen Drogengeschichten und in diesem
Zusammenhang von ihren „guten, alten Freunden“.
Die Beziehung zwischen L. Vacca und F. Appel ging im Streit auseinander
und so ergaben sich Konflikte, bei denen es sich um Geld und Drogen drehte.
Diese „guten, alten Freunde“ sagten ihr dabei ihre Unterstützung zu und so bat
mich L. Vacca noch am späten Abend desselben Tages F. Appel abzuholen, um
ihn zu einem Treffen mit diesen Freunden zu fahren. Also im Grunde keine große
Sache, zumal ich ohnehin nichts weiter zu tun hatte.

Ein unverwechselbares Datum
Das Datum, dieser 20. August 1995, steht absolut und unabänderlich
fest! Sowohl die Eltern L. Vacca´s als auch Mieter des Hauses konnten
diesen Tag, als ich mit L. Vacca vor dem Haus auf einer Treppenstufe
saß, mit absoluter Sicherheit und damals zeitnah bestätigen. Darüber
hinaus gab es weitere, glaubwürdige Zeugen. Eine Verwechslung
dieses Zeitpunktes ist vollkommen unmöglich.

Die Bierdose
Ich ging lange Zeit davon aus, dass diese Person, die zu mir ins Auto
stieg, tatsächlich F. Appel gewesen ist. Den habe ich vorher nie gesehen.
Es gab für mich keinen Grund, etwas anderes anzunehmen. DerSeite
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jenige, den ich für F. Appel hielt, öffnete eine Bierdose. Als sie leer
war, verbeulte er sie und warf sie in den Fußraum des PKW´s. Später
wollte ich diese Dose immer wieder mal entsorgen, aber ich habe es
ständig darauf vergessen. Im Rahmen der Spurensicherung gewinnt
diese Dose an Bedeutung.
„Gute, alte Freunde“
Wir trafen diese „guten, alten Freunde“ wie vereinbart an. Sie saßen
zu fünft in einem schwarzen BMW (vermutlich 5-er Baureihe). Einer
dieser Freunde rief uns zu, wir sollten ihnen hinterher fahren und so
folgten wir ihnen, ohne zu wissen, wo es eigentlich hingehen sollte.
Außerhalb von Zeegendorf bog dieser BMW links in einen Feldweg ab
und hielt an.
Offensichtlich kannte „Pseudo- Appel“ diese Leute gut. Als er bei mir
aus dem Auto ausstieg, ging er direkt auf sie zu. Sie begrüßten sich
alle wie alte Bekannte und verschwanden in der Nacht.
Zeuge (Zwischenbemerkung)
Schon auf dem Weg in Richtung Zeegendorf zeigte mein unbekannter
Beifahrer keinerlei Bedenken, obwohl es doch ca. 15 km außerhalb
von Bamberg lag. Diese Sorglosigkeit wundert mich heute nicht mehr.
In den Ermittlungsakten liegt die Aussage eines Zeugen vor, der L.
Vacca auf dem Foto in der Zeitung als gute Bekannte identifiziert hat.
Er gab am 29.08.1995 um 12.05 Uhr zu Protokoll an: Ich habe gestern
gg. 10.00 Uhr eine Anhalterin von Bbg. nach BT gefahren. Sie wollte
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weiter nach Berlin. Ich habe gerade die Zeitung gelesen und habe das
Bild gesehen. ..."

Gewaltausbruch
Zunächst blieb ich ratlos auf dem Feldweg bei den PKW´s zurück,
währenddessen Pseudo-Appel gemeinsam mit diesen „guten, alten
Freunden“ in der Dunkelheit verschwand.
Ich folgte der Gruppe schließlich nach und konnte nach einigen Augenblicken
erkennen, dass unter diesen Leuten eine Prügelei ausgebrochen
war. „Wer mit wem/gegen wen“, war in der Dunkelheit der
Nacht nicht zu erkennen. Jedoch ging ich davon aus, dass es „F. Appel“
war, auf den eingeprügelt wurde. Als ich mich ins Geschehen mit
einmischte, ging ich selbst zu Boden und es brach zwischen diesen
“guten, alten Freunden“ Streit aus. Irgendwer schubste irgendwen
und es wurde viel herumgeschrien. Offenbar war die Situation aus
dem Ruder gelaufen.
Derjenige, der am meisten herumgeschrien hat, tat sich aus für mich
unbegreiflichen Gründen irgendwie als Wortführer hervor. Er wies einen
aus der Gruppe an mit mir zu F. Appel´s Wohnung zu fahren (es
ging um irgendwelche Drogen). Natürlich ist mir heute schleierhaft,
warum man sich von einem unbekannten Vollidioten herumkommandieren
lässt - nur weil er am lautesten herummotzen kann. Die ganze
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Situation war eben außer Kontrolle geraten und er war dem Schein
nach der Einzige, der noch sagen konnte, wo es langgehen sollte.

Der Typ G. S.
Bei diesem Typen, der dann auf dem Weg zu Appels Wohnung bei mir
im Auto saß, handelte es sich um G. S. Ich kannte zum damaligen
Zeitpunkt seinen Namen noch nicht. Bei der Vernehmung durch die
Kripo habe ich ihn jedoch mehrmals genau beschrieben und ich konnte
auch sagen, wo ich ihn vorher schon gesehen habe. Obwohl die
Kripo-Beamten sehr genau wussten, von wem ich sprach, bestritten
sie mir gegenüber seine Existenz und beschimpften mich als Lügner.

Der Schlüsselbund
Auf dem Weg zu F. Appels Wohnung sprachen wir beide kein Wort.
Zurück in der Bamberger Innenstadt stieg G. S. aus dem Auto aus und
erklärte, später nachkommen zu wollen. Tatsächlich setzte er sich
aber ab. Ihm war der Vorfall offenbar zu heiß. Er übergab mir den
Schlüssel zu F. Appels Wohnung. Aus Versehen übergab er mir dabei
aber auch seinen eigenen Schlüsselbund. An diesem Schlüsselbund
hing u.a. ein Haustürschlüssel, ein Autoschlüssel und ein Motorrad-
Schlüssel. Später lag dieser Schlüsselbund bei mir zu Hause herum.
Wenn nicht später die Kripo-Beamten mehrmals von sich aus danach
gefragt hätten, hätte ich diese Schlüssel völlig vergessen. Ich habe
meine Eltern gleich beim ihrem ersten Besuch bei mir im Gefängnis
gebeten, diesen Schlüsselbund bei der Polizei als eindeutig entlasten
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de Beweisspur hin zu den Tätern abzugeben was sie dann auch getan
haben.
(Anmerkung: Den Schlüsselbund habe ich sofort am nächsten Tag in
der Polizeidirektion einem bestimmten Beamten übergeben, in meiner
Dummheit und dem Glauben an Korrektheit in einem Rechtsstaat keine
Quittung dafür bekommen und auch keine verlangt. Der Bund
ist nicht in ein Sicherstellungs-/ Spurenverzeichnis aufgenommen,
nicht vom LOStA als Fundstück nach allgemein bekannten Regeln behandelt
worden. Folgerichtig; denn der Schlüsselbund ist nämlich sofort
spurlos „verschwunden“. Ich konnte beobachten, dass der mir bekannte
Eigentümer/Be-sitzer dieser Schlüssel sich danach sofort wieder
in gewohnter Weise verhielt. Das alles wurde mir aber erst später
bewusst. Trotz allem verfüge ich über ein Schriftstück, das den Vorgang
„belastbar“ beweist. Mit Erläuterungen dazu ist es zuverlässig hinterlegt.
(Rudolf Frey Vater des Antragstellers)

Der Leichenfund
Nachdem ich fremdbestimmt und völlig sinnlos in F. Appels Wohnung
herumgesessen und erfolglos versucht habe, verschiedene Freunde
telefonisch zu erreichen, bin ich wieder zurück zum Ort des Geschehens
gefahren. Schließlich fand ich am Tatort eine Leiche.
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Viele Jahre lang ging ich davon aus, dass es sich bei diesem Toten
um F. Appel gehandelt hätte. Es kam mir noch nicht einmal ansatzweise
in den Sinn, dass es sich dabei um eine andere Person gehandelt
haben könnte: Tatsächlich kann es sich bei dieser Leiche
aber nicht um F. Appel gehandelt haben!
Das Opfer wies keinerlei für mich sichtbare Verletzungen auf, die größeren
Blutverlust verursacht hätte. Die Spurensicherung der Kripo hat
umfangreich, der Landgerichtsarzt mit chemischen Mitteln nach Blutspuren
gesucht, jedoch nichts finden können.
Hingegen war F. Appel´s Leiche regelrecht zerhackt. Auch Appel´s
Blut wurde nicht gefunden, daher sprach die Spurensicherung im Fall.
„F. Appel“ auch immer vom „Auffindeort der Leiche“.
Für mich stand immer fest, dass es F. Appel war, der dort von diesen
„guten, alten Freunden“ Prügel bezogen hat - und nachdem ich eine
Leiche gefunden habe, schloss ich daraus, dass F. Appel während ich
zu seiner Wohnung fuhr, an seinen Verletzungen starb. Tatsächlich
könnte auch jemand aus der Gruppe der „guten, alten Freunde“ verprügelt
worden sein.
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In der Finsternis der Nacht konnte ich keine Personen unterscheiden.
Ich weiß noch nicht einmal, wer derjenige war den, ich im Auto dorthin
gefahren habe. Ich habe ihn nie kennengelernt.
Tatzeitpunkt des dritten Mordes
Am Zeitpunkt des Geschehens gibt es keinerlei Zweifel. Eine Vielzahl
von absolut zuverlässigen Zeugen, sowie kriminologischen Fakten bestätigen
unabänderlich den 20. August 1995 als Tatzeitpunkt. Auch das Gericht hat
diesen Termin im schriftlichen Urteil bestätigt.
Laut Ermittlungsakten (Bl. 621) stellt die Staatsanwaltschaft jedoch
fest, dass F. Appel am 23. August 1995 noch lebend gesehen wurde.
Auch der Obduktionsbefund der Gerichtsmedizin spricht im Fall “F.
Appel“ von einem Todeszeitpunkt, der wesentlich nach dem 20. August
liegt. F. Appels Leiche wurde erst am 26. August 1995 gefunden.
So stellen sich also zwangsläufig die Fragen
- wer war dieses unbekannte Opfer?
- wo ist die Leiche geblieben und
- wann hat man die Leiche gegen F. Appel´s Leiche ausgetauscht?

Die Kripo Bamberg und der LOStA Müller-Daams
Obwohl sich gegen mich - Matthias Frey - aus den Ermittlungsakten
nicht der allergeringste Anfangsverdacht ergibt, wurde ich (angeblich
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als Zeuge!) durch eine bewaffnete Kripo-Bande in meiner Wohnung
überfallen und verschleppt.
Man hat ohne richterlichen Beschluss bei mir und bei meinen Eltern
Hausdurchsuchungen durchgeführt und den PKW meines Vaters beschlagnahmt.
Es hätte andere Zeugen und Verdächtige! gegeben,
bei den solche Maßnahmen vielleicht noch verständlich gewesen wären.
Aber mit welchem Argument konnte die Kripo rechtfertigen, ausgerechnet
mich unter derartigen Voraussetzungen festzunehmen?
(Anmerkung:
Für die Hausdurchsuchung hat man sich schon in aller Frühe bei der
Gemeinde die Grundrisspläne besorgt, gegen 13.30 h das Haus umstellt.
War damit keine Gelegenheit, sich innerhalb (längstens!) einer
Stunde einen Durchsuchungsbefehl ausstellen zu lassen? Da „recht“-
fertigt man dann mit „Gefahr in Verzug“! Welche Gefahr? Hätte man
den Durchsuchungsantrag dem Richter schlüssig begründen können,
ihm offenbaren, dass mein einen Schlüsselbund zurückhaben muss?
Warum hat man nicht angegeben, wonach überhaupt gesucht wird!
Warum ist kein Zeuge zugezogen worden? Warum hat man kein Protokoll
gefertigt? Warum hat man ca. zehn (in Worten: Zehn!) Polizeibeamte
für eine (so hinterher durch die Staatsanwaltschaft angegeben!)
Zeugenvorladung gebraucht?
Rudolf Frey)
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V-Mann
Die verantwortlichen Beamten der Kripo Bamberg (N.N.) sowie der
Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams waren durch ihren V-Mann
bestens informiert (deshalb wurde auch dem eigentlich zuständigen
Staatsanwalt nach dem Bericht an das Ministerium!) sofort die Sachbearbeitung
entzogen) und so wusste man von meiner Anwesenheit
beim vertuschten Mordfall am 20. August 1995 bei Teuchatz.
G. S. war ja sogar selbst Polizist. Als er in der Tatnacht des 20. August
1995 auf dem Weg zu Appel´s Wohnung, in der Bamberger Innenstadt
bei mir aus dem Auto ausstieg, lag das Polizeirevier schon
beinahe auf geringe Sichtweite entfernt. Dass er aus Versehen seinen
eigenen Schlüsselbund gemeinsam mit F. Appel´s Wohnungsschlüssel
an mich übergab, konnte die Kripo nur von G. S. persönlich erfahren
haben. Zum einen wollte G. S. natürlich seine für ihn vermutlich
im Auto verlorenen Schlüssel wieder zurück haben. Zum anderen ist
ein solcher Beweisgegenstand eine Bombe. Deshalb hat die Kripo ohne
jegliche Rechtsgrundlage zu meiner Verhaftung auch gleich den
PKW beschlagnahmt und durchsucht. Es ging dabei nicht um ehrlich
gemeinte Ermittlungen und Spurensuche! Zur Verschleierung des tatsächlichen
Tatgeschehens war es dringend geboten, sämtliche Spuren
zu verwischen und Beweisgegenstände verschwinden zu lassen.
(Anmerkungen: Schließlich wurde kein einziges Spurenmaterial ausgewertet,
nicht die Bierdose, Fingerprints, Faserspuren, DNA-Material,
……. Die Jacke des Appel usw! R. Frey)
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Spurensicherung
Mit einer vollkommen normalen Spurensicherung hätte man im PKW
auf dem Beifahrersitz die DNA von F. Appel und G. S. finden müssen.
Obwohl in den die Ermittlungsakten eine gründliche Untersuchung der
Spurensicherung suggeriert ist wurde keine DNA sichergestellt und
untersucht. Auch die verbeulte Bierdose wurde nicht einmal im Sicherstellungs-/
Spurenverzeichnis aufgeführt. Wenn sogar diese Bierdose
verschwinden musste, um einen DNA-Nachweis zu verhindern, dann
stellt sich mir die Frage nicht mehr ob es denn überhaupt F. Appel
war, der zu mir ins Auto eingestiegen ist!
Meine Glaubwürdigkeit
Das deutsche Volk ist von seiner Justiz meist dermaßen überzeugt,
dass man einem unschuldig Verurteilten schnell unterstellt, er würde
durch erlogene Ungereimtheiten lediglich den Kopf aus der Schlinge
ziehen wollen.
Ich sitze bereits seit 1995 im Gefängnis und kann also die Jahre meiner
Haft bereits in Jahrzehnten angeben.
Da ich auf meiner Unschuld bestehe, werde ich als „nicht geständig“,
„schulduneinsichtig“, „nicht strafeinsichtig“ bezeichnet. Man macht
mir auch zum Vorwurf, dass ich mich nicht am Therapie-Zirkus beteili
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ge. Dort erwartet man nämlich schuld-bewusst weinende Straftäter.
Damit kann ich aber nicht dienen.
Mithäftlinge, die zum Teil erst mehrere Jahre nach meiner Verurteilung,
genauso wie ich als Mörder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt
wurden, wurden inzwischen schon wieder als „resozialisiert“ und
therapiert“ aus der Haft entlassen – oder sie stehen kurz davor. Mir
hingegen gewährt die JVA noch nicht einmal die geringsten Haftlockerungen.
Stattdessen wurde mir von der Strafvollstreckungskammer
Bayreuth die Mindestverbüßungsdauer meiner Strafe ohne sachgerechte
Überprüfung meines Falles auf zunächst mindestens 27 1/2
Jahre verlängert. Wenn ich nach Ablauf von fast drei Jahrzehnten
noch immer nicht den reuigen Sünder spiele, werde ich bis an mein
Lebensende im Gefängnis sitzen. Kann man mir also unterstellen, ich
will mir mit Lügenmärchen den Kopf aus der Schlinge ziehen?
Wohl kaum!
Matthias“  (Zitat Ende)

6. Erheblichkeit des Falschgeständnisses für die Urteilsfindung
Den Gründen zufolge beruhte das Urteil im Wesentlichen auf dem „Geständnis“
des Matthias Frey. Das Gericht kam „aufgrund der eigenen Einlassung
des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, (…)“ zu der Überzeugung,
dass sich Herr Frey der angeklagten Taten schuldig gemacht hat. Zudem
führt die Kammer auf, sie ist aufgrund der durchgeführten Beweisauf-
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nahme davon überzeugt, dass die beiden Taten weitgehend so geschehen
sind, wie sie vom Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung vom 1. September
1995 beschrieben und in der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter
am 4. September 1995 überwiegend bestätigt worden sind. Diese Aussagen
wiederum sind im Zusammenhang zu sehen mit dem polizeilichen und ermittlungsrichterlichen
Aussagen vom 29. und 30. August 1995.“ (UA, S. 29)
Die Aussagen des Verurteilten zum Tötungsdelikt im Fall F. Appel wurden
überwiegend aus den Ermittlungsakten entnommen. In seiner Einlassung zur
Klageschrift hat M. Frey, auf dringendes Anraten seines damaligen Verteidigers,
auf die Akten verwiesen und auf Vorhalt immer wieder erklärt „wenn es
so in den Akten steht, wird es schon stimmen“. Zum Fall L. Vacca gab der Antragsteller
wiederholt die Erklärung ab, er könne dazu nichts sagen, er habe
die Erinnerung daran verdrängt. Als Erkenntnisquelle für das Gericht konnte
somit nur das bei der Polizei abgegebene Falschgeständnis dienen.
Unabhängig von den bereits geschilderten Beweggründen, die ursächlich für
das Falschgeständnis des Antragstellers waren, ist noch auf einen anderen
wesentlichen emotionalen Aspekt hinzuweisen. Der Antragsteller hat sowohl
dem Unterfertigten gegenüber, als auch in zahlreichen Briefen (siehe Vollstreckungsheft
IV und V) betont, er fühle sich schuldig.
Diese Schuld bezieht sich jedoch nicht auf die ihm angelasteten Taten, die er
nicht begangen haben kann. Vielmehr empfindet der Antragsteller eine Mitschuld
an den Geschehnissen, da er aus seiner Sicht durch sein Verhalten
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meint dazu beigetragen zu haben, ohne es freilich zu wollen, dass die Taten
für die tatsächlichen Täter überhaupt möglich wurden. Im Fall F. Appel liegt
die Erklärung für die empfundene Mitschuld auf der Hand: der Antragsteller
wirft sich bis heute vor, auf den Vorschlag der L. Vacca eingegangen zu sein
und sich mit dem vermeintlichen F. Appel verabredet zu haben. Dies erklärt
auch, warum der Antragsteller, als er bei seiner Rückkehr nach Teuchatz die
Leiche fand, diese spontan versuchte, zu verstecken. Er hatte Furcht davor,
als Tatbeteiligter mit für die Tötung verantwortlich gemacht zu werden.
Noch schwerer wiegen jedoch seit Jahren die Vorwürfe, die sich der Antragsteller
hinsichtlich der Tötung der L. Vacca macht. Er ist überzeugt, er hätte
die Tat verhindern können, wenn er sich rechtzeitig getraut hätte, L. Vacca
von den Vorgängen in Teuchatz zu berichten und mit ihr zur Polizei zu gehen.
In diesen Vorwürfen erschöpft sich jedoch gleichzeitig die vermeintliche
Schuld des Antragstellers.

7. Bewertung der Vernehmungen und der Einlassungen in der Hauptverhandlung
Der Antragsteller erhielt sein Falschgeständnis bei der Polizei vor allem in
Hinblick auf die Aussage seines damaligen Verteidigers aufrecht, er werde
aufgrund eines Geständnisses einen „Bonus“ und damit eine mildere Freiheitsstrafe
erhalten. Diese Möglichkeit brachten auch die Polizeibeamten Groß
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und Dippolt zur Sprache (s.o.). Darüberhinaus hat der Antragssteller aufgrund
der Aussage seines Verteidigers darauf vertraut, dass entsprechend der Beiziehung
eines Gutachters Indikatoren für eine Anwendung des § 21 StGB vorliegen
würden. Zudem ließ er sich, nach seinem glaubhaften Bekunden, von
der Aussage seines damaligen Verteidigers unmittelbar vor Verhandlungsbeginn
beeinflussen: „Herr Frey, lassen sie endlich diese ominösen Dritten, sonst
kann ich nichts mehr für sie tun.“
Die Zugehörigkeit der Opfer zur Drogenszene sprach der Antragssteller deswegen
in der Hauptverhandlung nicht an, da ihm die erbetene Rücksicht auf
das Andenken der Opfer und das Leid der Angehörigen bei der Urteilsfindung
zu Gute kommen würde.

8. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Der Wegfall von Beweismitteln ist eine Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5
StPO (Gössel LR Rn 65; Schlüchter Rn 770.1). Dies gilt insbesondere auch für
den Widerruf eines Geständnisses des Verurteilten (OLG Stuttgart NJW
1999, 375; OLG Hamm NStZ 1981, 55; OLG München NJW 1981, 593; OLG
Köln StV 1989, 98; vgl auch Eschelbach JA 1999, 701).
Den erhöhten Anforderungen an die Darstellung eines Geständniswiderrufs im
Wiederaufnahmeverfahren wurde im vorangegangenen Kapitel vollauf genügt.
Es wurde dargelegt, wie es zu dem Falschgeständnis kam und wie sich der
tatsächliche Sachverhalt aus Sicht des Antragstellers tatsächlich dargestellt
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hat. Im Übrigen ist umfangreich dargetan, warum der vom Gericht aufgrund es
Falschgeständnisses angenommene Sachverhalt aufgrund der Ermittlungsakte
schlicht unmöglich zutreffend sein kann.
Die Verantwortlichkeit des Antragstellers für die ihm zur Last gelegten Taten,
ließ sich objektiv zu keinem Zeitpunkt nachweisen und wurde nur angenommen,
weil sich das Tatgericht in der Beweiswürdigung nicht mit den entlastenden
Tatsachen und Indizien der Ermittlungsakten auseinandergesetzt hat.
Bei Berücksichtigung des Geständniswiderrufs ist deshalb davon auszugehen,
dass eine erneute Verurteilung auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse
schlechterdings ausgeschlossen wäre.

III. Weitere neue Tatsachen, § 359 Nr. 5 StPO

1. Wiederaufnahmegrund

Es wird auch in diesem Zusammenhang der Wiederaufnahmegrund des
§ 359 Nr. 5 StPO geltend gemacht.
Neben den zuvor bereits ausgeführten Tatsachen, die das unmittelbare Tatgeschehen
betrafen, waren im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auch zahlreiche
Erkenntnisse gewonnen worden, die zu einer anderen Beurteilung des
Falles hätten führen müssen. Die Ursache für die fehlende Berücksichtigung
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der vorgebrachten Tatsachen dürfte auch in diesem Fall vielfältig sein. 

Die Unstimmigkeiten, die sich aufgrund der Zeugenaussagen ergeben hatten,
hätten den Ermittlungsbehörden jedoch schon zur damaligen Zeit Anlass für
weitergehende Untersuchungen der Taten geben müssen und sind, da auch
sie keine Berücksichtigung im Urteil fanden, als neue Tatsachen von entscheidender
Bedeutung.
Auch die folgenden Ausführungen verdeutlichen, dass bei entsprechender
Würdigung der angeführten Tatsachen eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung
angezeigt gewesen wäre. Eine Verurteilung hätte auch vor diesem
Hintergrund nicht erfolgen können, weshalb sich die fehlende Berücksichtigung
der angeführten Tatsachen zu Lasten des Antragstellers auswirkte.

2. Der Fall F. Appel

a) Eklatant einseitige und unzureichende Ermittlungen
Wie bereits in anderen Zusammenhängen ausgeführt, ist den Akten deutlich
zu entnehmen, dass es im Rahmen der Ermittlungen zahlreiche Hinweise auf
andere Beteiligte am Tatort gab, denen jedoch nicht nachgegangen wurde.
Was die Beweggründe der Ermittlungsbehörden für ihr einseitiges und nachSeite
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lässiges Vorgehen gewesen sein mögen, entzieht sich der Kenntnis des Ver-
fassers. Die Einseitigkeit der Ermittlungen ist jedoch insbesondere im Hinblick
auf die Unterlassung des Nachgehens hinsichtlich aller aktenkundigen Hinweise,
die eine Verbindung der Taten zur Drogenszene und zu den Motorradgangs
Bat´s und Arrows (die möglicherweise an Drogengeschäften beteiligt waren)
nahelegen, eklatant.
Der Antragsteller gab zuletzt in seinem Schreiben an VorsRiLG Dengler und in
seinem Aufsatz „Die verschwundene Leiche“ an, einer der Unbekannten Tatbetei-
ligten sei nach der gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihm zur Wohnung
des F. Appel gefahren, sei allerdings kurz zuvor ausgestiegen und habe
ihm lediglich den Schlüssel des F. Appel übergeben, wobei er versehentlich
auch seinen eigenen Schlüssel überreicht habe. Diesen Schlüsselbund übergab
später der Vater des Antragstellers der Kriminalpolizei (siehe Anmerkung
Rudolf Frey zu besagtem Aufsatz). Ein Protokoll über Vernehmungen zu diesem
Schlüsselbund findet sich jedoch nicht in den Akten. Auch sonst ergibt
sich aus der Ermittlungsakte keinerlei Hinweis auf den Eigentümer des
Schlüsselbundes. Die Tatsache, dass die Kriminalpolizei offenkundig keine
Hinweise auf den Inhaber des Schlüsselbundes aktenkundig machte, beförderte
naturgemäß die Vermutung des Antragsstellers, dass es sich bei dem
Unbekannten in der Tat um einen V-Mann der Polizei gehandelt haben könnte,
der mit dem Drogendezernat zusammen arbeitete. Dies würde dann auch
erklären können, warum die Polizeibeamten in der ersten Vernehmung des
Antragstellers anklingen ließen, Informationen zum Tatablauf zu haben.
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Die Äußerungen des KOK Groß während der Vernehmung deuten jedenfalls
darauf hin, dass er bereits Informationen hatte und auch, dass er von mehreren
Beteiligten ausging:
„Sie waren dabei .... Es waren noch viel mehr dabei gewesen. ... Sie
können uns da auch nichts vormachen." (BI. 361)
Darüber hinaus wurde im Verlauf der kriminalpolizeilichen Ermittlungen am
30.08.1995 in einem Müllcontainer am Sylvanersee in Gaustadt ein Geldbeutel
aufgefunden, der eindeutig dem Frank Appel zugeordnet wurde. Dies wirft
die Frage auf, wem der (weitere) schwarze Geldbeutel gehörte, der beim Auffinden
der Leiche des F. Appel (Bl. 18 d. A.) unter anderem aufgefunden worden
war. Bis heute ist völlig ungeklärt, wem dieser Geldbeutel gehörte. Es
wurde im Übrigen weder eine genaue Beschreibung des Geldbeutels noch eine
Auflistung des darin befindlichen Inhalts vorgenommen. Auch wurden weder
die vernommen Zeugen, noch M. Frey über den Geldbeutel befragt. Eine
Herausgabe dieser Geldbörse an Familie Frey oder Familie Appel-Ferchichi ist
den Akten ebenfalls nicht zu entnehmen. Es ist also davon auszugehen, dass
der Geldbeutel einer weiteren unbekannten Person gehörte.
Darüber hinaus erfolgte laut Ermittlungsakten auch keine Untersuchung des
Computers, der in F. Appels Wohnung gefunden worden war. Bei einem Kapitalverbrechen
des hiesigen Ausmaßes wäre eine möglichst umfangreiche Aufklärung
des Sachverhalts zwingend geboten gewesen. Ein Geständnis entbinSeite
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det die zuständigen Behörden keineswegs von ihrer Pflicht zu sich aufdrängender
Beweiserhebung (Meyer-Goßner, Einl. Rd. 119 e).

b) Aussage des Zeugen D. D. (Bl. 278 ff d. A.)
Von besonderer Brisanz ist darüber hinaus die Aussage des Hauptbelastungs-
Zeugen D. D. Den Angaben des Zeugen Diegel kommt besondere Bedeutung zu,
da das Gericht ihn als Hauptbelastungszeugen für glaubwürdig befand, obwohl seine Aussage in vielfacher Hinsicht in Zweifel zu ziehen war.
Gemeinsam mit dem Zeugen V., erschien D. D. am Abend des 29.08.1995 gegen
23:00 Uhr bei der Polizeiinspektion Bamberg. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kriminalpolizei den Antragsteller vorläufig festgenommen.
Es ist kaum nachvollziehbar, warum gegen den Zeugen D.l zu keinem
Zeitpunkt ermittelt wurde, da er zu beiden Opfern in einem Verhältnis stand,
aufgrund dessen er als Verdächtiger einer Beziehungstat durchaus in Betracht
gekommen wäre. D. schilderte sein Verhältnis zu den beiden Opfern folgendermaßen:
"Frank Appel kenne ich seit etwa 1989. Früher waren wir sehr gute Freunde. Seit etwa 1991 haben wir uns zerstritten. Meine damalige Freundin, A.G., zog damals zum Appel nach Hallstadt. Ich habe dann die Andrea fast täglich mit unserem gemeinsamen Kind in der Wohnung Appel in Hallstadt
besucht, damit die Andrea ihr Kind sehen konnte. Ich konnte dann A.überreden,
daß sie wieder zu mir nach Hirschaid zieht. Später ist dann unsere Beziehung
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in die Brüche gegangen und sie hat den Diller aus Dörfleins geheiratet.
Es war so, daß ich mit dem Frank Appel einfach keinen Kontakt mehr
hatte. Wenn ich ihn sah, habe ich schon kurz mit ihm geredet. Etwa
1990 lernte ich die Lucia Vacca im "Jailhousen kennen. Da war sie mit einer
Freundin. Ich habe sie dann angesprochen, ob sie mit zum Frank Appel in
die Wohnung geht. Das hat sie gemacht. Bei dieser Gelegenheit lernte sie
dann den Frank Appel kennen und liebte ihn wohl auch. Er hat sie auch geliebt.
Ich habe mich mit der Lucia gut verstanden. Wenn wir uns getroffen haben,
konnten wir uns gut unterhalten. Das hat dem Frank überhaupt nicht gefallen.
Er war sehr eifersüchtig. Immer wenn er erfahren hatte, daß ich mich mit
der Lucia unterhalten hatte, bekam die Lucia Streß mit ihm. Es war so, daß
er sie auch öfters geschlagen hat. Das hat mir jedenfalls die Lucia erzählt.“
Im Folgenden zeigt sich, dass die Aussage des Zeugen D. bereits in sich wider-
sprüchlich war:
D. äußert nämlich zunächst:
,,Sie erzählte, daß der Typ und noch andere den Frank in ein Auto
nach Hof verbracht hätten. Dort hätten sie ihn in einer Hütte einge-

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sperrt. ... Wir haben dann nicht mehr über den Frank geredet." (BI.
280 Abs. 4).
und:
„Die Lucia hat mir erzählt, daß der Frank mit dem Fahrrad nach
Gaustadt gefahren war. Das war an dem Tag, wo die Typen ihn mit
dem Auto weggebracht hatten." (BI. 284 Abs. 2)
Schließlich gab D. an:
„Zusammenfassend möchte ich nochmals sagen, daß die Lucia mir tatsächlich
erzählt hat, daß sie einen Typen gefunden habe, der dem Frank einen Denkzettel verpassen würde. Ich habe dies aber zunächst nicht besonders ernst genommen.
Erst als ich erfahren habe, daß der Frank tot ist, ist mir bewusst geworden, daß ihre Aussage echt war. Ich weiß nicht genau, ob der Typ, mit dem sie bei mir im Kranken-
haus war, auch derjenige ist, der die Sache für sie gemacht hat. Ich glaube aber,
daß es so ist." (BI. 283 Abs. 2)
Innerhalb der Aussage D.s gibt er an, von einem einzelnen möglichen Täter
Kenntnis zu haben, bezieht sich jedoch mehrfach auf eine Gruppe von Tätern.
Schließlich wird die Aussage des Zeugen D. gänzlich unglaubwürdig, als er sich
selbst versucht, ein falsches Alibi zu verschaffen. D.l gab zunächst
an, er sei vom 25.08. bis 28.08.95 mit dem Zeugen V. bei einem Konzert
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der Rolling Stones in Luxemburg gewesen. Im Laufe seiner Aussage gestand
er ein, dass es sich dabei um eine falsche Angabe gehandelt hatte, da er sich
während der ganzen Zeit in Bamberg aufgehalten habe. Auch der Zeuge V.
(Bl. 290 d. A.) bestätigte, dass das falsche Alibi abgesprochen gewesen sei.
Wie vor diesem Hintergrund den Aussagen des Zeugen D. noch Glauben ge-
schenkt werden konnte ist höchst fragwürdig.
Ein Zeuge mit Tatmotiv, der widersprüchliche Angaben macht, Täterwissen
offenbart und – ohne „Not“ – zunächst ein falsches Alibi ins Spiel bringt , ein
solcher Zeuge muss zum Gegenstand weiterer polizeilicher Ermittlungen in
einer laufenden Kapitalstrafsache werden. Er wurde es aber nicht.
c) Unstimmigkeiten aufgrund von Zeugenaussagen
Das Gericht hat darüber hinaus auch vollständig außer Acht gelassen, dass im
Zusammenhang mit verschiedenen Zeugenaussagen erhebliche Zweifel an
dem angeklagten Tatablauf hätten aufkommen müssen.
Der Zeuge L. (Nachbar des F. Appel) hatte angegeben, kurz vor dem Verschwinden
des F. Appel häufig einen dunkelroten PKW VW Passat vor dem Anwesen gesehen
zu haben. Der Passat habe ein Wuppertaler Kennzeichen gehabt. (Bl. 103 d. A.)
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Dem Zeugen Sachs (ebenfalls Nachbar des F. Appel) folgend, stand dieser
PKW schon mindestens drei Tage vor dem besagten Freitag auf dem Parkplatz
vor dem Haus. (Bl. 97 d. A.)
Einen solchen PKW besaß H. M., ein Freund des F. Appel. Es wurde aber nur Frau
M als Zeugin (telefonisch) befragt. Sie gab an, der PKW ihres Mannes sei bei F. Appel stehen geblieben, weil sie ihren Mann immer abgeholt habe, nachdem er getrunken
habe. (Bl. 106 d. A.)
Der Zeuge S. beschrieb M. folgendermaßen: (Bl. 96 d. A.) „ca. 170 cm, normale Figur, glatte, kurze, dunkle Haare, helles Hemd.“
Es fällt auf, dass diese Beschreibung auch auf die Person zutrifft, die in der vermeint-lichen Tatnacht aus F. Appels Wohnung kam. Der rote PKW wurde letztmals in der Nacht 19./ 20.08.95 vor dem Anwesen gesehen. (Bl. 97 d. A.)
Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang der Kontakt des Herrn M. zur Motorrad-gruppe „A“ (Bl. 107 d. A.) von erheblicher Bedeutung:
Frau M.r stritt damals jeglichen Kontakt ihres Mannes zu der Motorradgang ab. Als G. M. jedoch infolge seines Drogenkonsums starb (20.11.2006), wurde in der Zeitung „Fränkischer Tag“ ein Nachruf auf ihn veröffentlicht, der vom A. MC stammte.
Der Kontakt zu den A. muss der Soko Frank wohl auch bekannt gewesen sein, da die Soko damals Ermittler der zivilen Fahndungsgruppe extra für Ermittlungen hinzugezogen hatte. Dennoch fanden offiziell keine Ermittlungen Richtung
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von Motorradgangs statt, obwohl der Antragsteller in seiner anfänglichen
Vernehmung mehrmals Hinweise auf einen „N.N.“ – ein Mitglied der anderen Motorradgang – gegeben hatte. In seiner Aussage vom 16.03.1999 erklärte
der Antragsteller, hinter dem BMW habe ein älterer VW Passat gestanden,
dessen Fahrer dann zu den anderen Beteiligten in den BMW gestiegen sei.
Hierbei könnte es sich um M. gehandelt haben.
Darüber hinaus wurde das Protokoll über die Vernehmung von S. K. dem Gericht
gänzlich vorenthalten und befindet sich nicht in den Akten. Frau. K. war die Schwe-
ster der A. D. die Mutter eines Kindes von D. D.. Auf der Fahrt zur Dienststelle nach
der (faktischen) Festnahme des Antragstellers, fuhren die Polizeibeamten an verschie-denen Adressen vorbei, in denen Bekannte von L. Vacca wohnten, obgleich die Adressen
nicht auf dem Weg zur Dienststelle lagen (Vermerk Schlussbericht der Polizei, Bl. 653 d. A.). Bei der Adresse von Fr. Kilic stiegen zwei der Beamten aus, um Fr. Kilic zu ver-nehmen. Ein Protokoll zu dieser Vernehmung wurde jedoch nie in die Akten aufgenom-
men. Frau K. ist inzwischen ebenfalls infolge ihres Drogenkonsums verstorben. L. Vaccas Kontakte zur Drogenszene hätten durch die Aussage der S. Kilic möglicherweise beleuchtet werden können.
Nicht zuletzt hatte der Antragsteller während seiner Vernehmungen mehrfach
vergeblich auf die Kontakte beider Opfer zur Drogenszene hingewiesen. (Bl.
16, 56 und 221 d. A.).
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Die Soko „Frank“ bestand nach hiesiger Kenntnis überwiegend aus Beamten
aus dem Drogendezernat. Dennoch wurden in der Vernehmung des Antragsstellers
jegliche Hinweise auf die Drogenszene vehement abgelehnt. (vgl. etwa
Bl. 356, 357 und 375 d. A.) Umso auffälliger ist es, dass ausgerechnet die
Aussage einer Zeugin aus diesem Umfeld nicht in den Akten zu finden ist.

d) Das Psychologische Gutachten
Auch das psychologische Gutachten des Prof. Dr. M. Rösler hätte bei erforder-
liCher Würdigung durch das Gericht keineswegs genügen dürfen, um die
Schuldfähigkeit des Antragstellers zweifelsfrei anzunehmen.
Der Antragsteller wurde zunächst nach dem ersten Gespräch mit Prof. Dr. M.
Rösler als psychiatrisch unauffällig eingestuft.
Prof. Dr. Rösler kam hier zu dem folgenden Befund:
„… Grundstimmung wirkt über weite Strecken eher ausgeglichen und
kühl. (…) Er wirkt bisweilen vergleichsweise wenig gemüthaft ansprechbar,
verschanzt sich dann hinter verschiedenen Berichten aus seinem Leben, die
in fast prosaischer Weise vorgetragen werden.“ (Bl.745 d. A.)
Weiter wird ausgeführt, dauerhafte Bindungen des Antragstellers beschränkten
sich auf die Familie, insbesondere seine Mutter. (Bl. 746 d. A.) …
Zur Frage der Schuldfähigkeit erläutert Prof. Dr. Rösler:
„(…) dass bei vorläufiger und vorsichtiger Würdigung derzeit weder unter
konstellativen, noch unter habituellen Gesichtspunkten begründbare Zweifel
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am vollen Umfang der strafrechtlichen Verantwortungsfähigkeit des Beschuldigten formuliert werden können.“
Der damalige Verteidiger des Antragstellers teilte dem Gericht mehrfach (u.a.
in Schreiben vom 26. März 1996, Bl. 870 d. A.) mit, dass der Antragsteller
nach dem gutachterlichen Gespräch mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Rösler
seinen Eltern und seinem Verteidiger gegenüber geäußert habe, er habe
falsche Angaben gemacht und wisse selbst nicht warum. (Bl. 870 ff.)
Diese Verhaltensweise des Antragstellers zieht sich durch das Verfahren und
wird von ihm nicht zuletzt in zahlreichen Briefen (siehe: Vollstreckungsheft IVV)
immer wieder geschildert. Vor dem Hintergrund der folgenden Begutachtung
erscheint dieses Verhalten durchaus relevant. … Prof. Rösler stellte in diesem Zusammenhang erneut fest, er halte ein sexuelles Interesse des Antragstellers an
L. Vacca für ausgeschlossen. Im Übrigen könne man aufgrund der erneuten Ex-
Ploration „…mit einiger Sicherheit feststellen, dass sich die diagnostischen
Feststellungen über den Zustand des Probanden weiter verdichtet haben. …
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Letztlich erklärt Prof. Rösler, dass aus seiner Sicht nichts gegen die strafrechtliche Verantwortlichkeit spreche. Diesem Untersuchungsergebnis schloss sich die Kammer
(UA S. 42 ff.) an, … .
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Die Ausführungen der Kammer erschöpfen sich diesbezüglich in einer reinen Wieder-
gabe er Passagen aus dem Gutachten. …
Auch haben sich weder Gutachter, noch Gericht damit auseinandergesetzt, dass die häufigen Falschdarstellungen dem Antragsteller im Nachhinein selbst unerklärlich erschienen … .
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3. Fall L. Vacca

a) Wusste die Polizei von L. Vacca´s Tod vor deren Auffinden?
Die Lektüre der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung des Antragstellers
drängt zu der Annahme, dass der Polizei bereits vor der Vernehmung des An
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tragstellers Informationen zugetragen worden waren, wonach L. Vacca bereits
getötet worden war.. So wurde der Antragsteller bei seiner ersten Vernehmung
beispielsweise gefragt (Bl. 361 ff. d.A.):
Wo du (zu)letzt zusammen warst mir ihr“ und „die hat zuviel gewusst“.
Zu diesem Zeitpunkt war die Leiche der L. Vacca jedoch noch nicht gefunden
worden und der Antragsteller hatte auch die Tat noch nicht „gestanden“. Die
Ausdrucksweise des KOK Groß, wenn er sagt „die hat zuviel gewusst“, lässt
allerdings Rückschlüsse darauf zu, dass ihm der Tod der L. Vacca zu diesem
Zeitpunkt offenbar schon bekannt war.

b) Spermaspuren wurden nie auf andere mögliche Verdächtige untersucht
(Rechtsmedizinisches Gutachten Prof. Dr. Patzelt, Bl. 850ff)
In Scheide und Mastdarm der L. Vacca wurde Sperma gefunden, dessen DNA
jedoch ausschließlich daraufhin untersucht wurde, ob Übereinstimmungen mit
der DNA des Antragstellers festzustellen seien. In dem rechtsmedizinischen
Bericht war schließlich lediglich zu lesen, es sei keine entsprechende Fremd-
DNA nachweisbar gewesen. (Bl. 850 ff). Wenn an der Leiche der L. Vacca
derartige Rückstände festgestellt werden konnten, deutet dies darauf hin, dass
sie vor ihrem Tod ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt haben muss.
Samenzellen lassen sich aufgrund des sauren Scheidenmilieus nur bis etwa
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48 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr durch Vaginalabstrich nachweisen.
(Ingo Wirth, Kriminalistiklexikon, S. 596) Allerdings liegt aufgrund des ungeschützten
Geschlechtsverkehrs die Annahme nahe, dass sich auch Spuren in der Unterwäsche
des Opfers hätten finden lassen. Diese wurde jedoch gar nicht erst untersucht.
Es ist daher davon auszugehen, dass L. Vacca entweder zu später Stunde mit
einem der Männer im Gasthaus „Mondschein“ oder aber vor der Scheune in Butten-
heim Geschlechtsverkehr gehabt haben muss. Die Zeugin M. (Bl. 155) hatte angegeben, sie habe den ganzen Tag mit L. Vacca verbracht und es habe vor ihrer spätabendlichen Verabschiedung im „Mondschein“ keine Gelegenheit zu Intimitäten gegeben.
Eine Untersuchung der DNA an der Unterwäsche der L. Vacca hätte möglicherweise
Aufschluss darüber gegeben, wenn L. Vacca in der besagten Nacht an der Scheune
in Buttenheim noch getroffen hat und damit wären möglicherweise Erkenntnisse über
die wahren Täter gewonnen worden.

c) Ignorierte Hinweise auf eine „Tätermehrheit“
Darüber hinaus berichteten zahlreiche Zeugen, von einer Tätermehrheit im
Fall L. Vacca Kenntnis zu haben. L. Vacca war zuletzt in der Gaststätte
„Mondschein“ gesehen worden (Zeugin M., Bl. 158 d. A.). Keine der beschrie-
benen männlichen Personen, mit denen L. Vacca dort gesehen wur de, passt
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auf den Antragsteller. Eine Lichtbildvorlage bei der Zeugin M. erfolgte ebenfalls nicht, obwohl sie dies ausdrücklich anbot. (Bl. 158 d. A.)
Dass auch die Kriminalpolizei Hinweise auf eine Tätermehrheit hatte, wird aufgrund
der folgenden Äußerung des KOK Groß in der späteren Vernehmung zum Fall L. Vacca deutlich:
„(…) mitgenommen hast, habt (!!!) sie versteckt gehalten.“ (Bl. 370 d. A.) Besonderes Gewicht kommt den Aussagen der Zeugin Metzner (Bl. 158 ff. d. A.) und der Aussage
des M.( Bl. 232 d. A.) zu.
M. Vacca gab an, in den einschlägigen Kreisen sei bereits am Freitag nach der
Ermordung seiner Schwester bekannt gewesen, dass L. Vacca tot sei. Laut Protokoll
heisst es zu der Aussage des M. weiter: „Dazu soll gesagt worden sein, daß man da-
rüber nicht reden solle, da mit diesen Leuten, die das gemacht hätten, nicht zu spaßen sei.", fährt das Protokoll fort.
Diese Angaben sind insofern von besonderer Bedeutung, als zum Zeitpunkt der
Aussage des Zeugen M. bereits in der Öffentlichkeit bekannt war, dass der Antragsteller ein Geständnis abgelegt hatte. Auch von einer Freundin von D. Diegel, habe M. das folgende erfahren: „Eine Frau F. weiß in er Sache mehr. Sie hat Angst. Den Tod … sollen mehr Personen verursacht haben." (Anh. BI. 237, Aktenvermerk v.13.10.95) Dieser Hinweis
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wurde erledigt mit dem Vermerk: „Keine relevante Spur. Hinweis ebenfalls Gerücht.
Informationen F. nur von Drittpersonen und eigener Meinung."
Über die Zeugin M. gab Zeuge M. an, er habe von ihr erfahren, dass sie mit L. Vacca zuletzt zusammen gewesen sei. Aufgrund dessen habe sie Angst. Sie sei der Meinung, dass „die Leute, die die Lucia Vacca umgebracht hätten, sie möglicherweise auch umbringen könnten.“
Im Übrigen gab M. an, dass: „alles was er hier wüsste von der Zeugin M. stamme und
die ihm auch gesagt hätte, dass sie Angst habe die Leute könnten ihr was tun."
(Anhang, BI. 235)
Wenn die Zeugin M. keine über die Ermittlungen hinausgehenden Kenntnisse hatte,
so ist nicht nachvollziehbar, warum sie am 11.10.1995 noch Angst hätte haben sollen.
Der vermeintliche Täter, der Antragssteller, war zu diesem Zeitpunkt ja längst gefasst.
Die Zeugin M. hatte offenbar den Verdacht, es handele sich um andere Täter etwa aus
der Szene oder um die unbekannten Männer mit denen L. Vacca an ihrem letzten Abend im „Mondschein“ Streit gehabt hatte.
Laut Protokoll hatte L. Vacca noch am Donnerstag vor ihrem Tod „so etwa zwischen
23.45 und 24.00 Uhr" (M.) eine Unterhaltung mit einem ihr offenbar bekannten Mann begonnen. Die Zeugin M. beschrieb diese Kontaktperson folgendermaßen:
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„Es handelte sich um einen Mann, ca. 28 - 30 Jahre alt, ca. 180 cm groß, nor-
Male Statur, lange, über die Schultern reichende, mittelbraune Haare. Die Haare
waren ausgefranst und fettig. Er hatte einen mittelbraunen Schnurrbart. Bekleidet
war er mit einer schwarzen Jeans und einem weißen T-Shirt. Außerdem waren mir
ein silberner Ohrring im linken Ohr, eine silberfarbene Gürtelschnalle mit einem
Bullenkopf und ein silberfarbenes Halskettchen aufgefallen." (BI. 158 Mitte). Diese Unterhaltung der L. Vacca bestätigte auch der Zeuge S. sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes, als hinsichtlich der Gesprächspartner (es kamen noch zwei weitere hin-
zu; BI. 175 Zeile 7 und 8).
Der Zeuge S. gab an, sich gegen 24:00 Uhr von L. Vacca verabschiedet zu haben.
(BI. 174 Abs. 4).
Laut der Zeugin M. sei es zwischen den drei Männern und L. Vacca zu einer laut-
starken Auseinandersetzung gekommen, in deren Ablauf L. Vacca einen der Männer
laut als „Arschloch“ bezeichnet habe. Gegen 01.00 Uhr sei die Zeugin M. dann allein gegangen. Dies passt auch zu den Angaben des Antragstellers, der erklärte, L. Vacca gegen 01.00 Uhr getroffen zu haben. (Bl. 475)
Außerdem ist im Protokoll über die Vernehmung der M. (81. 163 unten) nachzulesen:
„ Anschließend wird ihr auch der sichergestellte Gürtel und die Gürtelschnalle
des Frank Appel vorgelegt. Sie gibt an, daß der Typ, den die
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Lucia am 24.08.95 im „Mondschein" getroffen hat und mit dem sie sich
über eine Stunde unterhalten hat, genau die gleiche Gürtelschnalle
getragen hatte. Sie gibt an, daß diese Gürtelschnallen sehr schwierig
zu bekommen sind und sie sie vom Rodeoreiten, was sie selbst auch
macht, kennt.“
Die Aussage A. M.'s, „daß diese Gürtelschnallen sehr schwierig zu bekommen
sind und sie sie vom Rodeoreiten, was sie selbst auch macht, kennt."
ist eine zentrale Erkenntnis für die Polizei: M. muss unter den aufgezeigten
Voraussetzungen den von ihr beschriebenen Gesprächspartner der L. Vacca
gekannt haben. Rodeoreiten war zum damaligen Zeitpunkt nicht weit verbreitet
und wurde in der Gegend um Bamberg hauptsächlich von Mitgliedern der A´s oder
der B´s praktiziert, die in ihrem Vereinshaus einen Rodeostall betrieben. Die Zeugin M. müsste den Unbekannten daher gekannt haben.
Dass die Zeugin M. offensichtlich aus Furcht bestimmte Tatsachen in ihrer Aussage
bei der Polizei verschwieg zeigt sich auch in folgendem Zusammenhang:
Die Zeugin M. kannte den Zeugen  C.  Als sie nach ihm unter Lichtbildvorlage gefragt wurde, (Bl. 161 d. A.), gab sie zwar an, dass es sich dabei um den „Matze“ (!) handle, verschwieg jedoch, dass auch dieser an besagtem Abend in der Bar „Mond-schein“ gewesen war. Dies gab C. später
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jedoch selbst an. (Bl. 147 d. A.) Auch auf die Frage, ob L. Vacca in letzter
Zeit Kontakt zu A. C. gehabt habe, log die Zeugin M.:
„Ob sie derzeit Kontakt mit ihm hat, weiß ich nicht." Und sie bestärkt:
„Mir ist nur noch der Kontakt bis vor etwa drei Jahren bekannt." (BI. 162
d. A.)
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass auch C. die Zeugin M. in seiner Aussage seinerseits nicht erwähnte. A. C. war ein alter Bekannter der L. Vacca aus Skin-headkreisen, wie M. angab.
Keine der Personen, mit denen Lucia Vacca zuletzt vor ihrem Tod Kontakt hatte
und mit denen sie sich sogar noch stritt, wurde jedoch vernommen.

4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Die bereits im Kapitel zur Verfälschung des Tatbestands durch das Gericht,
sowie die oben vorgebrachten Tatsachen, lagen der Kammer sämtlich bereits
vor der Entscheidung in der Ermittlungsakte vor und wurden dennoch nicht berück-
sichtigt. Auch diese vorgebrachten Tatsachen haben zur Folge, dass die Taten nicht
dem Antragsteller zur Last gelegt werden können. Bei entsprechender Berücksich-
tigung kann eine Verurteilung nicht erfolgen. Aus diesem Grund hat sich die Nicht-berücksichtigung der genannten Tatsachen negativ für
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den Antragsteller ausgewirkt, weshalb die vorgebrachten Tatsachen als neu
im Sinne eines Wiederaufnahmegrundes zu behandeln sind.

D) Antrag auf Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs
Der Antrag auf Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs wird auf § 360
Abs. 2 StPO gestützt.
Die Vollstreckung des Urteils wird durch die beantragte Wiederaufnahme des
Verfahrens nicht gehemmt. Die Unterbrechung der Urteilsvollstreckung ist jedoch
sachgerecht. Der Antragsteller befindet sich seit dem 30.08.1995 in Haft. Auf Grund-
lage des Wiederaufnahmeantrages wird deutlich, dass das Urteil in dieser Form
nicht hätte ergehen dürfen. Bereits vor dem Widerruf des Geständnisses lagen zahl-
reiche unberücksichtigte Tatsachen vor, die die Täterschaft des Antragstellers wider-
legen.
Die Anordnung der Unterbrechung ergeht, wenn abzusehen ist, dass der Wiederauf-nahmeantrag mit einiger Sicherheit (OLG Hamm MDR 1978, 692) oder zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (OLG Hamm GA 1970, 309; JMBlNW 1980, 276;
1990, 140; OLG Karlsruhe Justiz 1979, 237; LG Gießen NJW 1994, 465, 467) Erfolg haben wird und deshalb die Vollstreckung des Urteils ohne Rücksicht auf das Wieder-aufnahmeverfahren bedenklich erschiene (Gössel LR Rn 4; Meyer-Goßner Rn 3; Eschelbach KMR Rn 18). Da dies hier der Fall ist, überwiegt das Freiheitsinteresse des Antragstellers bei weitem das öffentliche Interesse an einer weiteren Vollstreckung des
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Urteils des Landgerichts Bamberg vom 26.06.1995. Dies gilt umso mehr im Lichte
dessen, dass der Antragssteller sich aktuell bereits seit über 21 Jahren durchgehend
in Haft befindet.

Dr. Malte Magold
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht



Matthias:




Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens              
des Herrn RA Dr. M. Magold, Ostendstraße 196, 90482 Nürnberg

Obwohl ich zu meiner Angelegenheit schon tausende Seiten zur Erklärung aufgeschrieben habe, muss ich immer wieder feststellen, dass ich viele Aspekte noch nicht ausreichend thematisiert habe. Ein wesentlicher Punkt ist das, was man mir als „Geständnis“ an-
lastet.
Die juristische Architektur des Antrages macht nun aus formalen Gründen einen Geständniswiderruf notwendig. Darin liegt jedoch die Gefahr, dass die gesamte Beweiskraft - und wenn sie noch so klar belegt, dass ich nicht der Täter sein kann - in der Ba- nalität des Vorwurfes „ein Geständnis abgelegt zu haben“ verloren geht.
Verantwortliche Beschuldigtenvernehmung
Dieses sogenannte „Geständnis“ geht auf die Beschuldigtenvernehmung zurück, die am Tag meiner Festnahme - die ganze Nacht durch bis zum Tagesanbruch des nächsten Tages - geführt wurde.
Im Gegensatz zu anderen Vernehmungen die direkt „Wort für Wort“ zu Protokoll gegeben werden (z.B. auch Zeugenaussagen), hat die Kripo zu dieser Beschuldigtenvernehmung ein Band mitlaufen lassen, welches im Nachhinein von einer Sekretärin abgetippt und zu Papier gebracht wurde. Erst durch die Unterschrift der vernehmenden Kripobeamten, sowie die der Sekretärin und natürlich auch durch meine Unterschrift, wird aus diesem zuvor wertlosen Stück Papier (formaljuristisch)  ein verwertbares Geständnis.

Die Unterschrift
Es ist doch nur selbstverständlich, dass eine Vernehmungsniederschrift zur Kontrolle nochmal durchgelesen und dann unterschrieben wird - und zwar von ALLEN Beteiligten!
Vom Beschuldigten (also von mir!), genauso wie von den vernehmenden Kripobeamten - und auch die Sekretärin bekundet mit ihrer Unterschrift ihre Verantwortung für die Niederschrift. Andernfalls könnten verantwortliche Kripobeamte eine gefälschte Vernehmung aufschreiben und dem Beschul-digten jegliche Aussagen unterstellen, die später zu einer Verurteilung führen.
Tatsächlich wurde mir die Niederschrift der Beschuldigtenvernehmung NIE! zur Kontrolle vorgelegt und ich konnte sie auch nie unter-schreiben. Auch die Sekretärin hat ihre Unterschrift offensichtlich verweigert. Lediglich der Kripobeamte Groß unterzeichnete (als einziger) die Vernehmungsniederschrift mit seinem Namen. Er übernimmt damit nicht nur formal die Verant-wortung. Auch inhaltlich gehen viele Informationen „nicht auf mich“!, son-dern auf Groß zurück.

Unvollständig
Gleich auf den ersten Blick fällt auf, dass die Niederschrift mit „Fortsetzung der Beschuldigtenvernehmung“ betitelt ist. Das Doku- ment ist also unvollständig und es lässt sich nicht mehr rekonstruieren wie viel fehlt oder ob schon bedeutende Aussagen gefallen sind. Zum Anfang und zum Ende der Vernehmung sowie zu den jeweiligen Bandwechseln werden Zeitangaben gemacht. Diese Angaben sind widersprüchlich und sie bestätigen, dass es sich beim Titel keineswegs nur um einen Leichtsinnsfehler handelt, der sich aus Versehen eingeschlichen haben könnte!
Im Übrigen wird auch erklärt: „Wir lassen das Tonband nach wie vor weiterlaufen“ Es fehlt aber nicht nur das, was der „Fortsetzung der Beschuldigtenvernehmung“ vorangegangen ist. Beim Lesen der Niederschrift stößt man immer wieder auf radikale Brüche, so als hätte man aus einem Buch mehrere Seiten herausgerissen. Zu dem beziehen sich die Kripobeamten bei der Vernehmung mehrmals auf „schonmal“ oder „gerade erst“ Gesagtes, was aber in der Niederschrift nirgendwo zu finden ist.

„Punkt-Punkt-Punkt-Sätze“
Es wurden aber nicht nur wichtige Sätze und Aussagen gelöscht. Auch vorhandene Sätze wurden bis zur Unkenntlichkeit in ihrer Substanz mit Punkt-Punkt-Punkt-Auslassungszeichen (…) gekürzt.
Ich persönlich beende einen Satz mit „“ um zu kennzeichnen, dass sich z.B. eine Aufzählung noch länger fortführen lassen würde.
Literarisch akzeptiere ich „...“ auch als Kennzeichen, um momentanes Schweigen in einem Satz anzuzeigen, z.B. wenn ein zweiter Satz als „ins Wort fallen“ mit eingefügt werden soll.
Drei Auslassungspunkte zeigen lt. Regel an, dass in einem Wort, in einem Satz Teile ausgelassen worden sind oder sogar ganzer Text!  
Man könnte annehmen, dass die Bandaufnahme zum Teil unverständlich ist und dies mit „“ ersetzt wurde. Dem steht jedoch entgegen, dass Unverständliches auch tat-sächlich in Klammern mit dem Hinweis „(unverständlich)“ oder „(nicht verständlich)“ gekennzeichnet ist. Im Übrigen wurde auch ausdrücklich die Anmerkung „(flüstert)“ gemacht, woraus sich schließen lässt, dass 
die Bandaufnahme sehr gut funktioniert hat.
Alles in allem mag meine Bewertung dieser „“ in der Niederschrift der Beschuldigtenvernehmung zunächst etwas kleinlich wirken. Aber wenn in einem 100-Seiten-Protokoll 427 Sätze (!) mit Auslassungspunkten markiert werden, zum Teil schon am Satzanfang, zum Teil auch mehrmals innerhalb eines Satzes und 290 Sätze ganz einfach mit enden, dann ist das Protokoll als Fundament für eine Anklage und eine Verurteilung untauglich. Selbst zu Aussagen von allerhöchster Brisanz hält man es nicht für nötig mal nachzufragen, was denn da gesprochen wurde und notiert stattdessen nur „(murmelt etwas Unverständliches)“.

Die Beschuldigtenvernehmung (das „Geständnis“?!) ist also nicht nur unvollständig. Sie ist durch „“-Sätze verstümmelt und nur noch in Fragmenten vorhanden.
Wer würde sowas unterschreiben?

Der Sinn, eine Vernehmung zunächst auf Band aufzunehmen und erst dann schriftlich zu protokollieren ist es, die Aussage so genau wie möglich festzuhalten. Üblicherweise werden sogar Dialekte, Mimik und Gestik des Beschuldigten, sowie das kleinste Räuspern des Beschuldigten vermerkt.
Danach die sog. “Spreu vom Weizen zu trennen ist allerdings nicht die Aufgabe eines Kripobeamten, oder der Sekretärin, sondern
des Gerichts. Bereits aus dieser Grundmaxime, die jeder Polizist von der Pieke an beherrscht, lässt sich nur ein absichtliches Vertu- schungsmanöver annehmen.

Angedichtet und umgeschriebener Dialekt
Die meisten Menschen tun sich schwer damit, sich selbst auf Bandaufnahmen zu hören oder ihre eigene Redensart zu lesen. Offenbar war auch dem Kripobeamten Groß sein eigener Dialekt unangenehm. Zur Beschuldigtenvernehmung sprach er mit mir in einem be- sonders niveaulosen Dorfdeppen-Dialekt und zwar nicht nur in der Sprache. Sondern auch im Gebrauch besonders primitiver Worte und Aussagen.
In der Vernehmungsniederschrift werden nun die Kripobeamten Dippold und Groß in mäßigem Hochdeutsch wiedergegeben. Hingegen dichtet man MIR einen besonders „geistig minderbemittelten“ Dialekt an, so als wäre ich kaum fähig, mich verständlich zu artikulieren. Mir werden sogar Begriffe unterstellt (z.B. „geplöscht“), die in meinem Sprachgebrauch noch nicht mal existieren! Das Wort „Muttersprache“ bringt bereits zum Ausdruck, dass die kulturelle Sprachprägung durch Eltern gegeben wird. Auch meine Eltern spre- chen diesen Gossendialekt nicht.
Der Vogel wird jedoch Blatt 417 der Ermittlungsakte mit einer angeblichen Äußerung abgeschossen! Mir wird einfach die Aussage: „Ja, do wor er so vreckt halt“ unterstellt! Es ist in dieser Aussage von der Leiche F. Appels die Rede. Ich würde es mir nie erlauben mit derart schändlichen Begriffen so geringschätzig über einen verstor-benen Menschen zu sprechen! Jeder der mich kennt, weiß das. Solche Satzschöpfungen haben vermutlich den Zweck, mich als niederträchtigen und abgestumpften Mörder darzustellen.
Es geht mir nicht darum meine fränkische Herkunft zu verleugnen und ein umgeschriebener Dialekt wirkt zunächst vielleicht bedeu- tungslos. Für ein nicht unterschriebenes „Geständnis“ wiegt eine solche Manipulation jedoch sehr schwer! Schließlich wurden mir in der Niederschrift nicht nur ein falscher Dialekt und fremde Worte angedichtet, es wurden ganze  Absätze mit hinzu-gefügt, die NIE! gesprochen wurden.

Nahtlos vom „Zeugen“ zum Beschuldigten gemacht
Bereits als mich die Kripo zuhause geholt und festgenommen hat, wurde ich nach dem Schlüsselbund gefragt, den Günther Schmidt in der Nacht des Mordes am „unbekannten Opfer“ bei mir im Auto zurückgelassen hat. Nur so lässt sich auch erklären, wie die Kripo überhaupt auf -mich- gekommen ist.  
Als „Zeuge“ habe ich zunächst versucht mich aus dem ganzen Tatgeschehen so gut wie möglich raus zu halten und gab  vor, angeblich von nichts zu wissen. Dies ist mir aber nicht sehr gut gelungen und ich habe mich wirklich blöd angestellt – zumal mich die Kripobeamten (aus damals unerklärlich Quellen) immer wieder mit Wissen zum Mord am „unbekannten Opfer“ (Täterwissen der Kripo) in Bedrängnis gebracht haben.
Heute ist mir natürlich klar, dass die Kripo, genauso wie der Staatsanwalt Müller-Daams vom allerersten Augenblick an über das Tatgeschehen durch Günther Schmidt informiert wurden (er wollte seinen Schlüsselbund wieder zurück haben!!!).
Damals kannte ich aber seinen Namen noch nicht – und so konnte ich nichts anderes tun, als sein Profil in einer Täterbeschreibung  
zu Protokoll zu geben. Günter Schmidt war BKA-Beamter und so wussten Dippold und Groß natürlich sehr genau wen ich ihnen 
beschrieben habe. Trotzdem wurde ich von ihnen als „Lügner“ beschimpft und man hat mir unterstellt, ich würde mir diese Täterbe-schreibung nur ausdenken.
Diese Beschreibung habe ich etliche Male wiederholen müssen und auch die Nacht hindurch, wenn ich in der Vernehmung Anschul-digungen widersprochen habe, wurde ich immer wieder cholerisch angeschrien, „man müsse dann halt mit der Vernehmung wieder von vorne anfangen“ und man hat von mir gefordert, diese Täterbeschreibung eben nochmal abzugeben.
Dabei handelt es sich nicht um ehrlich gemeintes Sammeln von Informationen. Dieses Vorgehen hat einzig und allein den Zweck, Erschöpfung und Stress zu erzeugen.

Für das „Geständnis“ vernichtet
Als Verurteilter bin ich gesellschaftlich tot und habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Umso dringender stellt sich daher bei aller Skepsis die Frage: WARUM habe ich bis hin zur Selbstbezichtigung die Schuld für zwei Morde auf mich genommen – wenn ich sie doch nicht begangen habe?!
Bereits im Jahr 2007 habe ich mit meinem Text „Der Verlust der inneren Selbstbestimmung“ versucht, Licht in psychische Mechanismen zu bringen.
Da ich es mit der Beschuldigtenvernehmung selbst durchlebt habe, weiß ich, dass in Wirklichkeit nicht der eine, große Zusam-menbruch stattfindet. Vielmehr handelt es sich um mehrere kleine Realitätsbrüche, die sich so nach und nach schleichend zum großen Ganzen summieren.
Inzwischen ist mir bekannt, dass die Bayerische Polizei nach US-amerikanischem Vorbild speziell in der „psychischen Vernichtung“ geschult wird (Reid-Methode").
Schon am Nachmittag, mit Beginn der „Zeugen“-Vernehmung, habe ich ununterbrochen (als Zeuge!) Angaben gemacht und Rede und Antwort stehen müssen. Während sich die Kripobeamten immer wieder abgewechselt haben, habe ich pausenlos bis tief in die Nacht immerzu meine Aussagen wiederholen müssen.
So kam zum Dehydrieren durch das immerwährende Sprechen auch die vollkommen natürlich körperliche Erschöpfung mit hinzu.
Zu einem nicht mehr genau feststellbarem Zeitpunkt in der Nacht, ging die „Zeugen“-Vernehmung unmerklich in die Beschuldigten-vernehmung über. In dieser Phase ist die Erschöpfung schon viel zu weit vorangeschritten, um den Moment zu erkennen, wenn es unbedingt nötig ist, einen Anwalt als Zeugen der Vernehmung hinzu zu holen.
Wer aber glaubt, durch „nichts- mehr- sagen“ aus der Sache rauszukommen, der irrt! Wer nicht mehr spricht, der gibt damit also bereits die verbale Verteidigung auf. Der Realitätsbruch kann sich weiter vertiefen.
Auch mir ging durch diese Prozedur Stück für Stück der klare Gedanke verloren und das Gehirn hat nicht mehr richtig gearbeitet. So habe ich es dann stoisch und ohne den geringsten Zweifel hingenommen, als man mir in der Vernehmung (ohne ersichtlichen Grund!) mitteilte, dass es überhaupt nicht mehr um die Frage ging ob ich schuldig oder unschuldig wäre, sondern nur noch um das Ausmaß meiner Schuld.

Tatgeschehen contra „Geständnis“
Das Gehirn ist auch nur ein Organ, das nach vielen Stunden Dauerleistung (genau wie Muskeln) schwächer wird und letztendlich vollständig Kraft verliert. Da ich kein Übermensch bin, war mir die Denkleistung abhanden gekommen um die Behauptung, ich wäre Beschuldigter, noch in Frage stellen zu können. Das „Nein-Sagen“ habe ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon lange aufgegeben. Im Übrigen hat auch die äußere Situation zur Behauptung gestimmt. Ich habe mich bis tief in die Nacht so oft anschreien und als Lügner beschimpfen lassen müssen, alles hat dafür gesprochen, dass man mich für schuldig hielt.
Um mir aber entgegenzukommen, sprachen Dippold und Groß zunächst davon, dass ich mich angeblich mit F. Appel nur hätte prügeln wollen und er dann - sozusagen aus Versehen - verstorben sein soll. Groß spielte diese Version in seinem primitiven Gossendialekt (lt. Protokoll) mit dem Wort „gepatscht“ herunter.
Man ist mir sogar noch weiter entgegengekommen und deutete den Tathergang in Richtung Notwehr um! Demnach sollte F. Appel mit einem nicht genauer interpretierbaren Gegenstand auf mich eingeschlagen haben. Im weiteren Verlauf der Beschul-digtenvernehmung wurde aus dem Gegenstand ein Werkzeug (Hammer) mit dem dann nicht mehr F. Appel auf mich, sondern ich auf ihn – eingeprügelt haben soll.
Groß modifizierte den Hammer (in Frageform) in ein „Maurerbeil“ um – und wechselte schließlich zu „Beil“. Im weiteren Verlauf der Vernehmung besteht er immer wieder darauf, dass es sich um ein „Beil“ handelt. Woher hat er dieses Wissen?

Nochmal zur Verdeutlichung
- Ich soll (lt. Klageschrift und Urteil) F. Appel bereits am 20.08.1995 mit ei     
  nem Beil ermordet haben.

- Der Zeuge „B.“ hat am 21.08.1995 ein Beil gefunden, welches man als  
  Tatwaffe ausgemacht haben will.

- Der Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams (höchstpersönlich!) doku-          
  mentiert in den Ermittlungsakten, dass F. Appel zuletzt am 23.08.1995 (!)   
  lebend gesehen wurde.
- Nach der Sterbefallanzeige der Kripo (Erm.-Akte Bl. 007) wurde F. Appel
  am 26.08.1995 tot aufgefunden. Beim Auffinden der Leiche hat der Land
  gerichtsarzt (ebenfalls höchstpersönlich!) festgestellt, dass die Totenstarre
  in den Kniegelenken  noch vorhanden war!
- Ein Opfer, dem mit einem Beil (plötzlich und unerwartet) der Schädel ein
  geschlagen wird, setzt sich nicht mehr durch Prügel zur Wehr, noch kann
  es auch nur mehr weglaufen. Vielmehr fällt ein Mensch unter solchen Be-
  dingungen wehrlos zu Boden. Dieser Tatablauf war eine Idee von Dippold
  und von Groß, um mir vorzutäuschen, dass es sich nicht um Mord, son-
  dern lediglich um einen Unfall handelt, der halt in einer Prügelei gesche-
  hen sein soll, die eben aus dem Ruder gelaufen wäre.

Als ich am 28.08.1995 daheim geholt und festgenommen wurde, lagen die Ermittlungsergebnisse bereits vor.Trotzdem unterstellte mir die Kripo (und später auch der LOStA Müller-Daams) der Täter des Mordes an F. Appel zu sein und konstruierte dazu wider besseren Wissens eine Geschichte, die mit KEINEM! der schon vorliegenden Ermittlungsergebnisse zusammenpasst (Todeszeitpunkt, Todesursache, Verletzungsbild,  Zeugenaussagen usw). Selbst wenn ich derjenige gewesen wäre, der sich diesen gefälschten Tathergang ausgedacht  und aus freien Stücken zu Protokoll gegeben hätte, hätte man mir augenblicklich unterstellen müssen, dass diese Geschichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt und komplett gelogen ist.
Die Kripobeamten Dippold und Groß vertuschten damit einen Mord (den vom 20.08.1995) an einem mir unbekannten Opfer und deckten ihren Kollegen Günter Schmidt. Dazu dachten sie sich einen Tathergang aus, der den zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Fakten aufs Gröbste widerspricht und unterstellten mir, ICH hätte diese Geschichte so „gestanden“.
Ist es das, was man sich unter einem „Geständnis“ vorstellt?! Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen ist dieses Protokoll – die verantwortliche Beschuldigtenvernehmung - mit Ausnahme von Groß - wie bereits gesagt – noch nicht einmal unterschrieben!

Zum Mordvorwurf im Fall „L. Vacca“
Zum Mord an L. Vacca haben sich Kripo und Staatsanwaltshaft keine Mühe mehr gegeben (im Gegensatz zum Fall „F. Appel“), den Tathergang fantasievoll auszuschmücken.
Mit wird unterstellt, ich hätte L. Vacca mitten in der Nacht, draußen in der freien Natur, auf einem abgelegenen Feld positioniert und hätte mich dann entfernt um mich nach einem Gegenstand umzusehen, mit dem ich sie dann ermorden könnte. Nachdem ich nach unbe- stimmter Zeit mit einem Stein zurückgekommen sein soll, soll L. Vacca noch immer unbewegt in die Nacht starrend dagestanden haben, ohne nachzufragen wo ich gewesen wäre und ohne sich nach mir umzusehen (starr wie eine Salzsäule) und so wäre ich wohl an sie herangetreten und hätte sie erschlagen.
Eine reale Schilderung des Geschehens die sich an die Wirklichkeit des Lebens hält, ist hier nicht mehr notwendig. Nachdem ich bereits im Fall „F. Appel“ schuldig gemacht wurde, war eine Beschreibung der Tat zum Fall „L. Vacca“ nur noch eine eiskalt berechnete Form- sache.
Grund:
Zum Vorwurf des Mordes verlangt die Gesetzgebung als Mordmerkmal ein Tatmotiv. Da aber keines der sonst üblichen, lebensnahen Motive vorgebracht werden konnte, machte man mir im Fall „F. Appel“ „nur“ einen Totschlag zum Vorwurf. Ein Totschlag kann auch ohne Mordabsicht geschehen und benötigt daher kein Tatmotiv. In der Folge erklärt man dann diesen Totschlag zur Vertuschung der Tat als Motiv für den Mord an L. Vacca.
Derart juristische Intrigen waren mir damals im Jahr 1995 zur Beschuldigtenvernehmung absolut unbekannt. Stellt man sich so eine „Geständnis“ vor?

Die Drogenkommission
Als F. Appel tot aufgefunden wurde, gab der Pressesprecher der Kripo Bamberg gleich zu Beginn der Ermittlungen mit der allerersten Zeitungsmeldung bekannt die Kripo gehe davon aus, dass es sich um eine Tat im Drogenmilieu handelt und so werde aufgrund der besseren Kenntnisse der Bamberger Drogenszene die Drogenkommission ermitteln. Rückblickend betrachtet war man wohl eher der Meinung, die Drogenkommission ist besser geeignet um den ganzen Vorfall zu vertuschen.
Protokoll-Formulare aus den Ermittlungsakten belegen ungeschönt wie bedeutende Zeugen einfach abgewimmelt wurden. Hochbrisanten Angaben von wichtigen Zeugen (auch von Familienangehörigen der Opfer!) wurde überhaupt nicht oder nur mit ablehnender Haltung nachgegangen.
Z.B. erzählte die Vermieterin eines Zeugen (der eigentlich ein hochgradig Verdächtiger ist!), dass sie der Kripo die Wohnungstür aufgesperrt hat. Es hat sich gezeigt, dass die Wohnung offensichtlich ein Treffpunkt für Junkies war. Zu allerlei Drogenutensilien stolperte die Kripo sogar über Spritzen. Drogenfunde wurden also bewusst ignoriert (aktenkundig!). Während der Beschuldigtenvernehmung wurde mir trotzdem unterstellt, ich würde als Schutzbehauptung Drogengeschichten erfinden und letzt-endlich habe ich dann sogar selbst geglaubt, den ein- oder anderen Joint der beiden Opfer überbewertet zu haben
In meiner Zeugenaussage habe ich vor der Beschuldigtenvernehmung noch erklärt, dass das gesamte Tatgeschehen mit Drogen und viel Geld im Zusammenhang steht. Tatsächlich hat die Kripo am Auffindeort der Leiche des F. Appel (lt. Ermittlungsakte) eine größere Menge Geld in Scheinen gefunden! Wie viel gemeint ist, wurde nicht angegeben. 100 Euro sind  keine große Menge Geld, 1000 Euro sind im Drogenhandel auch nicht viel. Vielleicht 100.000 Euro? Das Geld nahm Galster an sich („in seinen Schreibtisch“!). In das Spu- ren-/Asservatenverzeichnis ist es nicht aufgenommen.
Schon zu meiner Zeugenaussage wurde ich von der Kripo für meine Angaben zur Drogenkriminalität der beiden Opfer feindselig angezweifelt. Meine Täterbeschreibung zu Günter Schmidt hat man mir so oft in aggressiven Schuldzuweisungen zum Vorwurf gemacht, bis ich es selbst bedauert habe eine Täterbeschreibung abgegeben zu haben. Als bei der Vernehmung das Interesse an seiner Tatbeteiligung nachließ (und schließlich ganz verschwand) erschien es mir wie eine Erleichterung. Tat-sächlich wurde er aber mit diesem Trick aus dem Tatgeschehen komplett herausgelöscht – als hätte er nie existiert.
Die Drogenkommission hat es auf Äußerste vermieden, ehrlich zu  ermitteln und Licht ins Tatgeschehen zu bringen. Stattdessen hat man sogar mit Beweismittelvernichtung und Aktenunterdrückung Kahlschlag betrieben und verbrannte Erde hinterlassen.

Konspirative Machenschaften
Einfach nur ein Paar kriminelle Polizisten, die die Seiten wechseln und dann im Drogenmilieu mitverdienen, gibt es nur im Film. Um ge- meinsam Straftaten zu begehen, braucht es auch die Unterstützung durch z.B. die Staatsanwaltschaft. Tatsächlich hat in meinem Fall der Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams seinen Beitrag geleistet.
Noch während des laufenden Verfahrens  - mit offenem Ausgang -  ordnete er die Vernichtung von Beweisgegenständen an. Schon auf die Vernichtung von Beweisen stehen bis zu fünf Jahren Haft! Auch Zeugenaussagen von höchster Wichtigkeit  und Protokolle sind aus den Ermittlungsakten verschwunden.
So liegt z.B. zur Leichenobduktion nur ein „Vorläufiges Ergebnis“ vor. In den Ermittlungsakten (Bl. 035) heißt es:
„Nach der Obduktion ergeht der  mündliche Auftrag des anwesenden Leitenden Oberstaatsanwalts, daß nach Abschluß der erfor-derlichen Untersuchungen ein abschließendes schriftliches Gutachten zu erstatten ist, wobei darum gebeten wird, die Ergebnisse der Untersuchungen unaufgefordert den Ermittlungsbehörden und dem Landgerichtsarzt schriftlich mitzuteilen.“
Dieses „abschließende Obduktionsgutachten“ stand mit Sicherheit in krassem Widerspruch zum Tatvorwurf, wonach ich F. Appel am 20.08.1995 erschlagen haben soll.
Dem echten Todeszeitpunkt zufolge, aber auch bei genauer Betrachtung des Verletzungsbildes, hätte ich nicht mehr beschuldigt und verurteilt werden können. Daher musste dieses abschließende Gutachten verschwinden. Es fehlt in den Ermittlungsakten. Man hat es sogar vermieden, in der Hauptverhandlung den verantwortlichen Obduzenten, Herrn Prof. Schulz,  als sachverständigen Zeugen zu diesen abschließenden Fragen zu hören. Statt dessen begnügte man sich mit den Aussagen des Landgerichtsarzt Dr.Honus. Aber auch ER wusste sehr genau, dass die Tatvorwürfe nach der Anklageversion des Herrn Müller-Daams noch nicht einmal im Ansatz mit den wirklichen Obduktionsbefunden übereinstimmen können. Trotzdem hat Dr.Honus in der Verhandlung dazu geschwiegen.

Der Mündlichkeitsgrundsatz
Kein noch so zurecht-manipuliertes „Etwas“, das man dann als „Geständnis“ bezeichnen möchte, hat für die Anklage irgendwelchen Nutzen, denn am Schluss steht noch immer der "Mündlichkeitsgrundsatz“.
Dieser besagt, dass das Gericht über den Prozessgegenstand aufgrund der Verhandlung, d.h. NUR! aufgrund des mündlich vorge-tragenen und Erörterten entscheiden darf (§§ 261, 264 StPO). Die gesamte Beweisaufnahme hat also in mündlicher Verhandlung bei gleichzeitiger Anwesenheit des Angeklagten, der Richter, der Staatsanwaltschaft, eines Urkundsbeamten und eines Verteidigers zu geschehen (§ 226 StPO).
Rechtshistorisch liegt dem Mündlichkeitsgrundsatz der Gedanke zugrunde, dass alles zur Sprache gebracht werden muss, um   einerseits eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen und andererseits, damit vom erkennen-den Gericht auch ein URTEIL er-
wartet werden kann - und gerade KEIN „Vor“-Urteil in dem Sinne, dass man sich nur auf eine Sammlung, Sichtung, Auswahl und „Vor“-Bewertung (Anklageschrift) durch dritte Personen beruft.
Zentrale Norm des Mündlichkeitsgrundsatzes ist § 249 Abs. 1StPO, wonach Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke in der Hauptverhandlung vollständig (!) zu verlesen sind. Der Beschuldigte muss – auch wenn er bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt hat (sogar dann, wenn er die Abschrift der Beschuldigtenvernehmung unterschrieben hätte!) 
seine Aussage in der Hauptverhandlung mündlich formulieren.
Obwohl die Prozessökonomie eher dafür spricht einen Anwalt aus Bamberg zu beauftragen, hat mir das Gericht als Pflichtverteidiger den Anwalt Carsten Schieseck aus dem ca. 50 km entfernten Bayreuth zugewiesen. Inzwischen ist mir bekannt, wenn man eine ehrliche Verteidigung eines Angeklagten verhindern will, holt man als Verurteilungs-Erfüllungshelfer“ Carsten Schieseck aus Bayreuth.
Wie schon in meinem Text „Mandantenverrat“ ausführlich beschrieben, hat Schieseck alles dafür getan, um meine Verurteilung sicherzustellen. So erklärte ich dann in der Verhandlung „ich bin mir meiner Schuld bewusst“, was im Grunde NICHTS bedeutet. Doch damit wird vom Gericht unter dem Vorsitz von Konrad Dengler rechtlich-formal ALLES, was mir als „Geständnis“ angelastet wird (jede Sauerei) zum belastbaren „Geständnis“. Niederträchtiger kann Juristenpfusch kaum noch sein!

Die Leichtigkeit eines Freispruchs
Tatsächlich wäre es meiner Überzeugung nach so unfassbar leicht gewesen, einen Freispruch zu erreichen! Die Anklageschrift (und in der Folge auch das Urteil) beruft sich beinahe ausschließlich auf diese manipulierte Beschuldigtenvernehmung. Da sie von mir nicht unterschrieben ist, ist sie im Grunde nicht mehr wert als eine Rolle Klo-Papier. Zur Verteidigung hätte es genügt, die Zustimmung zur Verwertung dieses Papieres zu verweigern. Somit hätte nichts mehr gegen mich vorgelegen, da alle vorliegenden Fakten aus den Ermittlungen GEGEN meine Schuld sprechen.
Ich bin jetzt gezwungen, dieses mir angelastete „Geständnis“ zu widerrufen. Diesen Widerruf nicht anzuerkennen würde bedeuten, das geschehene Unrecht aufrecht zu erhalten, den Mord an einem unbekannten Opfer weiterhin zu vertuschen, die wahren Mörder davon kommen - und bandenmäßig organisierte Kriminalität innerhalb der Rechtsinstitutionen weiterhin gewähren zu lassen.

Mai 2017
Matthias




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